Allein…?!

Kaiserpinguine

Servus zusammen…

inzwischen sind über sechs Monate seit dem Abflug des letzten Flugzeuges vergangen. Über sechs Monate in der Isolation, über ein halbes Jahr zu neunt im Eis, und trotzdem sind die Tage und Wochen schnell vergangen. Bald kommt der Frühling… und mit ihm die ersten Vögel, also zumindest die von der fliegenden Sorte wie Sturmvögel (White Petrel), Raubmöwen (Skuas) und Buntfuß-Sturmschwalben, wobei letztere im antarktischen Sommer häufig abends um die Station herumflattern. Aber bisher konnte ich noch keine Vögel in der Luft sehen.

Die von der nichtfliegenden Sorte sind schon lange da. Schon im April haben sich die ersten Kaiserpinguine in der Atkabucht zur Paarung getroffen, im Mai haben dann die ersten Eier gelegt und nach ca. 60 Tagen Brutzeit sind ab Mitte Juli die ersten Küken geschlüpft. Keine Angst, ich werde jetzt nicht anfangen das ganze Lexikonwissen über Kaiserpinguine zu rezitieren … heutzutage gibt es Computersuchmaschinen und genügend Artikel über diese seltsamen Genossen, die ausgerechnet im Winter ihren Nachwuchs zur Welt bringen. Ich möchte eher darüber erzählen, was diese wunderbaren Tiere für mich persönlich bedeuten…

Bei Wartungsarbeiten am Pinguin-Observatorium SPOT haben wir in der Regel ein- bis zweimal im Monat die Möglichkeit die Kolonie mit dem Fernglas von der Schelfeiskante beobachten zu können. Im kalten Winter stehen sie eisern im Huddle zusammen, über dem Haufen kann man häufig eine Dampfwolke aufsteigen sehen. An richtig kalten Tagen im Juni und Juli sind sie leiser, aber ansonsten kann man an der Schelfeiskante das Schnattern der Pingus schon aus mehreren hundert Meter Entfernung vernehmen.

 


Pinguine beim SPOT-Observatorium von der Schelfeiskante aus (Klaus Guba)

 

Am 16.08.20 haben wir bei sonnigem Wetter einen Nachmittags-Sonntagsausflug auf´s Meereis zu der Pinguinkolonie gemacht… zum ersten Mal in diesem Winter wollen wir uns die Kolonie aus der Nähe ansehen. Natürlich warm angezogen, es hatte minus 40 Grad. Wir haben uns auf die Skidoos geschwungen und sind die 5 km zur Atkabucht mit 30 km/h gefahren. An der Schelfeiskante sind wir dann einzeln einer nach dem anderen über die Schneerampe auf´s Meereis gefahren und anschließend ca. eineinhalb Kilometer zurück in Richtung der Pinguinkolonie im Schritttempo gefahren, immer wieder neugierig beobachtet von einzelnen Pinguinen, die sich auf dem Hin- oder Rückweg von der Kolonie zum Meereis befanden.

 


Pingus (Klaus Guba)

 

Nach einem guten Kilometer auf dem Meereis werden die Pinguine immer mehr. In ca. 500 m Entfernung steht die große Kolonie mit ca. 2000 Pinguinen und sie machen ganz schön Lärm. Wir steigen von unseren Skidoos und gehen zu Fuß weiter in Richtung der Kolonie. Kleinere Pinguinkarawanen ziehen in Richtung Meereis an uns vorüber.

 


Mehr Pingus (Klaus Guba)

 

Circa. 50 Meter von der Kolonie entfernt bleiben wir stehen und beobachten das bunte Treiben. Die Pingus unterhalten sich prächtig, das Geschnatter ist so richtig laut. Unsere Anwesenheit scheint ihnen keine Angst zu machen, eher im Gegenteil. Eine kleine Gruppe von ca. 10 Pinguinen kommt direkt auf uns zu und mustert uns neugierig. Hab irgendwie das Gefühl, dass sie sich über uns lustig machen und uns in unseren roten unförmigen Strampelanzügen auslachen. Es gibt Bestimmungen über die Mindestabstände, die man zu den Pinguinen einhalten soll. Aber den Pinguinen sind die Bestimmungen komplett egal, sie stellen sich in 5 Meter Entfernung vor uns auf und posieren … einer kommt sogar noch näher. An seinem Rücken hängt ein faustgroßer Eisklumpen am Gefieder, ein Überbleibsel vom letzten Sturm. Als er noch ein Stück näher kommt gehe ich daraufhin weiter und umrunde die Kolonie im sicheren Abstand. Auf der anderen Seite bleib ich wieder 50 m von der Kolonie entfernt stehen, am Boden liegt überall Pinguin-Kot, zum Glück tiefgefroren. Ich knie mich hin und hol mein Fernglas raus, die Kälte des Metalls dringt schnell durch die Handschuhe. Immer wieder erkenn ich mit dem Fernglas Pinguinküken, die unter der Bauchfalte des Elternteils herausschauen und neugierig die weiße Welt betrachten. Ca. 20 m vor der Kolonie liegt ein toter adulter Pinguin auf dem Eis, er ist leicht mit Schnee bedeckt. Er hat anscheinend die Strapazen nicht überlebt …

 


Die Kaiserpinguin-Kolonie (Klaus Guba)

 

Hinter mir knirscht der Schnee, als wenn jemand näherkommt. Und das Knirschen kommt immer näher, schließlich wende ich meinen Blick nach hinten … drei Pinguine haben sich von hinten „angeschlichen“ und mich halb eingekreist. Sie mustern mich eingehend, während ich immer noch auf dem tiefgefrorenen Pinguinkot knie. Hab das Gefühl, dass es bei Pinguingrüppchen immer einen gibt, der das „Sagen“ hat. Der mittlere Pinguin ergreift die Initiative und beginnt mit dem üblichen Begrüßungsritual … erst den Kopf senken und klein machen, dann hebt er den Kopf und macht sich groß. Bei maximaler Größe schnattert er ca. 5 Sekunden mit einem tiefen sonoren Ton und schlägt danach noch kurz mit seinen Flügeln. Abschließend kommt eine langsame Kopfdrehung nach rechts und anschließend nach links, bevor er sich entspannt hinstellt und mich wieder neugierig fixiert. Dir „drei von der Tankstelle“ sehen in keinster Weise ängstlich aus, sie wirken nur neugierig. Solche Begegnungen gibt es ja öfters hier und ich habe inzwischen immer das Gefühl, dass die Pinguine einfach nur aus Neugier vorbeischauen … und dass das „Ritual“ ihre Art ist, „Servus“ zu sagen. Ich erheb mich langsam, nicke den Burschen freundlich zu, gehe langsam aus ihrer Mitte, während sie mir nachschauen und such mir einen neuen Beobachtungsplatz in „sicherer“ Entfernung…

Von wegen „allein“ in Antarktika. Selbst im Winter ist man auf dem Meereis selten allein…

Nach zwei Stunden „Pinguinschauen“ sind wir dann wieder zurückgegangen zu unseren Skidoos. Einzelne Pinguine schlittern auf dem Bauch rutschend an uns vorbei Richtung offenes Meer, ab und zu hält einer an, richtet sich auf und schaut uns hinterher während wir auf den Skidoos vorsichtig über das zum Teil aufgeworfene und zerklüftete Meereis zur Schelfeisrampe zurückfahren.

 


Noch mehr Pingus (Klaus Guba)

 

Vom Schelfeis dann ein letzter Blick zurück auf die Kolonie, das Geschnatter ist selbst aus dieser Entfernung noch zu vernehmen. Und während wir die letzten 5 Kilometer mit den Schneekatzen zur Station zurückfahren geht auf dem Meereis alles wieder seinen gewohnten Gang… in einer Stunde geht die Sonne unter, die Pinguine werden wieder mal näher zusammenrücken und sich gegenseitig im Huddle Wärme spenden… während ich mir in der Station an einer heißen Tasse Kaffee die durchgefrorenen Hände aufwärme.

Dieser Ausflug war für uns alle ein beeindruckendes Erlebnis. Und ich ertappe mich dabei, dass ich in so mancher stürmischen Nacht öfters an die unzähligen Pinguine denken muss, die sich grad 5 km entfernt von uns aneinander kuscheln und Schutz vor dem Sturm im Huddle suchen…

Und einmal mehr schicken wir unsere Grüße aus dem eisigen Antarktika hinaus an den Rest der Welt und insbesondere an unsere Leser, unsere Familien und Lieblingsmenschen zu Hause…

Bis zum nächsten Mal

Leser:innenkommentare (18)

  1. Otto

    Einfach nur schön zu lesen und zu träumen, dabei zu sein (aber im Warmen).
    D A N K E.

    Für dich als Altschanzer: Ingolstadt führte zeitweise die Corona-List an. Ein beängstigender Rekord.

    Lass dir Zeit im Süden.
    Lieb Grüße
    Otto

    1. Klaus Guba

      Hallo Otto,
      Danke für´s Lesen und kommentieren. Und immer schön Abstand halten, damit Ingolstadt in der Corona-Tabelle den Spitzenplatz verliert und nach unten weitergereicht wird …
      Viele Grüße,
      Klaus

  2. Francis

    Liebe Grüße, und danke für das Blog lesen.
    Ganz liebe Grüße von der kleinen Insel im Sund an den Ingenieur der Station. Hier ist alles beim alten… bei euch kommt der Frühling und hier der Herbst…. die Esskastanien fallen und der Regen klirrt ans Fenster.
    Tausende Kilometer dazwischen und mehrere Breiten- und ein paar Längengrade ebenso.
    Noch eine gute Zeit auf Antarktika.
    Francis

    1. Mario

      Moin Fru Nachbarin und Danke für die Grüße.
      Das ist ja eine nette Überraschung. Oh ja die Esskastanien auf unserer Insel, frisch aus dem Ofen und am besten abends vor dem Kaminfeuer. Im nächsten Jahr dann bestimmt wieder. Ist ja auch nicht mehr so lange hin.

      Grüße mir unsere kleine Insel und hab ein Auge auf meinen Wildkater.

      Beste Grüße aus dem Süden,
      Mario

      1. Francis

        Das mache ich.., hab das Katerchen lange nicht gesehen aber Dein Vater ist öfters mal da und schaut.
        Schon konisch, wenns so leer ist…. aber drumherum passiert da einiges.
        Wir sind gerade an der Ostseeküste unterwegs und bleiben dort bis Mitte Oktober.
        Dann bin ich aber wieder zurück auf dem Dänholm.
        Lieben Gruss vom Norden im den polaren Süden.
        Francis

  3. Carmen Wittmann-Hofer

    Einfach immer wieder beeindruckend! Habt weiterhin eine gute (wenn auch kalte) Zeit in der Antarktis!

    Liebe Grüße aus der bereits a bissi herbstelnden Heimat,

    Carmen

    1. Klaus Guba

      Servus Carmen,
      Dankschön für die guten Wünsche und einen schönen Herbst … werden bestimmt wieder traumhafte Farben wenn die Blätter fallen.
      Bis irgendwann,
      Klaus

  4. Doris

    Hallo Klaus,
    es ist Sonntagnachmittag und ich habe gerade deinen neuesten Bericht gelesen. Danke, dass du mich mitgenommen hast zu den Pingus! Ich spüre förmlich die schneidende Kälte (wie man sich das halt so vorstellt, wenn man es selbst noch nicht erlebt hat …) und bin dabei, immer näher auf die Kolonie zuzukommen … dank deiner Fotos habe ich ganz konkrete Bilder vor mir: diese besonderen Geschöpfe im magischen Sonnenlicht der Antarktis. Und dann der Klaus umringt von den dreien von der Tanke! :-) Es ist wirklich unfassbar, dass sie bei diesen Temperaturen wochenlang der absoluten Kälte trotzen und ihre Jungen zur Welt bringen.

    Jetzt wünsche ich dir und dem ganzen Überwinterungsteam weiterhin alles Gute, auf dass der Frühling bald wärmere Temperaturen bringt! Macht es gut und bleibt gesund!

    Viele liebe Grüße
    Doris

    1. Klaus Guba

      Servus Doris,
      Dankschön fürs Lesen und die guten Wünsche. Am Samstag soll´s nur minus 4 Grad haben bei uns laut Wetterbericht … aber unter der Woche wird´s dann voraussichtlich wieder bis minus 30 Grad. Hab aber das Gfühl, dass es langsam wieder wärmer wird, so wie´s bei euch wieder kälter wird. Wir nähern uns langsam an, bloss gibt´s bei euch mehr Farben im Herbst.
      Am 29.10. spielt „Organ Explosion“ im Alten Kino Ebersberg. Musst unbedingt hingehn, die Jungs sind so klasse …
      Liebe Grüße,
      Klaus

  5. Jürgen Baßfeld

    Hallo liebes Überwinterungsteam,
    tolle Bilder und Schilderungen.
    Vielen Dank!

    Mich würde auch mal der normale Tagesablauf auf der Station interessieren.

    Ich wünsche Euch eine gute Zeit.

    Liebe Grüße aus dem Schwabenland

    Jürgen

    1. Klaus Guba

      Servus Jürgen,
      Danke für das Lob und den Kommentar. Ich werde versuchen den normalen Tagesablauf auf der Station im neuen Blog mal darzustellen … gute Idee, Danke dafür.
      Viele Grüße ins Schwabenland aus dem Eis,
      Klaus

  6. Edeltraud

    Schön wieder was von Ihnen zu lesen, ich schau oft nach, ob es was neues gibt…
    Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen, wie es ist bei minus 40° den Pinguinen zuzusehen, aber ich bewundere und ein kleines bisschen beneide ich Euch dafür… Dankeschön für den Ausflug zu diesen liebenswürdigen Tieren… Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team weiter eine gute Zeit und bleibt gesund. LG Edeltraud

    1. Klaus Guba

      Servus Edeltraud,
      Danke für´s treue Lesen und die guten Wünsche. Und viele Grüße an alle im Klinikum, die auch mitlesen aber keine Kommentare hinterlassen wollen …Hab heut mal wieder meinen OP feucht rausgewischt und dabei an die Reinigungskräfte im OP denken müssen, wie sie damals nach so mancher OP die Sauerei wegmachen mussten. Und nächstes Monat steht die grosse Sterirunde an, da darf ich wieder das gesamte OP-Equipment frisch einpacken und sterilisieren. Es gab Dinge, die hab ich früher einfach als selbstverständlich hingenommen …
      Viele Grüsse aus dem tiefen Süden an alle vom OP inklusive Reinigungskräfte und Sterilisationsfachkräfte,
      Klaus

  7. Anne

    Ich hatte vor fünf Jahren das Glück gehabt, Pinguine in freier Wildbahn umgeben von Schnee und Eis zu erleben. So wie sich Pinguine bewegen, könnte man meinen, es gibt keine Probleme auf der Welt.
    Es hat schon fast etwas meditatives, ihnen beim Laufen zuzuschauen.

    1. Klaus Guba

      Hallo Anne,
      die Pinguine bringen hier wirklich Abwechslung. Ist immer wieder schön ihnen zuzuschauen und dabei die Zeit zu vergessen …
      Viele Grüße,
      Klaus

  8. Viktoria Klustrach

    Hallo Klaus,

    Vika hier wieder! Ein gutes Update, jeder braucht mal einen check-up von den Pinguinen. Ich hoffe ihr habt einen Günther gerufen, falls jemand versteht was ich meine. Ich hoffe wirklich dass bald irgendwann das perfekte Foto für eine riesen Aquarell-Acryl Leinwand auftaucht um diesen Teil der Welt hier im warmen Hause immer da zu haben. Wie ist eigentlich generell der Sternenhimmel da drüben? Am Nordhimmel ist wirklich was zu sehen, momentan treffen sich Saturn, Jupiter, Mars und sogar Venus zu relativ gleichen Zeiten! Und an kühlen und sehr klaren Nächten sind die Milchstraße und unsere Nachbarsgalaxie auch klar zu sehen… Ich hoffe ihr habt noch eine tolle Zeit!

    (P.S. Habe mich dank euch in meinem Geographie Kurs für polare und subpolare Geozonen als Themenbereich für unsere Präsentationen eingeschrieben :) )

  9. Klaus Guba

    Servus Vika,
    der Sternenhimmel hier ist famos. Liege öfters mal nachts auf dem Schneehügel neben der Station und versink in den Sternen … die Milchstraße und andere Nachbargalaxien sind bei klarem Himmel immer zu sehn. Bin aber in Astronomie nicht bewandert, geniesse einfach nur den Anblick. Aber nach 30 Minuten wirds immer a wengerl frisch …
    Viel Spaß und Erfolg bei deinem Geographie Kurs für polare und subpolare Geozonen.
    Viele Grüße,
    Klaus

  10. Christoph

    Ich möchte an dieser Stelle mal Danke sagen. Diese Begegnung mit den Pinguinen hat mich sehr tief berührt. Ihr sitzt dort an einem Ort, der für den Rest der Menschheit unerreichbar scheint. Und dennoch gibt es auch dort Begegnungen. Ich glaube das Pinguine eine Seele haben. Ihr beschreibt so ein Begrüßungsritual. Ähnliche Verhaltensweisen sind auch bei Katzen zu finden. Ich glaube, wenn es tiefere Kontakte mit Pinguinen gibt, das daraus sehr wohl Freundschaften zwischen Mensch und Tier entstehen können. Vielleicht gibt es aus wissenschaftlicher Sicht einmal einen Beweis dafür? Wenn einer von Euch nachts von Pinguinen träumt, kann das ein Hinweis darauf sein, das ihr in den Träumen eine Verbindung zueinander aufgebaut habt. Ich bin der festen Überzeugung, das Pinguine zu den Wesen gehören, die nicht nur länger als die Menschheit existieren, sondern diese auch überleben wird. Schöne Grüße aus Berlin, an alle Bewohner der Neumayer III. Ich bin schon gespannt, auf weitere Erlebnisse von Euch.

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