Aprilwetter im September …

Robben beim Chillen

Servus zusammen …

Schon wieder ist ein Monat vergangen und die Tage werden immer länger. Aktuell (am 26.09.20) geht die Sonne um 5 Uhr 50 auf und um 18 Uhr 57 wieder unter, sie scheint bei schönem Wetter bereits mehr als 13 Stunden. Jetzt kommt wieder die Zeit für Skibrillen mit getönten Gläsern beziehungsweise Gletscherbrillen und für Sunblocker im Gesicht … in 48 Tagen beginnt der Polartag, dann gibt’s keine Sonnenunter- und -aufgänge mehr. Schade eigentlich, sind immer so schöne Farben dabei.

Sunrise (Klaus Guba)
Schneedrift mit Sunset (Klaus Guba)

Das Wetter momentan ist ein Wechsel zwischen Schmuddelwetter mit Stürmen und wolkenlosen Tagen mit strahlendem Sonnenschein. Statt Regen gibt’s allerdings Schneefälle. Erinnert mich an Aprilwetter zuhause … Die Temperaturen schwanken zwischen minus 5 und minus 30 Grad, bei Wolken und Schneefall ist es wärmer als bei klarem Himmel. Aber definitiv wird es jetzt wärmer, auch wenn keine richtigen Frühlingsgefühle aufkommen wollen. Ich spüre eher etwas Frühjahrsmüdigkeit, die jedoch mit Kaffeekonsum gut zu bekämpfen ist. Und Arbeit ist auch gut gegen Frühjahrsmüdigkeit. Und davon gab’s dann Anfang September doch genügend …

Neben meiner üblichen Monatsroutine mit Wartung und Überprüfung der Geräte, mit der medizinischen Studie, der Trinkwasseruntersuchung etc., gab es auch noch eine Wintertraverse zum 50 Kilometer entfernten „Watzmann“-Observatorium, weil die Batterien dort nicht mehr über Wind- und Sonnenenergie aufgeladen wurden. Also musste unser Geophysik-Team (Ina und Noah) zusammen mit Andreas (Elektrotechniker) zur Reparatur hinfahren, was eine Zwei-Tages-Tour mit dementsprechender Vorbereitung erforderte. Bei einem guten Wetterfenster hat dann aber alles wie geplant geklappt … Ich bin immer froh, wenn alle heil zurück sind.

Danach ging es gleich weiter mit der monatlichen Meereismessung, dieses Mal konnte ich auch mal wieder mit rausfahren. Es war ein anstrengender, aber wirklich schöner Tag. Anfangs war die Sonne hinter dicken Wolken verschwunden und es gab kaum Kontraste auf dem Meereis, demensprechend vorsichtig mussten wir anfangs fahren. Der Weg führte an einem großen Eisberg vorbei, der auf der einen Seite sanft anstieg und auf seiner anderen Seite eine einzige schroffe Eiswand präsentierte. Ein Traum für Eiskletterer … aber leider zu gefährlich. In Antarktika sollte man nicht zu viel Risiko gehen, ein Eisberg kann sich drehen, Eis kann abbrechen oder eine Eisschraube reißt aus beim Sturz … und es macht schon gar keinen Sinn, mit riskanten Sachen anzufangen, von denen man nur wenig Ahnung hat.

Eisberg 1 (Klaus Guba)
Eisberg 2 (Klaus Guba)

Um die Eisberge gibt es auch häufig Spalten, durch die die Weddell-Robben auf das Eis kommen, um dort faul in der Sonne zu dösen, sich dabei ab und zu mit der Flosse irgendwo zu kratzen und ansonsten den Tag gemütlich anzugehen. Auch an diesem Eisberg lagen mehrere Robben – an einer mussten wir etwas näher vorbei zu unserem nächsten Messpunkt. Beim Vorbeifahren mit den Skidoos hob sie nur etwas den Kopf, sah uns kurz an und döste dann weiter. Auf der Rückfahrt drei Stunden später lag sie noch genauso da … und wieder hob sie kurz den Kopf wie zur Begrüßung beim Vorbeifahren. Meine Töchter würden diese Robben als Chill-Meister bezeichnen … Leider habe ich von dieser Robbe kein vernünftiges Bild, da das Wetter zu diesem Zeitpunkt wirklich bescheiden war, aber zur Verdeutlichung dieser Chill-Fähigkeiten hab ich noch ein Bild vom  Dezember 2019 gefunden, das ich damals bei strahlendem Sonnenschein auf dem Meereis gemacht habe:

Robben beim Chillen (Klaus Guba)

Und weiter ging’s zurück über die Atka-Bucht, am westlichen Ende der Bucht kam dann die Abendsonne raus … ein wunderschöner Anblick mit zusätzlicher kleiner Pinguin-Karawane auf dem Weg zum Meer.

Pinguinkarawane (Klaus Guba)
Auf dem Meereis (Klaus Guba)

Apropos Pinguine … vor zwei Tagen waren Roman und ich mal wieder bei SPOT, dem Pinguin-Observatorium. Roman wollte noch aktuelle GPS-Punkte von den Trassen nehmen, da sich die Punkte innerhalb von drei Monaten durch die Drift des Schelfeises immer um circa 40 Meter verschieben. Und bei schlechtem Wetter mit White Out können 40 Meter Differenz zum Problem werden. Demzufolge werden die wichtigen Punkte alle drei Monate neu registriert und angeglichen. Und SPOT ist einer dieser Wegpunkte. Die Kaiserpinguin-Kolonie war bei strahlendem Sonnenschein auseinandergerückt und ein Teil der Kolonie stand direkt an der Schelfeiskante auf dem Meereis. Die Küken watscheln inzwischen schon fleißig zwischen den adulten Pinguinen herum und betteln nach Nahrung. Immer wieder versucht eines der Küken unter die Bauchfalte des Elternteils zu schlüpfen, aber sie sind inzwischen schon so groß, dass sie kaum noch darunter passen. Oft steht das Hinterteil des Kükens noch raus, während der Rest bereits unter der Bauchfalte verschwunden ist. Einzelne Küken bilden sogar schon Kindergärten … Es ist jedenfalls ein enormes Gewusel auf dem Eis und das tiefere Geschrei der adulten Pinguine wird jetzt vom hellen Fiepen der Küken begleitet. Solche Tage in Antarktika sind immer wieder was Besonderes …

SPOT Pingus Panorama (Klaus Guba)
Pingus Kolonie (Klaus Guba)
Pingus Zoom (Klaus Guba)

Die Schneeverwehungen auf der Westseite der Station haben jetzt schon zwei größere Hügel gebildet. Am vergangenen Sonntag vor einer Woche gab es auch noch etwas Neuschnee und ich habe mal wieder meine Tourenski ausprobiert. Die „Abfahrt“ vom Sastrugi war leider eher enttäuschend. Der Schnee war gar nicht so schlecht, aber der Hügel ist einfach zu flach. Für ein oder zwei schöne Schwünge reicht die Geschwindigkeit nicht … und nur Schussfahren macht keinen Spaß. Ich habe dann unten am Hügel die Felle aufgezogen und bin ein paar Kilometer im Bogen um die Station herumgelaufen. Ist ein spezielles Gefühl, in der Einsamkeit auf Skiern herumzulaufen, und ich musste dabei an die Pioniere der Polarforschung denken, die auf Skiern zu den Polen gelaufen sind … und Bewegung ist gut gegen die Frühjahrsmüdigkeit … und macht warm bei minus 20 Grad …

Skitour (Klaus Guba)

Anfang September wurde ich von AWIs4Future per Mail angeschrieben, ob wir nicht wieder beim globalen Klimastreik am 25.09.20 mitmachen wollen. Und natürlich wollten wir … Im September 2020 sind gerade erst Basisfakten zum Klimawandel von namhaften Organisationen wie dem Deutschen Klima Konsortium veröffentlicht worden. Ein sehr lesenswerter und für alle verständlicher Bericht – schaut ihn euch selber an. Wie schon im April haben wir unsere Plakate herausgeholt und ein paar neue erstellt.

Demovorbereitung (Klaus Guba)

Und wie im April habe ich wieder alle Winterstationen in Antarktika angeschrieben, ob sie nicht mitmachen wollen. Und drei Stationen waren wieder dabei:

Concordia-Station (Italien/Frankreich), Troll (Norwegen) und Maitri (Indien).

Concordia
Troll
Maitri

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die drei mitgemacht haben, mich aber auch gefragt, warum so viele andere Stationen nicht teilgenommen haben. Es gibt so viele Nationen hier (unter anderem Urugay, Argentinien, Brasilien, Chile, USA, Korea, Japan, China, Russland, Ukraine, Polen, Südafrika, Australien, Neuseeland, England) …

Jedenfalls meine Hochachtung und Dank an Concordia, Troll und Maitri und natürlich an meine Kollegen der Neumayer-Station III für ihren Einsatz.

Zum Abschluss möchte ich noch auf einen Blog-Kommentar eingehen, in dem ich gebeten wurde etwas über den normalen Tagesablauf bei uns zu schreiben. Eigentlich wollte ich mit der Beantwortung der Frage anfangen, bin aber beim Schreiben mit meinen Gedanken davongaloppiert zu den Sachen, die mich in diesem Monat am meisten bewegt haben. Der normale Tagesablauf bei mir ist eben ganz normal und nichts Besonderes. Sachen, die sich jeden Monat wiederholen und im Vergleich zu meiner früheren Tätigkeit auch keine größeren Adrenalinschübe freisetzen. Ich sitze in der Regel ab 8 Uhr am Schreibtisch und lese meine Mails. Dann werden die monatlichen Routinearbeiten Tag für Tag abgearbeitet (habe ich schon in einem früheren Blogbeitrag genauer beschrieben). 12 Uhr bis 13 Uhr Mittagspause, danach geht es wieder weiter bis zum Abendessen um 18 Uhr. Das Ganze in der Regel von Montag bis Samstag, Sonntag wird dann nur das Nötigste gearbeitet. Dazwischen immer mal wieder Telefoninterviews und Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel Bog schreiben. An manchen Tagen beneide ich meine wissenschaftlichen Kollegen, die jeden Tag raus müssen zu ihren Laboratorien … und an manchen Tagen bedauere ich sie und bin froh in der Station bleiben zu dürfen. Aber auch ich habe meine eigenen Außenarbeiten beziehungsweise haben wir auch oft gemeinsame Außenarbeiten, die im Teamwork erledigt werden (wie zum Beispiel Meereismessung, Messstationen hochsetzen oder Trassen beflaggen). Und da kommt man auch als Stationsleiter raus in diese einmalige und einzigartige Eiswüste …

Antenne (Klaus Guba)
Pegelfeld Messung (Klaus Guba)
Dacharbeiten (Klaus Guba)

Bis zum nächsten Mal … bleibt’s gsund, viele Grüße an die eifrigen Blogleser und Extra-Grüße an unsere Familien und Lieblingsmenschen zuhause.

Selfie (Klaus Guba)

Leser:innenkommentare (6)

  1. Roswitha Lommer

    Servus Klaus,
    Danke für Deine tollen Eindrücken von der Antarktis. Ich wünsche Dir und Deinem Team noch eine gute Zeit ohne Pannen.
    LG. Rosl.

  2. Klaus Guba

    Servus Rosl,
    Danke für´s Lesen und die guten Wünsche. Wäre jetzt übertrieben, wenn ich sagen würde, dass ich die Sprechstunden vermisse, aber es gab auch dort sehr schöne Momente. Wünsch dir auch alles Gute und pass auf dich auf.
    Liebe Grüße,
    Klaus

  3. Jürgen Baßfeld

    Hallo Klaus und der Rest des Überwinterungsteams,
    vielen Dank für die tollen Bilder und Deinen Bericht.
    Ebenso vielen Dank für die Beschreibung des Arbeitsablaufs.
    Chillen mit den Seelöwen sieht doch recht einladend aus.
    Toll finde ich auch Euere Aktion zum Thema Weltklimatag.
    Ich fand es nur schade dass sich nicht mehr internationale Wissenschaftler aus der Region daran beteiligt haben. Ist es mangels Zeit oder Motivation oder ist es schon Resignation, weil man nicht wahrgenommen wird.
    Ich hoffe, dass ich bis Ende des Jahres auch Satellitenbetrieb machen kann. (Q0-100)
    Achja die erste Tüte Spekulatius ist auch getestet und …. leer.

    1. Klaus Guba

      Hallo Jürgen,
      Danke für´s Lesen und das Lob. Ich fand´s auch schade, daß nicht mehr Antarktisstationen am Weltklimatag teilgenommen haben. Aber in Anbetracht der Bevölkerungsdichte von Antarktika waren wir prozentual gesehen sicherlich eine der größten Demonstrationen der Welt … über Gründe für die Nichtteilnahme anderer Stationen kann man nur spekulieren, ausser den genannten fällt mir auch noch die Angst vor Repressalien ein. Aber Spekulationen bringen einen eh nicht weiter …
      Achja, unsere letzte Tüte Spekulatius heben wir uns für Weihnachten auf …
      viele Grüße aus dem Süden,
      Klaus

  4. Jens Schöller

    Hallo Klaus,
    die Zeit ist ja regelrecht verflogen. Das Leben erscheint bei Euch ja trotz der widrigen Außenbedingungen fast unbeschwert. Hier steht mittlerweile wieder alles unter dem Zeichen von Corona.
    Da bereitet es einem schon eine Freude dem Alltag hier mit Hilfe deiner Erzählungen kurzzeitig zu entfliehen.
    Vielleicht hängt ihr ja noch ein Jahr dran. So viel verpasst ihr zu Hause gerade nicht.
    LG Jens

    1. Klaus Guba

      Servus Jens,
      es stimmt, die Zeit vergeht schnell. Selbst in der Isolation hier. Es gibt aber auch immer was zu tun, zu sehn und zu erleben.
      Es freut mich, wenn ich die Leser des Blogs mitnehmen kann. Und das mit dem Jahr dranhängen … wir sind noch nicht zuhause. Wer weiss schon was noch kommt …
      Viele Grüße,
      Klaus

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