Augenspiegel 23-16: Podcasts im Wandel

Kopfhörer: Das Gateway zur Gehirn-Schnittstelle Ohr. Bild: Pertsaboy, CC-BY-SA 3.0
Kopfhörer: Das Gateway zur Gehirn-Schnittstelle Ohr. Bild: Pertsaboy, CC-BY-SA 3.0

In Diskussionen über Pressefreiheit geht es um die Ab- oder Anwesenheit staatlicher Kontrolle von Medien. Im Internet gibt es neben Staat, Sender und Empfänger aber noch weitere wichtige Player, die in den Kommunikationsprozess eingreifen können: Betreiber von Apps, Portalen und Plattformen – zum Beispiel: Facebook (mit der gleichnamigen Plattform, Instagram, Messenger und WhatsApp), Alphabet (mit Google als Suchmaschinen und Online-Werbe-Vermarkter, Android und Youtube), Apple, Amazon, etc. Sie alle ermöglichen uns die schöne neue Web 2.0-Kommunikation. Aber sie müssen auch alle Geld damit verdienen und bestimmen die Regeln, denen wir NutzerInnen uns unterwerfen müssen, um mitspielen zu können. Ich habe über die zunehmende Plattformisierung und ihre aus meiner Sicht eher negativen Folgen hier im Augenspiegel schon öfter geschrieben.

Heute möchte ich in diesem Kontext mal auf ein Mediengenre eingehen, das in diesem Zusammenhang gerade interessanten Veränderungen unterworfen ist: die Podcasts. Audio-Podcasts werden im Web gerne als kleine Brüder der Blogs angesehen. Und in der Tat gibt es hier Parallelen. Anders als die oben genannten Social Media-Kanäle wie Youtube, WhatsApp, Facebook und SnapChat gibt es bei Podcasts und Blogs keinen Mittelsmann, der die (technischen, monetären und sonstigen) Regeln der Kommunikation festlegt. Bei Blogs geht eine Leserin auf eine Blogseite oder abonniert den RSS-Feed und schon kann sie den Inhalt lesen. Und das geht mit jedem internetfähigen Gerät – man braucht keine besondere (proprietäre) App dafür. Auch Podcasts wurden insbesondere in Deutschland bis vor Kurzem primär so veröffentlicht: Eine Podcasterin produziert eine Sendung, lädt sie auf ihren Webserver hoch und veröffentlicht sie in ihrem Podcast-Feed. Der Hörer braucht nur ein internetfähiges Gerät mit einer universellen Podcast-App (dem Analogon zum Browser beim Lesen eines Blogs) und schon kann das Medium konsumiert werden. Kein Apple, kein Verlag, kein Werbenetzwerk, kein Facebook, kein Google funkt dazwischen. Klingt einerseits gut, andererseits schlecht fürs Geschäft – oder?

Bislang konnten Podcastende also komplett unabhängig von Dritten agieren. Seit ein paar Jahren drängen jedoch immer mehr StartUps in diesen Markt und wollen „das Youtube für Audio“ werden: Stitcher, Deezer, Soundcloud, Spotify, Audible, Mixlr, Spreaker etc. buhlen darum, die App zu werden, die Nutzer öffnen, wenn sie an Audio denken. Google nahm Podcasts gerade in seine Android-App Google Music auf. Die Werbegelder locken. Das Problem aus Sicht des freien Netzes: Die Plattformen bestimmen die Regeln und die Inhalte sind bei einigen Anbietern auch nur innerhalb ihrer Apps nutzbar. Spotify etwa holte einen reichweitenstarken Podcast aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sich. Wer die zwei Komiker hören möchte, muss die Spotify-App installieren. Den Wochenrückblick zweier bekannter Berliner Podcaster gibt es nur in der Audible-App zu hören. Große Teile der vor dem Serial-Hype sozialisierte deutsche Podcast-Hörerschaft scheinen dies kritisch zu sehen. Man ist es gewöhnt, alle Podcasts in einer universellen App (dem sogenannten Podcatcher, einer Art Audio-Browser oder besser Audio-Feedreader) abonnieren und hören zu können. Man stelle sich mal vor, man bräuchte zum Lesen verschiedener Blogs unterschiedliche Apps statt nur eines Browsers/Feedreaders.

Viele Neu-Podcastende setzen aber bewusst auf Plattformen: Sie hosten ihre Audio-Dateien zum Beispiel auf Soundcloud (die im Gegensatz zu anderen oben genannten Plattformen wenigstens eine Web-Repräsentation der einzelnen Sendungen á la Youtube und je nach Kanal auch einen frei abonnierbaren Podcast-Feed anbieten). Und manche Podcast-Projekte streben eine weitere Professionalisierung an. Zum Start des Podcast-Labels Viertausendhertz hatte ich hier ja schon darüber berichtet. Und der Versuch scheint zu fruchten: Die Macher berichten über sechsstellige Download-Zahlenmehr als 100.000 Downloads pro Sendung ist für deutschsprachige Podcast-Szene schon beachtenswert. (Update 14.9.2016: Da habe ich Formulierung „Die Downloadzahlen ihrer Formate bewegen sich Semak zufolge im deutlich sechsstelligen Bereich.“ wohl missverstanden. Die bezog sich anscheinend nicht auf eine durchschnittliche sondern auf alle bis dato veröffentlichten Episoden. So zumindest verstehe ich die heute veröffentlichten Zahlen, dass die bis heute veröffentlichten 50 Sendungen etwa 800.00 Mal heruntergeladen bzw. gestreamt wurden. Mit 16.000 Downloads pro Episode liegen die Viertausendhertz-Sendungen damit auch in etwa auf der Reichweite unseres Resonator-Podcasts, der etwa 17.000 Mal pro Sendungen geladen wird oder auch den 25.000 Downloads pro Folge, die der Raumzeit-Podcast Mitte 2012 verzeichnete.) Auch wenn die ARD-ZDF-Onlinestudie eigentlich noch viel mehr potenzielle Nutzer sieht. Das Schöne für das Werbe-Geschäftsmodell: Es gibt (außer dem Vorspul-Button) noch keine AdBlocker für Audio-Werbung. Andererseits: Einen anderen StartUp-Versuch als Podcast-Netzwerk haben deren Macher erst gestern leider eingestellt. Wohin entwickelt sich also die deutschsprachige Podcast-Szene?

Die viel größere US-Podcast-Szene hat traditionell weniger Berührungsängste mit Plattformen. Aber auch hier sehen mittlerweile einige Protagonisten die mangelnde Hoheit über die Inhalte kritisch. Wie also umgehen mit den Audio-Inhalte? Sollten wir unseren Resonator-Podcast zum Beispiel auch in Apps wie Spotify anbieten, um damit seine Reichweite erhöhen? Oder würden wir uns damit an der langsamen Zerstörung eines freien Ökosystems beteiligen? Ich würde mich über Kommentare freuen! Die Kollegen der Max-Planck-Gesellschaft haben sich (in Kooperation mit detektor.fm) in diesem Zwiespalt für den Gang auf Spotify und Deezer entschieden. Und vergangene Woche launchte Audible einen Teilnahme-Wettbewerb für Podcaster und Radiomacher zu neuen Formaten. Viel los gerade also im Podcast-Land. Einen guten Überblick über die aktuelle Diskussion hierzu bieten diese relativ aktuelle Sendung bei detektor.fm sowie dieser Vortrag von Tim Pritlove.

Video: Das Sendezentrum / Subscribe, CC-BY 4.0

Nun aber zu den Fundstücken der Woche mit Wissenschaftsbezug:

Tweets der Woche

Wissenschaft und Fußball

In diesem Youtube-Video wird die Wissenschaft der Bananenflanke erklärt.

Video: Physics Girl

Morgen starten wir hier im Blog unsere wissenschaftliche Mitmache-Aktion zur Fußball-EM. Ich würde mich über zahlreiche Teilnahme und Verbreitung freuen!

Blick in die Blogs

Markus Pössel setzt seine Blogserie zur Wissenschaftskommunikation fort. Dieses mal beschäftigt er sich damit, ob „Wahrheit“ ein Ziel des Journalismus sein kann und soll. Ebenfalls in den SciLogs schreibt mein MDC-Kollege Martin Ballaschk über seinen Werdegang vom Doktoranden zum Wissenschaftskommunikator. Sein Fazit: Der Wechsel des Tätigkeitsfeld lässt sich in wenigen Zeilen Progammiercode zusammenfassen!

Videos der Woche

Beeindruckende Aufnahmen der Polarflieger des AWI …

Video: AWI

Ein schöner Trickfilm zum Wissenschaftsjahr Meere und Ozeane:

Video: Wissenswerte

Und zum Schluss noch etwas Musik – eine Vertonung des wunderbaren SNAFU-Primzips:

https://www.youtube.com/watch?v=YzeK_p4A044

Video: Kallisti-Band

Die Augenspiegel-Kolumne

Die Kolumne „Augenspiegel – Webfundstücke rund um die Wissenschaft“ erscheint freitags im Blogportal der Helmholtz-Gemeinschaft. Darin stellt Henning Krause, Social Media Manager in der Helmholtz-Geschäftsstelle, Internetfundstücke aus dem Web 1.0 und dem Web 2.0 vor, die zeigen, wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Wissenschaft im Internet abspielt: neue Kommunikationsformen, neue Technologien und Kommunikationskulturen. Bei dieser Kuratierung spielen Blogs, Apps, Facebook, Youtube und Twitter eine Rolle – anderseits auch Internet-Meme, Shitstorms und virale Videos.

Leser:innenkommentare (5)

  1. Augenspiegel 36-16: Kunst, Popcorn und ein Lego-Student - Augenspiegel

    […] Diskussion fasst dieser Wired-Artikel gut zusammen. Klar ist jedoch, dass (anders als in der deutschen Podcast-Selbsthoster-Szene) der Trend hin zu immer stärkeren Plattformen auch bedeutet, dass nicht jeder Kreative mehr die […]

  2. Augenspiegel 29-17: Böse Bots, Datenspenden und bunte Wirbel - Augenspiegel

    […] zwei von vier Büros geschlossen. Gibt es bald also einen Player weniger im Ringen darum, wer das Youtube für Audio […]

  3. Augenspiegel 43-18: Zahlen, bitte! – Augenspiegel

    […] Wissenschaftspodcast Resonator liegt bei derzeit etwa. 25.000 Downloads im Schnitt pro Folge, was andere institutionelle Podcasts aber auch schon lange vor dem aktuell proklamierten Podcast-Boom […]

  4. Augenspiegel 07-19: Glühender Diskurs-Winter – Funduscope

    […] weiterhin die Frage, ob wir mit der bisherigen Entscheidung richtig liegen, dass wir uns mit dem Resonator-Podcast nicht an solchen geschlossenen Plattformen […]

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