Was man so im Dunkeln macht …

Polarnacht 13 Uhr 30 (Foto: Klaus Guba)

Servus zusammen …

die Polarnacht wird schwärzer, wir haben jetzt noch gefühlte zweieinhalb Stunden Dämmerlicht um die Mittagszeit, laut unserem Messmonitor gibt’s angeblich Dämmerlicht für fast vier Stunden. Kleine Diskrepanz zwischen Gefühl und Messdaten …  Bei klarem Himmel gibt’s dann auch tolle Farben am Himmel, bei Bewölkung wird’s etwas heller, aber ohne Farbenpracht. Sitz jetzt hier in meinem warmen Büro am Computer und überleg hin und her, was ich schreiben soll. Hab den Titel schon zweimal geändert und warte drauf, dass eine Muse vorbeikommt und mir einen guten Text eingibt. Aber die Muse lässt mich im Stich, wahrscheinlich schläft sie schon wieder in der Dunkelheit. Dann schreib ich einfach mal drauflos und überwind meine Schreibblockade …

In der letzten Maiwoche standen nochmal Sicherheitskurse neben dem alltäglichen Arbeitspensum auf dem Programm. Wir übten erneut den Umgang mit dem Bergseil und trainierten Knotentechnik, Spaltenbergung und als Höhepunkt das Abseilen vom Keller in die Tiefgarage bei minus 10 Grad. Das Hantieren der Seile und Karabiner mit Handschuhen ist bei der Kälte nicht so leicht wie man anfangs meint …

Abseilen (Foto: Klaus Guba)
Hängende Fledermaus (Foto: Klaus Guba)

Zusätzlich gab’s noch einen Nahtkurs für Interessierte, damit auch ohne Arzt im Notfall Platzwunden versorgt werden können. Insgesamt kamen fünf Teilnehmer zusammen, denen ich in Kleingruppen an drei Nachmittagen das kleine Einmaleins der Wundversorgung näherbringen durfte. Alle waren mit Eifer bei der Sache und es hat mir viel Spaß gemacht die schnellen Fortschritte meiner Kollegen zu sehen.

Nahtkurs mit Anna und Wanderson (Foto: Klaus Guba)

Das Wetter war durchwachsen, wir hatten wieder an einigen Tage mit Stürmen zu kämpfen. An einem unserer „Hausmusikabende“ haben bei unserem Versuch „Imagine“ zu spielen vereinzelte Sturmböen so an der Station gerüttelt, dass ich in Gedanken John Lennon vor mir gesehen hab, der mit seinen Fäusten in Form von Windböen auf unsere Station herumtrommelt um uns am Weiterspielen unseres schrägen „Independant“- Sounds zu hindern. Und er hatte Erfolg, an diesem Abend haben wir früher aufgehört als sonst … allerdings gabs danach in der Nacht noch stärkere Windböen bis 85 Knoten (ca. 157 km/h), auch ohne schräger Musik von uns. Und die Antennen auf dem Dach haben’s mal wieder ausgehalten, sowohl den Sturm als auch unsere Musik …

Antenne auf dem Dach nach Sturm (Foto: Klaus Guba)

Und dann war da noch dieser Sonntag erwähnenswert. Sonntag ist auch bei uns ein Tag, an dem wir versuchen etwas weniger zu arbeiten. Und für mich ein Tag, an dem ich mal den Wecker erst auf 9 Uhr stelle. Ausschlafen ist was Schönes, vor allem wenn es den Großteil des Tages stockfinster ist. Aber nicht so an diesem besagten Sonntag …

Um 5 Uhr 30 jault der Feueralarm los, zusätzlich lässt das rote Alarmblinklicht in der Schlafkammer das Adrenalin hochschnellen. In Windeseile stehen alle neun Überwinterer, zum Teil noch schlaftrunken, in Feuerbekämpfungsmontur am Sammelplatz vor der Umkleide auf Deck 1, von der Decke rinnt warmes Wasser durch die Lüfteröffnungen, am Boden ist eine Wasserpfütze von 10 m Durchmesser und 5 cm Tiefe. Im ersten Moment dachte ich noch im Halbschlaf, dass die Sprinkleranlage das Feuer bereits gelöscht hat … dann kommt mir die Erkenntnis, dass es in der Umkleide keine Sprinkleranlage gibt. Der Feuermelder, der Alarm gegeben hatte, war voller Wasser gelaufen und hat anscheinend deswegen den Alarm ausgelöst. Mario, unser Ingenieur, und Andreas, unser Elektrotechniker, hatten die Ursache nach Abschalten des Hauptwasserhahns dann schnell gefunden … „Wasserrohrbruch“ der Warmwasserleitung unter der Dusche auf Deck 2. Zwischen Deck 1 und 2 verteilte sich das ausgelaufene Wasser und bahnte sich seinen Weg durch die Kabelschächte und sonstigen Ritzen nach unten bis in den Keller. Aber immer noch besser als Feuer … tausendmal besser.

Wasser von der Decke (Foto: Wanderson Almeida)

Mario und Andreas haben die undichte Stelle dann schnell ausmachen und beheben können, dazu mussten sie aber in den Raum zwischen Deck 1 und 2 klettern (ca. 55 cm hoch) und im Liegen die geborstene Leitung ersetzen. Definitiv nichts für Leute mit Platzangst. Das restliche Team hat inzwischen die Wasserlachen soweit wie möglich aufgesaugt, aufgewischt und dutzende Eimer unter die tropfenden Decken in fast allen Stockwerken aufgestellt. Insgesamt waren alle viele Stunden an diesem besagten Sonntag mit der Minimierung der Wasserschäden beschäftigt. Und alle waren wir erleichtert, dass es kein Feuer war … und auch a wengerl froh, dass der Wasserrohrbruch nicht vom Toilettenwasser (Grauwasser) kam …

Durch diesen Vorfall wurde uns allen wieder der Sinn und Zweck der monatlichen Brandschutzübungen verdeutlicht. Wir sind hier auf uns alleine gestellt und müssen unsere Station und Lebensgrundlage gegen alle Eventualitäten verteidigen. Und der Umgang mit dem Brandschutzequipment muss genauso wie der Umgang mit dem Bergseil regelmäßig geübt werden, auch wenn es Zeit kostet und manchmal auch nervt …

Brandschutzübung (Foto: Wanderson Almeida)

Ansonsten gab es wieder die übliche Monatsroutine in den ersten zwei Juniwochen mit medizinischer Studie, Wartungsarbeiten, Trinkwasseruntersuchung etc., unterbrochen von E-Mailverkehr mit Interviewanfragen … und diversen Außenarbeiten. Bin immer froh vom Schreibtisch wegzukommen, draußen zu sein ist wunderbar und zwischen 11 und 14 Uhr bei klarem Himmel mit minus 35 Grad das Farbenspiel am Horizont neben der Arbeit zu beobachten … das sind die Momente, die sich so einzigartig anfühlen … und die die Polarnacht so schön machen …

Morgendämmerung um 11 Uhr (Foto: Klaus Guba)
Dacharbeiten um 13 Uhr 30 (Foto: Klaus Guba)
Dacharbeiten (Foto: Klaus Guba)

In den letzten zwei Wochen erfolgte auch nochmal eine Geländeerkundung der beiden Rampen zum Meereis. Nach Rücksprache mit Bremerhaven erscheint nun das Meereis stabil in den Satellitenbildern, sodass es für die Meereismessung mit Skidoos und Schlitten befahren werden kann, sofern die Rampen von der Schelfeiskante zum Meereis genügend mit Schnee angeweht sind. Am Seil gesichert und mit Lawinensonde und Eispickel bewaffnet mache ich die ersten Schritte über die Rampe bis auf´s Meereis. Die Lawinensonde lässt sich an einigen Stellen ca. 1,5 m tief in den Schnee hineinstechen, aber darunter ist eine feste Eisschicht. Und dann steh ich auf dem Meereis, in 30 m Entfernung schauen drei Kaiserpinguine belustigt zu, wie ich mich vorsichtig am Seil bewege … überlege kurz, ob ich mich wie die Pinguine auf den Bauch plumpsen lassen soll und die Rampe bäuchlings nochmal runterrutsche. Lass es aber lieber sein, schaut wahrscheinlich nicht so elegant aus bei mir in meinem roten Schneeanzug. Nicht, dass die drei Burschen sich noch lustig machen über den unbeholfenen Typen in Rot. Beflagge stattdessen die Rampen und gebe dann am Abend nach Rücksprache mit Bremerhaven das Meereis für die geplanten Meereismessungen frei …

Und die Meereismessungen sind eine richtig spannende Sache, aber davon mehr beim nächsten Mal. Kleiner Ausblick und „Cliffhanger“ zum Schluss ….

Hoffentlich bis bald, viele Grüße an den Rest der Welt und ganz besondere Grüße an alle Leserinnen und Leser und unsere Lieben zuhause …

Panorama Morgendämmerung (Foto: Klaus Guba)

Leser:innenkommentare (14)

  1. Ivo

    Hallo Klaus,

    vielen Dank für den Bericht und die wirklich tollen Bilder! Wenn dir nichts zu schreiben einfällt kannst du auch gerne nur einen Bilder-Post machen.

    Übermorgen ist Sommeranfang, und dann geht es wieder stramm auf Weihnachten zu. Bei euch werden die Tage länger, bei uns die Nächte ;-)

    viele Grüße,
    Ivo

    1. Klaus Guba

      Servus Ivo,
      dann wird´s ja langsam Zeit für die Weihnachtseinkäufe … ;-)
      Viel Spass in den länger werdenden Nächten auf der Nordhalbkugel,
      Klaus

  2. Otto

    Hab schon wieder den Bericht „gefressen“. Beim letzten Report konnte ich das Wackeln und Zittern der Station tatsächlich mitfühlen.
    Reinhold Messner würde diese Berichte nicht kostenlos ins Netz stellen, er würde ein Buch daraus machen. Danke, dass wir das so miterleben dürfen.
    Bleibt alle gesund und lasst nichts anbrennen :-))
    Wieder viel Grüße aus der Schanz
    Otto

    1. Klaus Guba

      Hallo Otto,
      schön, wenn´s dir gefällt. Bin immer wieder froh, wenn ich ein paar positive Reaktionen bekomme.
      Viele Grüsse an alle Schanzer aus dem Eis,
      Klaus

  3. Werner Wildhirt

    Vielen Dank für Eure/Ihre Blogs. Spannend und informativ wie immer. Manchmal frage ich mich, was schlimmer für mich wäre: Wegen Corona und Hitzewellen oder wegen eines Orkans nicht vor die Tür gehen zu können. Ihr gebt mir Lebensmut. In Freundschaft Werner Wildhirt.
    P.S. Das mit Eurem Wasserrohrbruch tut mir sehr leid. Bei mir lief nach so einem Unglück dann wochenlang das Trockneraggregat. Glück im Unglück: Kein Grauwasser.

    1. Klaus Guba

      Hallo Werner,
      Danke für das Mitgefühl … das Malheur war aber gut zu handeln. Das Trockneraggregat leif aber im Ziwschendeck auch bei uns ein paar Tage.
      Viele Grüsse,
      Klaus

  4. Reiner Gerke

    Danke für den schönen Bericht und die herrliche Fotos von der Morgendämmerung, Jetzt ist die Anzahl der Tage bis zum ersten Sonnenaufgang nach der Polarnacht schon übersichtlich. Die Fotos von den Dacharbeiten erinnern mich an Bilder von Edward Hopper, die oft die Einsamkeit darstellen, wie z.B. Night Hawks. Aber die Morgendämmerung, wo die Kälte und Abgeschiedenheit sehr spürbar sind, beinhalten auch die Ankündigung von mehr Licht und mehr Wärme, und einer tiefen Sehnsucht.
    Eine schöne Zeit Euch Allen
    Reiner Gerke

    1. Klaus Guba

      Hallo Reiner,
      Danke für den sehr schönen Kommentar. Kann mich deinen Worten nur anschliessen …
      Viele Grüsse,
      Klaus

  5. Ralf Debatin

    Hallo Klaus,uns hat dein Beitrag sehr gut gefallen ,der wieder mit tollen Fotos untermalt wurde.Macht weiter so und kommt gesund durch die Polarnacht.Es geht ja ab jetzt mit dem Tageslicht wieder aufwärts bei Euch.
    Viele Grüsse an Euch alle von hier aus Potsdam. Ralf Debatin

    1. Klaus Guba

      Hallo Ralf,
      Danke für die positive Kritik und die guten Wünsche. Noch 23 Tage bis zum ersten Sonnenaufgang …
      Viele Grüsse nach Potsdam,
      Klaus

  6. Jakob Liese-Held

    Hallo Her Guba,

    Wieder ganz toll geschrieben!!
    Vergangene Woche konnten wir die Antarktis ganz „nah“ sehen. Beim „Silbersalz-Festival“ (Halle/Saale) hing eine große Erdkugel in einer Kirche von der Decke. Tatsächlich war es ein mit NASA-Fotos beklebter Ballon.
    Für mich war die Darstellung vor allem deswegnen interessant, da wir durch den Blickwinkel nur die südliche Erdkugel gut sehen konnten. Auf Kartendarstellungen und gemeinen Globen ist der Süden halt einfach immer nur „unten“. Die Erde aber mal so zu sehen, dass die gesamte nördliche Halbkugel, und damit der bekanntere Teil, nicht sichtbar ist verändert doch die „Weltsicht“. ;-) Dabei habe ich aich Neumayer III gedacht.
    Sie sind wirklich verdammt weit weg…!

    Ihnen und Ihrem Team alles, alles Gute am heutigen Sommersonnenwende-Tag!

    1. Klaus Guba

      Hallo Hr. Liese-Held,
      Danke für den Kommentar mit der etwas anderen Weltsicht auf die nördliche Hemispäre … hat mir sehr gefallen.
      Viele Grüsse aus dem Süden,
      Klaus Guba

  7. Justine Schulz

    Hallo Klaus,

    Ich bin so beeindruckt von deinen unglaublich schönen Fotos und deinen bildhaften Beschreibungen vom Ewigen Eis, eurer Arbeit, den Pinguinen, dem himmlischen Farbspiel… und danke dir sehr für diese tollen Eindrücke.
    Ich hoffe dir/euch schlägt die momentane Dunkelheit nicht zu sehr auf‘s Gemüt und ihr seid Gut drauf.
    Du fehlst wahnsinnig, ich denk ganz oft an dich.
    Dann les ich immer deinen Blog und bin hellauf begeistert und freu mich wahnsinnig.
    Im OP ist die Musik übrigens schon sehr anders, seit du weg bist. Hin und wieder versuche ich Dir gerecht zu werden, aber… bin halt nicht der DJ…
    Lass bald wieder was von dir hören und passt auf euch auf.

    LG
    Justine

  8. Klaus Guba

    Servus Justine,
    freut mich sehr von dir zu lesen. Kann dich beruhigen, wir sind gut drauf, es läuft gut mit der Arbeit, keine schlimmeren Unfälle und die Dunkelheit ist gar nicht so schlimm. Eigentlich sogar richtig schön … wenn man weiss, dass die Sonne auch irgendwann wiederkommt. Dann kann man die Dunkelheit und die längeren Dämmerphasen um die Mittagszeit so richtig geniessen.
    Bzgl. der Musik … wir probieren uns morgen an „Just a little bit“ von Supertramp und „Hallelujah“ von Leonard Cohen. Leg´s mal im OP auf als Musikwunsch von mir aus der Antarktis … ;-)
    Liebe Grüsse an alle,
    Klaus

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