Augenspiegel 27-17: Sind manche Daten gleicher?

Bild: Redcctshirt, public domain
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Wenn wir im Internet unterwegs sind, Freunden auf WhatsApp schreiben oder Youtube-Videos gucken, dann denken wir meistens nicht darüber nach, wie das eigentlich genau funktioniert. Es ist ähnlich wie mit einem Auto: Hauptsache es fährt. Und man muss den Motor ja nicht verstanden haben, um von A nach B zu kommen. Heute will ich über ein scheinbar sehr technisches Thema schreiben, das aber nicht nur damit zu tun hat, wie die Bits und Bytes zwischen unserem Smartphone und dem Internet hin- und her flitzen. Nein, das Thema Netzneutralität (was für ein Wort!) hat auch mit Informationsfreiheit und demokratischen Grundrechten zu tun.

Es geht dabei um die Frage, ob Internetservice-Provider (ISP), also die Firmen, die uns Kunden den Internetanschluss zur Verfügung stellen, alle Daten, die sie über die Leitung oder die Luft transportieren, gleich behandeln müssen. Bis vor einigen Jahren war das automatisch so, weil es wenig technische Möglichkeiten gab, Datenarten voneinander zu unterscheiden. Dies hat sich in den vergangenen Jahren rasant geändert. Demnach kann ein ISP zum Beispiel die Datenpakete eines Videotelefonats gegenüber denen einer E-Mail bevorzugen. Das klingt auf den ersten Blick erstmal sinnvoll, damit der Bitstrom des Videochats nicht abreißt. Eine E-Mail kann ja vielleicht auch ein paar Sekunden später ankommen. Auf der anderen Seite führt diese Ungleichbehandlung (Diskriminierung) von Daten zu erheblichen Problemen, die dieses Video schön darstellt.

Video: explainity

Dieses Jahr startete die Telekom nun einen Vorstoß in Richtung eines Zwei-Klassen-Internets im Mobilfunk: Wer einen bestimmten Tarif („StreamOn“) bucht, dessen Datenverbrauch von bestimmten Streaming-Anbietern wird nicht mehr berechnet – die Rede ist dann von Zero-Rating. So sollen Nutzer auch mobil Netflix gucken können, ohne ihr Datenvolumen aufzubrauchen. Kritiker monieren, dass das Problem eher in der Existenz von Volumenbeschränkungen und verschlafenem Netzausbau liegt. Thomas Lohninger von der digitalen Bürgerrechte-Organisation epicenter.works hielt auf der Telekom-Hauptversammlung kürzlich einen Vortrag gegen StreamOn:

Video: epicenter.works

Auch für so unterschiedliche Organisationen wie Facebook und Wikipedia gibt es in verschiedenen Ländern Zero-Rating-Tarife. Wikipedia kostenlos für alle auf dem Smartphone? Das klingt gut! Das Problem ist jedoch die Abgrenzung: Welche Diensteanbieter sollen bevorzugt werden? Abhilfe würde ein grundsätzliches Verbot von Zero-Rating und eine gesetzliche Verpflichtung der ISP zur Netzneutralität bringen – dann müssten alle Bits gleich behandelt werden. Als kurzfristige Lösung finde ich den Vorschlag von Timo Hetzel vom Bitsundso-Podcast sehr interessant: StreamOn für alle Dienste.

Video: Bitsundso

Video der Woche

Und damit kommen wir zu den Fundstücken der Wissenschaftskommunikation. The Simple Club heißt ein Nachhilfe-Kanal auf Youtube. Die Macher haben mal grundsätzlich über die Schule nachgedacht und auf der Jugendkonferenz TinCon einen Vortrag darüber gehalten:

Video: TinCon

Grimme Online Award

Vor kurzem wurden wieder die Grimme Online Awards verliehen. Herausgreifen möchte ich einen ganz besonderen Preisträger. Im Audio-Podcast Wochenendrebell unterhalten sich der 12-jährige Jason und sein Vater Mirco über alle Themen, die die beiden bewegen. Neben dem Alltag und Fußball sind das für Jason insbesondere naturwissenschaftliche Themen. Der junge Aspberger-Autist erzählt über den Ursprung des Universums, Relativitätstheorie und Schwarze Löcher wie ein studierter Physiker. Dies funktioniert meiner Meinung nach insbesondere deswegen als Podcast so gut, weil die Nutzer beim Hören ganz nach dran sind an „Jay-Jay“ und seinem Leben.

Video: Grimme Online Award

Blick in die Blogs

In den DLR-Blogs schreibt Volker Kratzenberg-Annies über das Projekt_4D. Es geht um eine Zeitkapsel, in die alle Interessierten in den vergangenen Woche digital Fotos einstellen konnten. Diese Zeitkapsel wird Astronaut Alexander Gerst im kommenden Jahr mit auf die Internationale Raumstation ISS nehmen. Danach wird sie für 50 Jahre geschlossen im Bonner Haus der Geschichte aufbewahrt. Im Jahr 2068 wird diese Zeitkapsel mit den einst ins Weltall geflogenen Fotos geöffnet. Ich habe mir fest vorgenommen, das noch zu erleben, um mir dann mein eingeschicktes Foto mit meinen Kindern wieder anzusehen.

Herzlichen Glückwunsch auch an DLR_next für einen der unterhaltsamsten und reichweitenstärksten deutschen Wissenschafts-Twitter-Accounts!

[tweet https://twitter.com/DLR_next/status/878991193186729985/]

Update 4. August 2017: Das DLR hat heute alle 2000 Fotos online vorgestellt, die zur ISS fliegen werden. In einem Blog-Beitrag gibt es außerdem noch einige Hintergrundinformationen.

Im Blog von Wissenschaft im Dialog wird der Berliner Stammtisch Wissenschaftskommunikation vorgestellt. Und auf Wissenschaftskommunikation.de gibt es eine lesenswerte Zusammenfassung des „Heißen Sommers der Wissenschaftskommunikation 2014„. Desweiteren empfehle ich zur Lektüre „Warum ich den Fake News ein bisschen dankbar bin“ von Patrick Breitenbach.

Auf der Metaebene

Vergangene Woche habe ich ausführlich über die Stellungnahme der Akademien zur Social Media-Wissenschaftskommunikation gebloggt. Darin hatte ich auch erklärt, warum ich das oben ausführlich dargestellte Thema Netzneutralität auch für die Wissenschaftskommunikation für wichtig halte. Hier wollte ich gerne auf viele weitere Kommentare und Einschätzungen hinweisen: von Annette Lessmöllmann, Markus Weißkopf, Beatrice Lugger und Lars Fischer, Mareike König, Martin Schneider, Julia Wandt, Reiner Korbmann und  Markus Pössel, Christopher Schrader, Julia Metag. Für die Plattform Wissenschaftskommunikation.de durfte ich meinen Kommentar nochmal in 100 Sekunden zusammenfassen.

Die Augenspiegel-Kolumne

Die Kolumne „Augenspiegel – Webfundstücke rund um die Wissenschaft“ erscheint seit Februar 2014 etwa alle zwei Wochen freitags im Blogportal der Helmholtz-Gemeinschaft. Darin stellt Henning Krause, Social Media Manager in der Helmholtz-Geschäftsstelle, Internetfundstücke aus dem Web 1.0 und dem Web 2.0 vor, die zeigen, wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Wissenschaft im Internet abspielt: neue Kommunikationsformen, neue Technologien und Kommunikationskulturen. Bei dieser Kuratierung spielen Blogs, Apps, Facebook, Youtube und Twitter eine Rolle – anderseits auch Internet-Meme, Shitstorms und virale Videos.

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