That’s Antarctica Baby – wir sagen Tschüss
Liebe Leserinnen und Leser,
auf einmal geht alles ganz schnell. Das Jahr ist vorbei, wir haben unsere Nachfolger eingearbeitet und die Station offiziell übergeben. Ein paar von uns sind noch auf Traverse/Inlandsexpedition, andere erledigen Restarbeiten oder fahren nochmal übers Schelfeis. Insgesamt geht es aufs Ende zu und irgendwie ist es auch Zeit, zu gehen. Aber wie verabschiedet man sich von einem Ort, der einem so ans Herz gewachsen ist, an dem man so viel erlebt und gelebt hat? Wie verabschiedet man sich von der Neumayer-Station, die unser Haus war und unser Zuhause, Hort der Wärme und Ort so vieler Erlebnisse? Von der Atka-Bucht und dem Ekström-Schelfeis? Von einem Ort, an den man vielleicht nicht zurückkehren kann?
Am besten gar nicht – bzw. mit viel Wind. Im wahrsten Sinne des Wortes. Unser planmäßiger Abflug steht fünf Tage bevor und plötzlich geht das sog. Wetterfenster zu, das heißt, die Möglichkeit, von Neumayer rauszufliegen. Es kommt Sturm auf und eine Zeit „ohne Kontraste“, das heißt, kein Flugzeug kann fliegen aufgrund mangelnder Sichtverhältnisse. Wir haben es vermutlich zwei, dreimal erwähnt, aber in der Antarktis hat immer, wirklich immer das Wetter die Hosen an. Der Ausdruck „weather permitting“ wird jeglicher Planung hinzugefügt. Wenn es das Wetter erlaubt. Jetzt erlaubt es nur noch kurz, das heißt: hopp oder topp. Es wird schnell entschieden. Wir sollen heute noch rausgeflogen werden zur norwegischen Antarktisstation „Troll“, und zwar in sechs Stunden. Drei von uns ÜWIs, die noch auf Expedition sind und sich auf einem Pistenbully-langsamen Rückweg (ca. 13 Km/h) befinden, werden mit flotten Skidoos abgeholt. Gottseidank haben sie schon gepackt, für den unwahrscheinlichen Fall, dass es schnell gehen muss. Sie rollen eine halbe Stunde vor Abflug in der fliegenden Schneedrift auf den Hof, vollgeschneit und durchgepustet, aber bestens gelaunt. Alle anderen haben in der Zwischenzeit gepackt und versucht, die liegenbleibende Arbeit zu organisieren. Immerhin wird uns auf diese Weise ein schwerer, sich lange ziehender Abschiedsschmerz erspart. Wir müssen handeln, zusehen, dass alles klappt, und zwar flott. Am Flugfeld nehmen wir Abschied von den Sommergästen und von unseren Nachfolgern. Es gibt dicke Umarmungen, Dank, gute Wünsche und ein paar Tränen. Dann steigen wir ein. Das AWI-eigene Flugzeug, die „Polar 5“, fliegt uns raus- mit der Crew, die ja seit einiger Zeit zu unseren Neumayer-Mitbewohnern zählt, es hat was von Familienausflug mit Freunden. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Einsteigen, anschnallen, wir fahren los zum Flugfeld mit viel Getöse, dann starten wir durch und heben ab in der fliegenden Schneedrift, steigen hoch. Neumayer wird immer kleiner, wir drücken uns die Nasen an den Scheiben platt. Wir sehen nochmal die Atka-Bucht mit dem Eisberg, der genau wie eine Berghütte aussieht, mit unserem geliebten „Rumsgebirge“ und dem sog. „Fischmaul“, einer Schelfeisformation, zu der wir immer mal hinwollten. Dann kommen nur noch unbekannte weiße Weite, Gletscher, Schelfeis, Meereis und in der Ferne das blau schimmernde Südpolarmeer. Antarktis ist auch dies, einsam, weit und unfassbar schön. Vor uns liegt Neuland, in jeder Hinsicht. Was für ein letztes Abenteuer, was für ein turbulenter Abgang, was für ein Abschied im heraufziehenden Sturm. „T-A-B“, wie antarktische Piloten zu sagen pflegen: „That’s Antarctica, Baby!“
Unseren Nachfolgern – Sie werden sie ja bald in diesem Blog kennen lernen- wünschen wir von Herzen eine richtig gute Überwinterung, viel Zusammenhalt, viel Freude miteinander und viel Staunen über die Wunder der Antarktis.
Bleibt nur noch, Danke zu sagen! Danke Antarktis, Danke Neumayer-Station und Danke all denen, die uns aus der Ferne das ganze Jahr unterstützt haben. Es war großartig!






Leser:innenkommentare (3)
Andreas Bergner
Man kann die Tränen in den Augen fühlen :( Was für ein emotional, schöner Eintrag. Danke dafür und dem Ex-Team alles Gute!
Meike Trautmann
So super geschrieben und tolle Fotos!!! Alles Gute für eure Zukunft!🥰
Monika Puskeppeleit
Viel Glück mit dem „retribalization process“…😊!