Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien“

Ergebniss-Präsentation der Arbeitsgruppe „Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien“

In welchem Verhältnis stehen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien? Diese Fragestellung untersuchte die Arbeitsgruppe „Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien“ (kurz WÖM). Ihre Ergebnisse stellt die Arbeitsgruppe heute in Berlin vor und zur Diskussion. Begleitet wird dies von einer gemeinsamen Stellungnahme von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Leopoldina. Ich bin vor Ort und blogge hier live, falls die Netz-Situation es zulässt.

In der Einladung heißt es:

„Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien Wissenschaft und Journalismus gehören zu den unverzichtbaren Eckpfeilern einer demokratischen Gesellschaft. Trotz ihrer notwendigen Unabhängigkeit voneinander und ihrer in weiten Teilen unterschiedlichen Aufgaben erfüllen beide auch ähnliche Funktionen. Sie versorgen Politik und Gesellschaft mit vielfältigen und möglichst zuverlässigen Informationen, stärken Bildung und Wissen der Bevölkerung, regen demokratische Diskurse an und sollen eine Basis für begründete politische, wirtschaftliche und technologische Entscheidungen liefern. Die für diese Stellungnahme verantwortlichen Akademien beobachten die Entwicklungen in Wissenschaft und Medien aufmerksam. Sie halten es für notwendig, dass die Wissenschaft und die Medien selbst, aber auch die politischen Entscheidungsträger und die Gesellschaft einen aktiveren Beitrag leisten, um die Qualität der allgemein zugänglichen Information – und dazu gehören das wissenschaftliche Wissen und seine Darstellung in den Medien – künftig sicherzustellen. Um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, geben die Akademien an Wissenschaft, Politik, gesellschaftliche Akteure und die Medien Empfehlungen, die auf dieser Veranstaltung vorgestellt und diskutiert werden sollen.“

Die Stellungnahme

Die heute vorgestellte Stellungnahme ist ein dünnes DIN A4-Heft, das aus 20 Seiten Text und Anhängen besteht. Die Arbeitsgruppe hat das Dokument seit 2012 erarbeitet. Dabei werden Soziale Medien und Web 2.0 als Thema explizit ausgeklammert.

Begrüßung (14.20 Uhr)

  • Martin J. Lohse (Vizepräsident Leopoldina)
  • Christoph Markschies (Vizepräsident BBAW)

Vorstellung der Ergebnisse (14.35 Uhr)

  • Peter Weingart (Projektleiter, Universität Bielefeld)

Peter Weingart sagt: Wissenschaft und Pressefreiheit gehören zu den verfassungsgemäß garantierten Grundrechten. Journalismus und Wissenschaft haben ähnliche Funktionen: Sie sollen die Gesellschaft mit zuverlässigen Informationen versorgen und demokratische Diskurse anregen. Die Akademien sehen die Rahmenbedingungen für beide System in einer fortlaufender Veränderung: zum Beispiel Finanzierungsfragen, Fragmentierung und Kampf um Aufmerksamkeit. Daraus folgende Fehlentwicklungen wie mangelnde Kommunikation sind negativ für die Gesellschaft. Viele Formate der Wissenschaftskommunikation sind zu Werbeinstrumenten geworden. Das bedeutet ein Risiko für die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft als Organisation. Die Medien und auch der Wissenschaftsjournalismus unterliegen Resonanzeffekten, die eine unangemessene Verstärkung oder auch Schwächung der Botschaft zur Folge haben können. Das ist ein Problem.

Um die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien zu verbessern, stellt die Arbeitsgruppe konkrete Empfehlungen für diese Gruppen vor. Dazu zählt die Einrichtung eines Science Media Centers und eines Wissenschaftspresserats, analog zum Deutschen Presserat.

Wissenschaft, Journalismus und die Empfehlungen der Akademien (14.50 Uhr)

Die Stellungnahme beginnt mit Empfehlungen an 1.) die Wissenschaft, 2.) Politik und Gesellschaft, 3.) die Medien.

    • Ulrich Schnabel (Wissenschaftsredakteur, DIE ZEIT)

Ulrich Schnabel sagt: Was ist guter Wissenschaftsjournalismus? Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt: eineN Journalistin, eineN WissenschaftlerIn, eineN MedienkonsumentIn. Dessen muss man sich bewusst sein, um konstruktiv mit einander widerstrebenden Interessen umzugehen. Dazu ist Verständnis für die Rolle des Anderen notwendig. Forscherinnen und Forscher könnten zum Beispiel einmal versuchen, die eigene Doktorarbeit auf einer Seite zusammenzufassen.

    • Holger Wormer (Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus, TU Dortmund)

Holger Wormer sagt: Wissenschaft und Medien müssen sich nicht immer einig sein. Aber beide ringen um Gehör in einer digitalen Gesellschaft. Daher sollten Vertreter beider Seiten sich einmal auf die Perspektive der anderen Seite einlassen. Den Wissenschaftsakadenien gebührt großer Respekt, diese Herausforderung, die von der Politik sträflich vernachlässigt wurde, angenommen zu haben. Auch die Wissenschaftskommunikation kann noch viel hinzulernen.

Fishbowl-Diskussion (15.30 Uhr)

    • u.a. mit Niels Boeing (freier Wissenschaftsjournalist),

Die Publikationen der Universitäten sind keine Konkurrenz für den Journalismus. Als Journalist brauche ich keine Pressestellen, ich will direkt an den Wissenschaftler ran. Das Konzept „Public understanding of science“ gilt nicht mehr. Gleichzeitig gibt es noch nichts Neues. Wissenschaftler trauen sich noch zu wenig Big Picture-Einschätzungen zu. Das führt auch dazu, dass Diskursprojekte mit Bürgern so wenig funktionieren. Ich bin mir unsicher, ob wir wirklich einen Wissenschaftspresserat brauchen. Wissenschaftsjournalisten sollten mehr zuhören als rethorische Fragen zu stellen und zweite Meinungen einholen. Wir brauchen mehr interaktive Formate, bei denen zum Beispiel auch die Bürger eine Empfehlung abgeben können. Das sehe ich aber bisher kaum. 60 Prozent der Inhalte in Sozialen Medien besteht aus Inhalten der klassischen Medien.

    • Elisabeth Hoffmann (Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation),

Wir Hochschulpressestellen maßregeln niemanden an der Uni, der kommunizieren will. Wir sind Dienstleister im eigenen Haus und haben längst nicht so viel Einfluss wie etwa ein Professor. Gleichzeitig kommt unsere Rolle als Moderatoren noch viel zu kurz. Die Wissenschaft kommt an einem ergebnisoffenen Diskurs mit der Gesellschaft vorbei. Wir brauchen mehr offene Debatten, die auch in die Labore Einzug halten müssen. Dazu braucht es eine Kommunikation auf Augenhöhe mit der Bevölkerung. Wir brauchen den unabhängigen Wissenschaftsjournalismus.

    • Peter Weingart (Projektleiter)

Die kleinen Provinzzeitungen leiden am meisten unter dem Medienwandel. Es war kein Vertreter den Wissenschaftskommunikation Mitglied der Arbeitsgruppe. Dies wäre gegebenfalls zukünftig zu korrigieren. Wissenschaft ist viel folgenreicher für die Gesellschaft geworden. Es kann also keinem egal sein, was mit und in der Wissenschaft passiert. Wir wünschen uns, dass das Interesse der Menschen an der Wissenschaft und der Wissenschaftspolitik steigt. Die Gestaltungserwartungen der Öffentlichkeit haben zugenommen. Wir haben die „neuen Medien“ ausgeklammert, weil es die Arbeitsgruppe zeitlich und personell überfordert hätte. Wir haben uns aber vorgenommen, das zukünftig zu behandeln.

    • Moderation: Markus Weißkopf (Geschäftsführer, Wissenschaft im Dialog)

Die Frage ist aber auch, wer erteilt das Mandat für die ergebnisoffene Diskursformate mit Bürger-Empfehlungen.

Reiner Korbmann: Wissenschaftskommunikation ist lebenswichtig für die Wissenschaft. Die Gesellschaft hat sich hin zu viel mehr Partizipation verändert. Wie findet sich diese Tatsache in der Stellungnahme wieder? Wer beurteilt wissenschaftsjournalistische Qualität?

Holger Wormer, TU Dortmund: Wir brauchen wissenschaftliche und journalistsische Kriterien, vgl. Medien-Doktor. Auch die Rezipienten-Perspektive ist wichtig. Wir brauchen eine öffentliche Unterstützung auch Finanzierung für den Journalismus. Ein Eingehen auf die „neuen Medien“ hätte die Arbeitsgruppe gesprengt.

Thomas Hallet, WDR TV: Die jungen Leute kennen keine „neue Medien“. Im Gegenteil: Sie kennen und nutzen die althergebrachten Medien kaum. Die Stellungnahme geht auf Social Media geht aber nur äußerst knapp darauf ein. Wieso geht die Studie darauf nicht näher ein?

Manfred Ronzheimer, freier Journalist: Der Prozess zur Erstellung der Stellungnahme war nicht öffentlich und nicht zugänglich für Außenstehende. Das ist nicht sachdienlich und wäre im Sinne von Open Science bei einer zweiten Auflage zu ändern. Wie soll es mit stiftungsfinanziertem Wissenschaftsjournalismus weitergehen?

Dagmar Schipanski, MdB: Könnte das Science Media Center nicht den Medien zu bestimmten Themen geeignete Experten aus der Wissenschaft vermitteln?

Martin Schneider, SWR und WPK: Ein deutsches Science Media Center hätte unter anderem genau diese Aufgabe.

Norbert Lossau, Journalist, Die Welt: Das hätten wir doch auch vor 10 Jahren so aufschreiben können. Wir müssen jetzt an die Notfall-Maßnahmen ran, um nicht in fünf Jahren ganz schlechte Folgen zu erleben. Die Pressestellen könnten einen Wissenschaftskommunikator mal für ein Jahr in das Science Media Center entsenden, in der er dann aber keine Themen der entsendenden Organisation behandeln dürfte.

Schlusswort (17.10 Uhr)

  • Reinhard F. Hüttl (Präsident acatech)

Kommunikation ist ganz wichtig, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in der Gesellschaft zu festigen. Es darf in der Wissenschaft nicht zu einer Vermischung von Marketing- und Pressearbeit geben. Neue Medien sind ein Game Changer. Wir haben das Thema zwar ausgeklammert, werden aber eine Studie 2.0 hierzu anstreben. Wir brauchen ein neues Konzept der Aufklärung, vielleicht ist das Science Media Center ein Teil der Antwort.

Update, 18.6.2014

Mittlerweile sind zur Stellungsnahme einige weitere Beiträge erschienen (weitere Hinweise gerne in die Kommentare):

Weitere Links auch zum Workshop der Volkswagen-Stiftung hat Marcus Anhäuser gesammelt.

Update 28.5.2015: Mittlerweile ist auch das Nachfolgeprojekt WÖM2 gestartet. Aus dem ausführlichen 420-seitigen Bericht der ersten Arbeitsgruppe gibt es mittlerweile auch das Buchkapitel „Social Media in der Wissenschaftsöffentlichkeit. Forschungsstand und Empfehlungen“ von Christoph Neuberger als kostenloses PDF zum Download. Nach der Lektüre bleibe ich wieder einmal mit dem Eindruck zurück, dass der kommunikationswissenschaftliche Diskurs über Social Media-Nutzung in der Wissenschaft wenig beachtet, was die Wissenschaftskommunikation zum Beispiel im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit von Forschungsorganisationen tut. Neubergers Bericht bezieht sich jedenfalls fast überall auf den Wissenschaftsjournalismus. Und seine Metaanalyse bezieht auch hauptsächlich Quellen aus den Jahren bis 2011 mit ein (vgl. S. 340f). So sind aktuelle Entwicklungen nicht berücksichtigt. Dass er den New York Times Innovation Report nicht erwähnt, liegt vermutlich an der frühen Drucklegung des Buches 2014.

 

Leser:innenkommentare (5)

  1. Akademien geben Empfehlungen für Wissenschaftskommunikation › RELATIV EINFACH › SciLogs - Wissenschaftsblogs

    […] Schöner Liveblog-Beitrag zur Vorstellung von Henning Krause […]

  2. Jan Oliver Löfken TELI e.V.

    Lieber Henning, danke Dir für dieses quellenbetonte und damit bisher ungefilterste Protokoll der Veranstaltung. Auch als Nichtteilnehmer lässt sich das Gesagte sehr gut nachvollziehen.
    Grüße Oliver

  3. Franz Ossing

    Kommunikation, PR, Journalismus, Geschäftsmodelle
    Die Klärung eines möglichen Missverständnis‘ kann hier vielleicht gegen Fehlinterpretationen helfen: der Titel des WÖM-Papiers suggeriert zwar, dass es um die Gestaltung der Wissenschaftskommunikation insgesamt geht. In diesem Text geht es aber vorrangig um die Schnittstelle zu den Medien, also zum Wissenschafts*journalismus*. Die anderen, seit anderthalb Dekaden entwickelten Formate der Wissenschaftskommunikation in Deutschland sind hier nicht Thema.
    Ein zweites Missverständnis stammt aus der von nahezu allen (auch den Bloggern) unbedacht verwendeten Begrifflichkeit „Kommunikatoren“, womit die Pressestellen bezeichnet werden. Man kann bekanntlich nicht nicht-kommunizieren, insofern sind auch die Wissenschaftsjournalisten Kommunikatoren der Wissenschaft.
    Man kann sich auch einfach ehrlich machen und sagen, dass Wissenschaftskommunikation die Schnittstelle ist zwischen den Pressestellen (yes, wir machen PR) und den Medien.
    Dann wird auch die eigentliche doppelte Problemstellung deutlich: erstens geht es um eine Neudefinition dieser Schnittstelle, weil sich das Informations- und Kommunikationsverhalten der Gesellschaft geändert hat. Und zweitens geht es natürlich um die Qualitätsmaßstäbe und deren Durchsetzung auf beiden Seiten des Schreibtischs. Die Wissenschafts-PR muss sauberer getrennt werden vom Marketing, als das gerade an vielen Hochschulen der Fall ist; aber dem Journalismus von vornherein zu unterstellen, das bräuchte man da nicht mehr, weil es ja schon den Presserat etc. gibt, ist realitätsblind.
    Und schließlich: die Krise des Journalismus ist nicht durch aufgerüstete Pressestellen entstanden, sondern darin, dass die Medien Wirtschaftsunternehmen sind. Und die haben in Zeiten des WWW mit einer anderen Welt zu tun als vorher, es werden ja tatsächlich weniger Zeitungen gelesen und auch der TV-Konsum hat sich mächtig umstrukturiert.
    All‘ denjenigen, die jetzt „Genau! Web 2.0!“ rufen, sei nur kurz angemerkt, dass Bloggen und Social Media lediglich ein Teilaspekt dieses *gesellschaftlichen* Problems sind, nicht aber immer der bessere Weg und schon gar nicht die Lösung (hier hat Jens Rehländer einfach recht). Ich behaupte,dass wir alle noch gar nicht wissen, was da alles auf uns zu kommt:wir befinden uns gerade in den allerersten Anfängen einer gewaltigen Revolution. Gut, dass wir früh genug anfangen, darüber zu reden.

  4. Josef König

    Frank Ossing kann ich nur zustimmen. Mir kommt das Papier der Akademien so vor, als ob die Wissenschaftsjounalisten immer die „Guten“ sind, die Wissrnschafts-PR-Macher die „Bösen“. Also lasst die „Guten“ es nur machen, dann wird alles gut. À rebours könnte man es aber pauschallierend so interpretieren, dass mit dem Paper Wissenschaftsjournalisten sich wirtschaftlich bedingt im letzten Rückzugsgefecht befinden, und weil sie nicht mehr an sich glauben, es gewinnen zu können, nun nach staatlicher Förderung rufen. Ein anderes Selbstbewußtsein bzw. etwas Bereitschaft zur Selbstkritik (in der Form, wie die Wi-Kommunikatoren im Siggener Papier gezeigt habe), würde ihnen dagegen gut tun.

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