Sicher ist in Social Media nur der Wandel. So steht es in unserer Social Media-Kommunikationsstrategie. Die angesagten Portale und Apps von heute können morgen schon out sein. Und ständig kommen neue Trends auf. Für die Social Media-Wissenschaftskommunikation der Helmholtz-Gemeinschaft beobachte ich solche Trends. Wenn sich für unsere Kommunikationsziele und unsere Interaktionsgruppen eine passende Nutzungsform abzeichnet, dann springen wir mit eigenen Kanälen auf, so etwa Anfang 2015 bei Instagram und WhatsApp. Manchmal reserviere ich auch nur unseren Accountnamen, um die Portale dann weiter zu beobachten und gegebenenfalls später einzusteigen. Und dann gibt es auch Dienste bei denen ich zu dem Schluss komme: Hier gibt es für unsere Wissenschaftskommunikation 2.0 keine absehbare Nutzungsform.
Gerade wird die Nutzung von SnapChat in der deutschsprachigen Wissenschaftskommunikation heiß diskutiert. SnapChat ist eine Smartphone-App, in der man Fotos und kurze Videos aufnehmen, mit Texten, Zeichnungen und Symbolen verschönern und dann zu einem „Snap“ bündeln kann, den man mit anderen SnapChat-NutzerInnen teilen kann. Der Clou daran: Nach 24 Stunden (bei manchen Inhalten auch deutlich kürzer) werden diese Inhalte als gelöscht markiert – verschwinden also ins digitale Nirvana. Das klingt für oldschool-Social Media-Nutzer wie mich erstmal nicht nur ungewöhnlich sondern nahezu kaputt. Warum sollte man erstellte Inhalte löschen? Im Gegenteil freuen sich alte Männer wie ich, wenn man überhaupt an alte Postings heran kommt und diese in Archiven nochmal nachschlagen kann. Aber ich werde dieses Jahr auch 40 (hier gibt es eine SnapChat-Anleitung für uns alten Leute zum Lesen, hier eine andere und hier eine zum Sehen und Hören). Und die jungen Leute wollen eben nicht so kommunizieren wie ihre Eltern-Generation. Kein Wunder also, wenn solche „Meine Eltern verstehen das hier alles nicht„-Apps bei Jugendlichen gerade total angesagt sind. SnapChat soll in Deutschland gerade zum Beispiel Twitter bei den aktiven Nutzern überholt haben.
Video: Snap: Stefan Gotthold
Ist SnapChat also der nächste unserer Social Media-Kanäle? Nein. Das liegt gar nicht daran, dass die Usability der SnapChat-App für Menschen über 25 Jahre wie mich ein Schmerz im Hintern gewöhnungsbedürftig ist, oder dass man innerhalb der App nicht einfach und sinnvoll andere Accounts finden kann, oder dass man die Inhalte nicht außerhalb der App referenzieren und herzeigen kann (sondern dafür externe Dienste wie oben Youtube nutzen muss), oder dass es dort bislang hauptsächlich Blödel-Inhalte gibt, noch nicht einmal daran, dass die Snaps und Stories nach spätestens 24 Stunden weg sind. Zwar sind viele junge Menschen, die ein sehr wichtiger Teil unserer Interaktionsgruppe sind, auf SnapChat – doch es gibt auf SnapChat keine wirklich sinnvolle Möglichkeit, den Erfolg der eigenen Bemühungen zu messen. Das ist für mich das eigentlich No-Go. Wir müssen mit Ressourcen haushalten und da sehe ich andere Projekte als vielversprechender an, die nachhaltiger sind und deren Erfolg man besser monitoren kann. Die deutschsprachige Wissenschaftskommunikation sollte sich aus meiner Sicht eher mal Youtube als Sozialem Netzwerk (Stichwort: Peter Lustig 2.0) oder auch WhatsApp oder Instagram widmen.
Ein weiterer Grund: Durch die 24-Stunden-Haltbarkeit muss man wirklich jeden Tag mindestens einen Inhalt auf SnapChat veröffentlichen, um dort immer sichtbar zu sein. Der Aufwand für einen dann fast nicht evaluierbaren Nutzen ist immens. Und auch wenn SnapChat bislang eher ein Medium der persönlichen Kommunikation ist, drängen immer mehr Marken mit ihren Corporate-Botschaften in die App hinein. Doch die begehrten Plätze in der „Discover“-Rubrik der App sind für uns unbezahlbar. Fazit: Ich habe leider kein SnapChat für Euch. Ähnlich wie wir uns aus guten Gründen in den vergangen Jahren schon gegen Dienste wie StudiVZ, SecondLife (erinnert sich noch jemand?), Foursquare und Chatroulette entschieden haben. Aber ich beobachte die App genauso weiter wie andere Dienste auch – etwa Reddit und Pinterest. Was es aus meiner Sicht mal wirklich bräuchte, wär ein nutzerfinanziertes Netzwerk, das nicht verzweifelt nach einem Geschäftsmodell und Kunden abseits seiner Nutzer sucht. Wie schlimm das enden kann, sieht man gerade an Twitter. Aber gut, soweit sind wir wohl leider noch nicht. Mich wundert auch etwas, warum die Diskussion um SnapChat gerade jetzt hochkommt. Den Dienst gibt es seit 2011, ich beobachte ihn seit Ende 2012 und ich frage mich, warum er gerade jetzt so zulegt. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass PR-Agenturen und freiberufliche WissenschaftskommunikatorInnen SnapChat erst jetzt als einen möglichen Dienst erkannt haben, mit dem man sich auf der Markt positionieren und herausstechen kann.
Update Juli 2016: Zwei Snapchat-Experimente haben Spaß gemacht, hatten aber in den 24 Stunden ihrer Existenz nur etwa jeweils zehn Abrufe. Außerdem hat SnapChat nun angekündigt, mit „Memories“ Snaps doch archivierbar zu machen und vor allem den Import von Bildern und Videos aus der Handy-Galerie zu erlauben.
Und damit zu den Wissenschaftsfundstücken aus dem Web 1.0 und Web 2.0 der jüngsten Zeit:
Wie viele deutschsprachige Blogs gibt es eigentlich? So etwa 200.000 lautet eine aktuelle Schätzung. Wie viele Wissenschaftsblogs? Vielleicht findet das ja die WÖM2-Studie raus. Im hier bereits erwähnten WÖM2-Blog bloggt mit Henning Lobin mittlerweile der zweite Experte Ausschnitte aus seiner Expertise an die WÖM2-Arbeitsgruppe. Los ging es mit einem Status Quo der Sozialen Medien in der Wissenschaftskommunikation. Die etwa 35-seitige Stellungnahme von Henning Lobin ist auch diejenige, zu der ich bei dem WÖM2-Workshop in drei Wochen einen kurzen Kommentar abgeben darf.
Währenddessen in der Erdumlaufbahn
Dieses Video von der Internationalen Raumstation sorgte diese Woche für Belustigung.
Tweet der Woche
Hier noch ein Nachtrag zum Gravitationswellen-Detektor LIGO.
Zum Zünden des ersten Helium-Plasmas am Wendelstein 7-X gab es am vergangenen Wochenende ein ScienceAMA („Ask me anything“) auf Reddit mit ForscherInnen vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik.
Videos der Woche
Schon gewusst? Dicke Pinguine fallen beim Laufen eher um als dünne! Hat die Wissenschaft jetzt festgestellt.
Video: Science
Junge Menschen für Wissenschaft begeistern – darum geht es im Junior Science Café. Dieses neue Video zeigt, was bei einer solchen Veranstaltung passiert.
Video: Junior Science Café
Filmtipp der Woche
Die Digitalisierung verändert unser Leben. Wie bei jeder neuen Medientechnologie und Kulturtechnik gibt es die Enthusiasten und die Kritiker, die Early Adopter und die Konservativen, die Ignorierer und diejenigen, die Geld damit verdienen wollen. Ein sehenswerter Film von Mario Sixtus stellt diese Entwicklungen an einem fiktiven aber nicht unrealistischen Beispiel einer Datenbrille dar: Operation Naked.
Kurz verlinkt
Auf Wunsch mancher Blogleser haben wir in den Helmholtz-Blogs nun einen RSS-Feed mit den Artikeln im Volltext eingerichtet. Ein neues Forschungsprojekt des KIT widmet sich der Frage, welche Präsentationsformen sich am besten zur Vermittlung von Wissenschaft an ein breites Publikum eignen: Science In Presentations. Vielleicht ja Comics? Russ Hodge zeichnet ab sofort für das MDC Wissenschaftscomics. Leider nicht unter offener Lizenz! Oder sind Bilder die bessere Präsentationsform? Spektrum-Redakteur Mike Beckers sammelt in seinem Arbeitsalltag Beispiele nicht ganz so gut gelungener Illustrationen der Wissenschaftskommunikation. Er nennt sie: kontextlose Forschungs-Pressebilder des Tages. Prädikat: Sehr sehenswert!
Und jetzt: Abschalten!
Die Augenspiegel-Kolumne
Die wöchentliche Kolumne „Augenspiegel – Webfundstücke rund um die Wissenschaft“ erscheint freitags im Blogportal der Helmholtz-Gemeinschaft. Darin stellt Henning Krause, Social Media Manager in der Helmholtz-Geschäftsstelle, Internetfundstücke aus dem Web 1.0 und dem Web 2.0 vor, die zeigen, wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Wissenschaft im Internet abspielt: neue Kommunikationsformen, neue Technologien und Kommunikationskulturen. Bei dieser Kuratierung spielen Blogs, Apps, Facebook, Youtube und Twitter eine Rolle – anderseits auch Internet-Meme, Shitstorms und virale Videos.
Ihr seid ja immer noch da! Nun aber wirklich: Abschalten!
[…] Update 26.2.2016: http://blogs.helmholtz.de/augenspiegel/2016/02/augenspiegel-08-16/ […]