Augenspiegel 27-16: SciLogsXit

Allgemeines Interesse an Wissenschaft. Bild: Wissenschaft im Dialog/TNS Emnid, CC BY-ND 4.0
Wissenschaftsbarometer 2016 – Allgemeines Interesse an Wissenschaft. Bild: Wissenschaft im Dialog/TNS Emnid, CC BY-ND 4.0

Die Fußball-EM fiebert ihrem Höhepunkt entgegen und die Politik (sowie auch die Wissenschaft) diskutieren über die Folgen der Brexit-Entscheidung. Daneben drohen kleinere Nachrichten unterzugehen. Etwa auch diese aus dem Bereich der Wissenschaftskommunikation: Der Spektrum-Verlag hat entschieden, das englischsprachige Wissenschaftsblog-Portal SciLogs.com bis zum September zu schließen. Auch wenn es das deutschsprachige Pendent SciLogs.de und natürlich viele andere englischsprachige Portale weiter geben wird, finde ich das sehr traurig. Echte Kulturgüter – tolle Wissenschaftsinhalte inklusive der Diskussion in den Kommentaren drohen nun verloren zu gehen. Community-Managerin Paige Jarreau (über deren eigene Forschung hier gerade ein spannender Beitrag erschien) gibt in ihrem Abschiedsbeitrag wirtschaftliche Gründe und eine notwendige Fokussierung auf das deutschsprachige Publikum als Grund wieder.

Ich hatte in der Panel-Diskussion über Wissenschaftsblogs beim jüngsten Forum Wissenschaftskommunikation (im Audio ab 27:27 bzw. im Video ab 28:05) genau diese Befürchtung geäußert. Naja, hoffen wir, dass möglichst viele BloggerInnen von SciLogs.com nicht nur auf anderen Blogs weiterschreiben sondern auch ihre Archive inklusive der Kommentare mit umziehen und so erhalten. Schade dass sich kein großer englischsprachiger Verlag oder keine Wissenschaftsorganisation gefunden hat, um das Portal so weiter zu betreiben.

Videos der Woche

Beim Fast Forward Science-Wettbewerb 2016 gab es einen sehenswerten Sieger in der Kategorie SuperFast (Produktionszeitraum 48 Stunden).

Video: BYTEthinks

Sehr viel länger haben die Münchener Filmemacher von kurz gesagt garantiert an diesem aktuellen Video über die Menschheitsgeschichte gesessen.

Video: Kurz gesagt

Die ESA ruft zu einem neuen Bürgerdialog auf …

https://www.youtube.com/watch?v=LuHUGuoOZKI

Video: ESA

… und blickt wieder in Animationsform auf zwei Jahre Rosetta-Mission zurück.

Video: ESA

Gebogene Kanten

Diese Woche machte eine beeindruckende optische Illusion die Runde.

Video: Illusion of the year

Dieses Video zeigt, wie man solche Objekte mit einem 3D-Drucker selbst nachbauen kann.

Video: Make anything

Wissenschaftsbarometer

Gerade sind die neuen Umfragezahlen des Wissenschaftsbarometers 2016 erschienen. 41 Prozent der Befragten geben an, ein „sehr großes“ oder „eher großes“ Interesse an wissenschaftlichen Themen zu haben. Gleichzeitig finden viele die Wissenschaftskommunikation als verbesserungswürdig: 39 Prozent der Befragten stimmten ganz oder teilweise zu, dass Forschende sich nicht genug bemühen, die Öffentlichkeit über ihre Arbeit zu informieren.

Online-Informationsquellen zu Wissenschaft. Bild: Wissenschaft im Dialog/TNS Emnid, CC BY-ND 4.0
Online-Informationsquellen zu Wissenschaft. Bild: Wissenschaft im Dialog/TNS Emnid, CC BY-ND 4.0

Wissenschaftsautor und -blogger Florian Freistetter wundert sich drüben bei den Scieneblogs über die niedrigen Nutzungsraten von Blogs und Social Media. Demnach informieren sich nur rund ein Drittel über diese Kanäle bezüglich Wissenschaft.

Auf Seite 55 der detaillierten Ergebnisse sieht man jedoch, dass hier die Werte in den verschiedenen Altersgruppen sehr stark differieren. Etwa die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen (186 Befragte) nutzen diese Dienste, während es bei den über 60-Jährigen nur etwa 20 Prozent sind. Die höchsten Werte erreichen bei den unter 30-Jährigen Youtube sowie Websites bzw. Mediatheken mit jeweils ca. 80 Prozent.

Ich muss gestehen, dass ich bei solchen Technologie-Umfragen etwas an der Methodik zweifele, 1006 Menschen (davon 43 SchülerInnen) zu befragen, die ein Festnetztelefon (!) besitzen und bei einer Emnid-Umfrage mitmachen – und das Ganze dann repräsentativ zu nennen. In der oben beschriebenen Detailauswertung wurden auch nur 693 (statt 1006) Befragungsergebnisse ausgewertet – warum ist mir nicht ersichtlich (Update 11. Juli 2016: Siehe die Erklärung von Markus Weißkopf hierzu in den Kommentaren). Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn die Social Media-affinen Menschen eher gar keinen Festnetzanschluss besitzen und auch eher keine Lust auf langwierigen Telefonumfragen haben, wenn Vati sie auf Bitten eines Emnid-Mitarbeiters ans Familientelefon holen soll. Aber das ist nur mein Bauchgefühl.

Ebenfalls kürzlich erschienen ist eine Untersuchung zu den primär genutzten Informationsquellen – aber außerhalb des Wissenschaftsbereichs: Demnach hätten Soziale Netzwerke über alle Altersgruppen hinweg gerade Zeitungen als Nachrichtenquellen abgelöst. Und auch die Hochschulen kommunizieren fleißig in den Sozialen Netzwerken, wie der Tagesspiegel und die Welt jüngst berichteten.

Update 14.7.2016: In einem Blogbeitrag kritisiert Joseph Kuhn, dass das Wissenschaftsbarometer von der Philip-Morris-Stiftung mitfinanziert wurde. WiD hatte dies auch immer offen kommuniziert, sieht darin im Gegensatz zu Joseph Kuhn jedoch kein Problem. Ich persönlich denke bei solchen Fragen immer: Selbst wenn eine inhaltliche Einflussnahme völlig ausgeschlossen ist, so sollte doch das erste Gebot der Interessenkonfliktfreiheit sein, alleine schon den Anschein möglicher Interessenkonflikte auszuschließen.

Tweets der Woche

Die europäischen Astronaut halten sich ja meist mit politischen Aussagen zurück. Manchmal macht aber auch einfach der Zeitpunkt einer Foto-Veröffentlichung den Kontext klar, wie bei diesem Tweet von Alexander Gerst kurz vor dem Brexit-Referendum.

Spektrum-Redakteuer Mike Beckers hatte eine tolle Visualisierungsidee für die Frage, wie man sich Gravitationswellen vorstellen könne.

In eigener Sache

Der Augenspiegel macht eine kurze Sommerpause. Ich melde mich Mitte August wieder an dieser Stelle. Beim ScienceTweetup auf Usedom habe ich gerade nochmal SnapChat ausprobiert und mich dort über etwa 10 views gefreut. Gut dass die App nun auch Import-Möglichkeiten und zumindest ein user-internes Archiv bekommen soll. Aber warum wird das mit einem Querformat-Video beworben?

Snap: Helmholtz

Die Augenspiegel-Kolumne

Die Kolumne „Augenspiegel – Webfundstücke rund um die Wissenschaft“ erscheint freitags im Blogportal der Helmholtz-Gemeinschaft. Darin stellt Henning Krause, Social Media Manager in der Helmholtz-Geschäftsstelle, Internetfundstücke aus dem Web 1.0 und dem Web 2.0 vor, die zeigen, wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Wissenschaft im Internet abspielt: neue Kommunikationsformen, neue Technologien und Kommunikationskulturen. Bei dieser Kuratierung spielen Blogs, Apps, Facebook, Youtube und Twitter eine Rolle – anderseits auch Internet-Meme, Shitstorms und virale Videos.

Leser:innenkommentare (3)

  1. Markus Weißkopf

    Lieber Henning,
    zu deinen Anmerkungen zum Wissenschaftsbarometer:
    1. Warum wurden in der Detailauswertung zur Internetnutzung nur 693 Befragte angegeben?
    Dies ist in der Fußnote ersichtlich. Die Frage davor erhob, ob die Befragten sich überhaupt im Internet zu Wissenschaft und Forschung informieren. Nur diejenigen, die dies zumindest gelegentlich tun, wurden sinnigerweise auch weiter befragt, wo genau dies dann stattfindet – ob auf Blogs, Foren, Webseiten der Wissenschaftsorganisationen, Youtube usw.
    2. Zum Thema Festnetztelefone:
    Wir haben dies mit Emnid und auch anderen Anbietern immer wieder diskutiert und selbst sehr kritisch nachgefragt. Es gibt allerdings wohl einige Studien zu diesem Thema, die besagen, dass es eben keinen wirklichen Vorteil gibt, auch die Mobilnummern einzubeziehen. Der eventuelle Mehrwert, auch mobilere Menschen zu erreichen, wird dadurch aufgehoben, dass es über Mobilfunk viele abgebrochene Interviews gibt, bzw. auch die Fragen aufgrund von Hintergrundgeräuschen nicht immer richtig verstanden werden und damit die Qualität der erhobenen Daten leidet. Generell ist das natürlich dennoch ein Problem – da hast du schon einen Punkt. Das zeigen ja auch die immer ungenauer werdenden Wahlprognosen… Wir bleiben also dran und versuchen das wo möglich zu verbessern.
    Viele Grüße
    Markus

    1. Henning Krause

      Danke für die Erklärungen, Markus! Zu dem zweiten Punkt: Ich glaube gerne, dass Umfragen auf Mobiltelefonen für die Umfrage-Institute schwerer durchzuführen und auszuwerten sind. Mein Kritikpunkt war aber nicht die Qualität der Befragungsergebnisse im Sinne von „hat der mich jetzt akustisch richtig verstanden?“ sondern die Frage, wie weit man im Jahr 2016 mit einer ausschließlich auf Festnetz-Telefonie basierenden Umfrage bei solchen 2.0-Themen wirklich eine für die Bevölkerung (insbesondere die junge Generation) repräsentative Umfrage hin bekommt. Aber gut, dass ihr das auf dem Schirm habt. Vielleicht bieten die Institute ja nächstes Jahr auch eine WhatsApp-Umfrage oder eine in MineCraft oder so …

  2. Augenspiegel 38-17: Die Unentschiedenen - Augenspiegel

    […] Kritik in den vergangenen Jahren wird das Wissenschaftsbarometer mittlerweile nicht mehr von der Philip Morris Stiftung gesponsert. Wissenschaft im Dialog hat hierfür nun die Robert Bosch-Stiftung gewinnen […]

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