Augenspiegel 38-17: Die Unentschiedenen

Wissenschaftsbarometer 2017: Einstellungen zu Klimawandel, Evolution und Impfungen. Quelle: Wissenschaft im Dialog/Kantar Emnid, CC BY-ND 4.0
Wissenschaftsbarometer 2017: Einstellungen zu Klimawandel, Evolution und Impfungen. Quelle: Wissenschaft im Dialog/Kantar Emnid, CC BY-ND 4.0

Nicht nur im Vorfeld der Bundestagswahl sind viele noch unentschieden. Im Wissenschaftsbarometer 2017 fiel mir auf den 36 zahlengespickten PDF-Seiten eine Zahl besonders ins Auge: 17 Prozent Unentschiedene. Und zwar bei der Frage, ob es mehr schadet, Kinder zu impfen, als dass es nützt. 51 Prozent stimmten dem nicht zu, 15 Prozent lehnten die Aussage eher ab. Zusammen also knapp zwei Drittel pro Impfen. Voll und ganz impfkritisch zeigten sich 6 Prozent, eher impfkritisch 7 Prozent. Diese 13 Prozent mit wissenschaftlichen Fakten von der Sinnhaftigkeit des Impfens zu überzeugen, halte ich zwar für wünschenswert aber auch für extrem schwierig.

Dass man in öffentlichen Diskussionen zum Beispiel im Internet aber gleichwohl immer für das Impfen eintreten sollte, liegt meiner Meinung nach an der wichtigsten Zahl: 17 Prozent sind bei dieser Frage unentschieden. Auch wenn man Hardcore-Impfkritiker nicht wird überzeugen können, so sollte man dennoch in öffentliche Diskussionen mit ihnen einsteigen, um die immer vorhandenen Zaungäste der Diskussion zu überzeugen, die sich gerade erst eine Meinung zu einem Thema bilden. Die Tatsache, dass diese Gruppe nach dieser Umfrage mindestens ebenso groß wie die der Impfkritiker, zeigt, wie wichtig solches Engagement auch bei anderen Themen ist. Bei den anderen beiden oben dargestellten Themenfragen Klimawandel und Evolutionstheorie stehen größere Anteile der Bevölkerung auf Seiten des wissenschaftlichen Konsenses. Aber auch hierbei sind die Unentschiedenen-Anteile mit jeweils etwa 10 Prozent ähnlich groß wie die der ablehnenden Personen.

Auch die anderen Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers empfehle ich zur Lektüre. Nach Kritik in den vergangenen Jahren wird das Wissenschaftsbarometer mittlerweile nicht mehr von der Philip Morris Stiftung gesponsert. Wissenschaft im Dialog hat hierfür nun die Robert Bosch-Stiftung gewinnen können.

Videos der Woche

Raul Krauthausen sprach für die Videoserie res:ponsive mit GEMOAR-Forscher Mojib Latif.

https://www.facebook.com/responsiveDE/videos/1271696989608507/

Video: re:sponsive

Die NASA weiß, wie man das Ende einer 20-jährigen Raumfahrtmission emotional und im Hollywood-Stil in Szene setzt:

Video: NASA

Video: NASA

Tweet der Woche

30.000 Menschen nahmen an einer Social Media-Aktion der NASA teil, als diese ein Botschaft suchte, die an das Raumschiff Voyager gesendet werden soll – und vielleicht auch an mithörende intelligente Lebewesen im Kosmos. Gewonnen hat dieser Tweet:

Für die Verkündung der ausgewählten Botschaft und das Absenden im Kontrollraum lud die NASA Captain Kirk-Darsteller William Shatner ein.

Social Media-Zensus

Wie viele Nutzer hat welche Social Media-Plattform? Diese Frage stellt sich angesichts der rasanten Veränderungen des Web 2.0 immer wieder neu. Leider sind die Datengrundlagen und die Offenheit der Betreiber ganz unterschiedlich. Gleichwohl hat Andreas Rickmann nun einige Fundstellen zusammengetragen: Facebook hat demnach in Deutschland 30 Millionen monatlich aktive Nutzer. Instagram hat deren 15 Millionen. Bei WhatsApp dürfte diese Zahl demnach zwischen 35 und 40 Millionen liegen. Für Youtube und Twitter liegen leider keine aktuellen Zahlen vor. SnapChat ist eher auf dem absteigenden Ast, das Instagram zahlreiche Features kopiert hat.

Bei den Reichweite-Zahlen wurde Facebook gerade beim Schummeln erwischt. Die Plattform behauptete, 12 Millionen Deutsche zwischen 20 und 29 Jahren erreichen zu können. Interessanterweise leben in dieser Altersklasse jedoch nur 9,2 Millionen Menschen in Deutschland. Facebook verweist darauf, dass es sich nur um Schätzungen handelt. Aha. Die Reichweite von Facebook-Seitenbeiträgen ist unterdessen in den vergangenen Monaten signifikant gesunken. Der Facebook-Algorithmus bevorzugt insbesondere Video-Inhalte gegenüber normalen Beiträgen aus Texten, Bildern und Links.

Auch bei Youtube läuft gerade nicht alles Rund zwischen Plattform und den Inhalte-Bereitstellern. Viele Youtuber berichten davon, dass ihr Werbeeinnahmen stark sinken, an denen sie von Youtube durch vorgeschaltete Anzeigevideos beteiligt werden. Youtube scheint die Richtlinien geändert zu haben, welche Videos „monetarisierbar“ beziehungsweise „werbefreundlich“ sind. Dies scheint auf Veranlassung der Werbetreibenden geschehen zu sein, die ihre Werbeanzeigen scheinbar nicht im Umfeld von Politikvideos vermarktet sehen wollen. Parallel dazu hat Youtube gerade viel an seinem eigenen Algorithmus gearbeitet, der bestimmt, welche eingeloggten Youtube-Nutzer welche neuen Videos ihrer abonnierten Kanäle angezeigt bekommen.

ScienceRap

Wissenschaftskommunikator_innen kennen das Problem: Bei Kooperationsprojekten will jede Institution in jedem Kommunikationsprodukt genannt werden. Jede hat ihr eigenes Kürzel. Die Boilerplates der Pressemitteilungen sehen dann gerne mal aus wie ein Wald aus lauter Akronymen. Das DZHK (wer kann das Akronym ohne Googlen auflösen?) hat aus der Not eine Tugend gemacht. Sehr schön!

Video: DZHK

Auch wir standen vergangene Woche vor der Frage, wie wir etwas Besonderes in Social Media kommunizieren sollten. Nach mehr als zehn Jahren bekam die Helmholtz-Gemeinschaft am 14. September 2017 ein neues Logo, ein neues Design und auch einen neuen Claim. Um diesen in Social Media bekannt zu machen, entschieden wir uns für ein Glücksrad-Spiel, bei dem die Helmholtz-Zentren die Buchstaben und unsere Twitter-Follower den ganzen Claim raten konnten.

Kurz verlinkt

Das Programm des Forums Wissenschaftskommunikation 2017 ist erschienen. Ich freue mich, dass es die Diskussionsrunde zu Wissenschaftspodcasts ins Programm geschafft hat, die Melanie Bartos, Daniel Meßner und ich eingereicht haben – übrigens ein all-female-Panel mit männlichem Quotenmoderator. Besonders freue ich mich auf die Keynote von Patrick Breitenbach.

Immer mehr Medienhäuser startet Audio-Podcasts – auch solche, die eigentlich nichts mit Audio zu tun haben. Jüngster Neuzugang: Zeit Online. Ich finde das werktägliche Format (angelehnt an The Daily von der New York Times) sehr hörenswert. Gleichzeitig verstehe ich bei der technischen Realisierung des Podcasts nicht, wieso sich Zeit Online den Podcast-Feed nicht auf eigener Infrastruktur zur Verfügung stellt, um die Kontrolle über diesen Ausspielweg an ihre Hörer*innen zu behalten. Dies erinnert mich etwas an längst vergessene Tage der Internet-Vorzeit, als Medienmarken wie die heute-Sendung es nicht für nötig hielt, die Domain heute.de zu reservieren, sondern (in einer scheinbar aus dem Bildschirmtext-Zeitalter stammenden Herangehensweise) seine Inhalte auf heute.t-online.de veröffentlichte und auch diese Domain (das wichtige steht hinten!) aktiv in seinen Sendungen bewarb.

Ebenfalls zur Lektüre empfohlen: ein Bericht über die datenjournalistisch-wissenschaftliche Konferenz SciCAR

Und damit zurück ins Internet…

Wer sich auf den letzten Drücker noch informieren mag, wie eigentlich die Bundestagswahl genau funktioniert, dem lege ich diese beiden (bereits etwas älteren) Videos der Bundeszentrale für politische Bildung sowie unseren morgen erscheinenden Comic ans Herz.

Video: BpB

Video: BpB

Die Augenspiegel-Kolumne

Die Kolumne „Augenspiegel – Webfundstücke rund um die Wissenschaft“ erscheint seit Februar 2014 etwa alle zwei Wochen freitags im Blogportal der Helmholtz-Gemeinschaft. Darin stellt Henning Krause, Social Media Manager in der Helmholtz-Geschäftsstelle, Internetfundstücke aus dem Web 1.0 und dem Web 2.0 vor, die zeigen, wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Wissenschaft im Internet abspielt: neue Kommunikationsformen, neue Technologien und Kommunikationskulturen. Bei dieser Kuratierung spielen Blogs, Apps, Facebook, Youtube und Twitter eine Rolle – anderseits auch Internet-Meme, Shitstorms und virale Videos.

Leser:innenkommentare (1)

  1. Augenspiegel 51-17: Weihnachten im Labor - Augenspiegel

    […] 2017 zur Talking Science-Diskussionsrunde eingeladen. Thema war die aktuelle Diskussion um das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft – und was Medien und Wissenschaft diesbezüglich verbessern können. Der Mittschnitt des […]

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