Von nichts kommt nichts…

Schneeflocke in der Atkabucht
Schneeflocke in der Atkabucht (Foto: Thomas Sterbenz)

…und mit diesem Satz beschrieben schon die alten Römer, dass Arbeit sich auszahlt. Und das trifft besonders auch hier auf das Leben auf der Neumayer-Station III zu. Um ein weitgehend gewohntes Leben hier führen zu können muss man Arbeit dafür investieren.

Dass ich mein Handy an der Steckdose einfach laden kann, ich täglich in der Lage bin meine Mails abzurufen, ja und dass ich bei -40° Kälte hier drinnen warm duschen darf wann immer ich es möchte: Alles ist hier auf engstem Raum in einer menschenfeindlichen Umgebung fernab jeglicher Zivilisation möglich und hat immer seine Ursache.

Ich darf dazu die Station mit einer kleinen Stadt vergleichen: Es gibt ein Wasserwerk, ein Elektrizitätswerk, ein Heizkraftwerk, eine Kläranlage, eine Wäscherei, einen Arzt, einen Drogerie-, Lebensmittel und Heimwerkermarkt u.v.m. Die SB-Tankstelle hat immer offen, ebenso wie das Fitnesscenter, das Kino, der Kiosk, das (aktuell französische) Restaurant und das Krankenhaus. Alle Fahrzeuge bringt man hier in die Werkstatt, wie woanders auch, wo dann die Inspektionen und auch schwierigste Reparaturen gemacht werden. Und das alles für aktuell 28 Einwohner!

Die Infrastrukturliste wäre eigentlich noch viel länger! Heute aber möchte ich einmal auf nur einen dieser Punkte eingehen, der uns wie selbstverständlich mittlerweile hier vorkommt:

Das Wasser.

Getränkezapfhähne für Trinkwasser mit und ohne Kohlensäure in der Messe (Speisesaal)
Getränkezapfhähne für Trinkwasser in der Messe (Speisesaal) (Foto: Peter Jonczyk)

Auch auf der Neumayer-Station III wird, wie woanders auch, Wasser in Trinkwasserqualität benötigt. Auch hier wird gekocht, abgewaschen, geduscht und die Zähne geputzt. Wasser wird fast überall hier benötigt. Auch manche Labore benötigen Wasser und auch der Autoklav zum Sterilisieren des medizinischen Inventars im Hospital ist durstig. Da die Luft hier in der Antarktis sehr trocken ist, wird auch viel Wasser getrunken. Wasser, welches mit und ohne Kohlensäure im Speisesaal einfach aus dem Zapfhahn rund um die Uhr zur Verfügung steht. Wir haben es einfach Atka Quell getauft.

Ja, aber wo kommt das Wasser her?

Die russische Wostok-Station liegt in fast 3500 m Höhe in der Zentralantarktis. Hier hat man nur minimale Niederschlagsmengen (und damit kaum Neuschnee). Der Schnee ist dort bei oft -60° bis -80°C so gefroren, dass er nur mit Kettensägen bearbeitungsfähig ist. Schneeschippen wie bei uns geht dort einfach nicht. Das Trinkwasser muss deswegen bis heute in mühsamer Handarbeit mit Kettensägen in Eisblöcken geborgen und geschmolzen werden. Wir haben es da deutlich einfacher!

 

 

 

Schneeflocke in der Atkabucht
Schneeflocke (Foto: Thomas Sterbenz)

Die Schneeflocken hier in Küstennähe fallen als Neuschnee viel häufiger als im antarktischen Hochland. Dazu kommt der Driftschnee, der sich mit dem hier typischen Wind immer wieder um die Station im Luv und Lee anhäuft. Durch die bodenhohe Klappe lässt sich das Schmelzbecken mit dem Schild der Pistenbullies im Vergleich zur Wostok-Station verhältnismäßig einfach befüllen. Eine tatsächliche Quelle gibt es hier ja nicht. Das Befüllen der Schneeschmelze muss in der Regel im Winter einmal täglich und im Sommer zweimal täglich erfolgen.

 

Schneeschmelze in der Polarnacht bei -40° Cel.
Schneeschmelze in der Polarnacht bei -40° Cel. (Foto: Peter Jonczyk)

Die Techniker müssen beim Befüllen des Schmelzbeckens darauf achten, nur sauberen Schnee ohne Verunreinigungen (z.B. Pinguinkot) zu befüllen. Dies könnte sonst zu einer Bakterienbelastung des Trinkwassers führen.

Der Schnee wird im Schmelzbecken nun über die Abwärme des Blockheizkraftwerkes erwärmt und getaut. Natriumbikarbonat und Calciumchlorid werden anschließend dazu dosiert. Durch UV-Lichtstrahlen wird das Wasser nun entkeimt. Der Gehalt an z.B. Natrium, Kalium und Calcium wird dabei regelmäßig in einem externen Labor kontrolliert.

Die Anschlüsse zum Injector werden gewechselt, wo Natriumbikarbonat und Calciumchlorid in das Wasser dosiert werden
Die Anschlüsse zum Injector werden gewechselt, wo Natriumbikarbonat und Calciumchlorid in das Wasser dosiert werden (Foto: Peter Jonczyk)

Einmal monatlich entnehme ich Wasserproben an verschiedenen Stellen und führe eine mikrobiologische Trinkwasseruntersuchung durch, um die Qualität des Wassers zu überprüfen. Im Verlauf diesen Jahres habe ich hierbei nie negative Auffälligkeiten beobachten müssen.

Nun ist es an der Zeit das Wasser in seiner überprüften Form in der Messe (Speisesaal) zu zapfen. Ich muss sagen es schmeckt sehr gut und ist in der trockenen Antarktisluft ist es ein sehr guter Durstlöscher!

Die Getränkeleitungen der Zapfanlage werden zudem monatlich hygienisch von mir gereinigt und desinfiziert.

In der Küche wird auch viel Wasser gebraucht, zum Kochen und für das Abspülen. Bevor das Wasser nun von all den Verbrauchern in die hauseigene biologische Kläranlage geleitet wird, gibt es speziell für das aus der Küche kommende Wasser einen Fettabscheider und einen Grobstofffilter: Hier wird das Brauchwasser von Speiseresten vorgereinigt.

Schwimmende Verunreinigungen werden nun vom gesamten Brauchwasser mit einem Rechen zerkleinert und danach wird das Abwasser in der biologischen Kläranlage mit Hilfe von Filtern und Bakterien letztendlich auf Trinkwasserqualität gereinigt. Natürlich wird es danach nicht wieder getrunken. Aber es dient uns in dieser Form („Filtratwasser“) zum Spülen der WC-Einrichtungen noch ein zweites Mal.

Filtratwasser wird aus dem Vorratstank zur Wasseranalyse im Labor entnommen
Filtratwasser wird aus dem Vorratstank zur Wasseranalyse im Labor entnommen (Foto: Peter Jonczyk)

Der Wasserkreislauf schließt sich

Überschüssiges Wasser aus dem System wird mit Genehmigung des Umweltbundesamtes wieder ins Eis zurückgeleitet. Damit schließt sich der Kreislauf.

Bis auf die Wasseranalyse im Hospitallabor und die Reinigung der Getränkeleitung werden alle Schritte des Wasserweges von unserem tüchtigen Stationsingenieur Florian gesteuert und täglich kontrolliert.

Von nichts kommt nichts! Nach der Überwinterung ist es mir ein wichtiges Bedürfnis, ihm dafür in dieser Form zu danken, denn es ist ein verantwortungsvoller und oft sehr geruchsintensiver Job.

Der Jahreskreislauf schließt sich

Ähnlich wie der Wasserkreislauf hat sich nun für uns Überwinterer auch der Jahreskreislauf geschlossen: Die ersten 27 Sommergäste trafen ab dem 5.11. mit dem Polarflugzeug ein und auf der Station herrscht wieder ein emsiges Treiben der Wissenschaftler und Techniker. Das 9-köpfige Team, welches dieses Jahr die fast 3000 m hoch gelegene deutsche Kohnen-Station aufsucht, ist mit einem langen Tross an Kettenfahrzeugen und einem Skidoo am 24.11. auf die fast 800 km lange Reise aufgebrochen.

Wir schicken Euch eine wunderschöne Schneeflocke aus der Atkabucht und wünschen einen schönen Advent!

Schneeflocke
Schneeflocke (Foto: Thomas Sterbenz)

Euer Peter Jonczyk

Leser:innenkommentare (21)

  1. Dirk Dornhöfer

    Sehr schön alles beschrieben wie immer ,schöne Bilder und Filme gut erklärt Danke. Wünschen euch noch eine schöne Zeit,die Siegerländer.

    1. Peter Jonczyk

      Vielen Dank für das positive Echo!
      Die besten Adventsgrüße zurück in das Siegerland!

  2. Katharina Steiner

    Ich bin fasziniert über diese ausführlichen Berichte aus der Station, ist super interessant für mich als Laie. Herzlichen Dank dem gesamten mitwirkenden Team und geniesst diese spezielle, unvergessliche und sehr privilegierte Zeit. Liebe Grüsse an Alle

    1. Mae

      Hallo, das sind wirklich atemberaubende Bilder von den Schneeflocken, klasse!

      1. Peter Jonczyk

        Danke, es passt in die Adventszeit so gut. Habe mich schon lange auf diesen Blogeintrag auch deswegen gefreut.
        VG

    2. Peter Jonczyk

      Erst am Ende der Überwinterung gelingt es mir, die vielen technischen Zusammenhänge auf der Station besser zu verstehen. Es ist einfach wirklich faszinierend und der Bericht lag mir sehr am Herzen. Danke für das Lob.

  3. Margit Link

    Wieder einmal ein sehr interessanter und toller Bericht, sehr gut beschrieben. Video und Bilder top.
    Wünsche dem gesamten Team noch eine schöne Weihnachtszeit.
    Es geht ja jetzt langsam dem Ende entgegen.
    Genießt noch die besondere Zeit.
    Alles Gute und liebe Grüße

    1. Peter Jonczyk

      Ja, Margit, vielen Dank für das tolle Feedback: Wir haben nun ja den 2. Sommer hier in der Antarktis vor uns und unser persönliches Gepäck ist schon praktisch abgeholt.
      Und der Sommer verwöhnt uns gerade mit viel Sonnenschein :-)
      LG zurück und schöne Weihnachten!

  4. Reiner Gerke

    Wieder ein schöner und informativer Beitrag. Kein Wunder, dass der AtkaXpress von so vielen Zuhause gelesen und kommentiert wird. Aber von nichts kommt nichts …
    Euch allen noch eine schöne Advents- und Weihnachtszeit. Die Polarstern ist ja schon unterwegs, aktuell zwischen Südwest-England und Brest.

    1. Peter Jonczyk

      Danke, schönen Advent ebenso!
      Hin und wieder ist so ein informativer Blogeintrag mein Anliegen hier gewesen. Danke dennoch für die sehr positive Rückkopplung!

  5. Martin

    Spannend und sehr informativ!

    1. Peter Jonczyk

      Danke, Martin, es ist mir ein wichtiges Anliegen gewesen, dieser Blogeintrag. Von nichts kommt nichts…
      Jeder hier trägt dazu ein wenig bei.
      Danke für das angenehme Feedback!

  6. Christian-Martin Ruthenberg

    Moin,
    und danke für den informativen Beitrag. Das mit dem befüllen stelle ich mir, besonders bei Stürmen und schwierigem „Wetter“, doch schon sehr schwierig vor. Und das aufgereinigte Grauwasser („Filtratwasser“) zum Spülen der Toiletten wird dann mit nach Hause genommen oder gibt es da noch weitere interessante Prozessschritte?

    Liebe Grüße aus dem Norden
    Christian

    1. Peter Jonczyk

      Moin Christian, danke für die schöne Rückmeldung. Ja, das „Filtratwasser“ wird nach dem Spülen der Toiletten nochmals in der Kläranlage auf Trinkwasserqualität aufbereitet und dann aber an den Gletscher in sauberer Qualität zurück gegeben. Mitgenommen in Containern werden nur die Feststoffe aus dem Klärbereich, welche dann fachgerecht entsorgt werden.
      LG und schönen Advent noch!
      Peter

  7. Jüregn Baßfeld

    Hallo Peter und Thomas,

    der Bericht und die großartigen Fotos zeugen von Euerer leidenschaftlichen Arbeit.
    Leider wird nicht überall so sorgsam mit dem Lebenselixier Wasser umgegangen.
    Während Ihr auf den Sommer wartet, schauen wir auf den Winter im Zeichen des Klimawandels.
    Verkehrte Welt. Aber nicht nur klimatologisch scheint sich die Welt zu ändern.
    Mit Weihnachten steht uns hier wohl auch eine neue Covid Mutante ins Haus.

    Ich wünsche Euch, auch abseits Eurer Familien, als Überwinterungsteam ein besinnliches Weihnachtsfest. Ich kann mir gut vorstellen das Tanguy noch die eine oder andere Überraschung für Euch bereithält.

    Grüße aus dem Schwabenland.
    Jürgen
    DL9SBT
    Techniker aus Leidenschaft.

    1. Peter Jonczyk

      Hallo Jürgen,
      danke für deinen so positiven Kommentar!
      Das hört man doch gerne: Der Begriff „leidenschaftliche Arbeit“ trifft den Nagel auf den Kopf. Und das Wort kommt von Leiden, was den Titel des Blogeintrages etwas anders beschreibt. „Von nichts kommt nichts…“
      Für eine gute Sache (z.B. eine warme Dusche, Waschmaschine) nimmt man dann doch auch Leiden auf sich (Befüllen der Schneeschmelze bei Sturm, egal wieviel Knoten). Unser Stationsingenieur verkörpert diese „leidenschaftliche Arbeit“ überdeutlich. –
      Ja, ein besinnliches Weihnachtsfest steht leider im Moment nicht in Aussicht, da unsere jährlich eintreffende Schiffsfracht unmittelbar vor/während/kurz nach Weihnacht hier entladen werden möchte. Aber das haut uns nicht um, alle packen an.
      Dir wünschen wir auch ein Frohes Fest und Gruß ins schöne Schwabenland!
      Peter (Arzt aus Leidenschaft)

  8. Reinhold und Adelheid

    Hallo Peter,
    mit großem Interesse verfolgen wir immer die spannenden Berichte und Bilder Eurer anspruchsvollen Arbeit. Es wurde von Dir und Deinen Kollengen alles so packend und anschaulich beschrieben. Sehr interessant, besonders für die Enkelkinder, waren auch die Unterwassertöne.
    Jetzt ist ja auch für Dich und das Überwinterungsteam bald das große Abenteuer vorbei. Euch allen ein frohes und unvergessliches Weihnachtsfest und demnächst eine gute Heimreise.
    Liebe Grüße, Reinhold und Adelheid

    1. Peter Jonczyk

      Hallo Adelheid und Reinhold,

      danke für die guten Wünsche und das schöne Echo auf die Einträge.
      Ja, bald ist das Jahr auch schon rum: Vor genau einem Jahr sind wir auf Polarstern gegangen und nonstop hierher gefahren. Und die neuen ÜWI’s stehen in den Startlöchern…
      Euch auch Frohe Weihnachten!
      Peter

  9. Michael und Kirsten

    Hallo Peter,

    es ist schon faszinierend auf diese Art und Weise an eurem Leben teilnehmen zu können. Man fühlt sich ein wenig zurückversetzt in die Zeiten von Amundsen oder Shackleton, obwohl ihr natürlich mit modernsten Hilfsmitteln ausgestattet seid. Mir als Fotobegeistertem haben es vor allem die spektakulären Bilder angetan.
    Von diesen 14 Monaten mit den vielen Eindrücken kann man wahrscheinlich sein ganzes Leben lang zehren. Weiterhin viel Spaß und Leidenschaft bei deiner Arbeit wünschen deine ehemaligen Nachbarn aus „Marokko“
    Michael und Kirsten

    1. Peter Jonczyk

      Lieber Michael, liebe Kirsten,
      gerade die Welt um Amundsen, Scott, Shakleton und aktuell John Franklin hat mich sehr in den Bann gezogen. Sie müssen in etwa die Natur ebenso wunderschön erlebt haben, wie wir es getan haben. Nur der Unterschied, dass uns Fotografien und Videos am Ende in perfekter Qualität erhalten bleiben. Das ist schon anders wie die frühen s/w Aufnahmen, vor denen ich aber den höchsten Respekt habe, denn wie oft habe ich mir die Finger fast abgefroren für ein gutes Foto…
      Die Skizzen aus Nansens Erstausgabe „In Nacht und Eis“ habe ich mir hier in der Bibliothek ansehen dürfen. Sie haben mich sehr beeindruckt.
      LG in das fränkische Marokko
      Peter

  10. Klaus Welter

    Anbetracht der Schneeflocke ist klar, die Quadratur des Kreises ist das Sechseck. So vieles, wenn nicht gar alles, können wir der Natur abgucken.

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