Zurück auf dem Meereis

Meteorologe Michael Koch beim Durchbohren des Meereises. Im Vordergrund das Messlot, mit der die Dicke des Eises bestimmt wird. (Foto: Katharina Naundorf)

Eine der fast ganzjährig durchgeführten wissenschaftlichen Projekte auf Neumayer ist die regelmäßige Vermessung der Dicke des Meereises. Diese Eisschicht bildet sich auf dem offenen Meer im Herbst und bleibt den ganzen Winter über geschlossen. Erst im Sommer bricht diese Eisdecke für einige Wochen und Monate vollständig oder zumindest teilweise, auf. Die Neumayer-Station III steht ja selbst auf einer großen Eisplatte, dem Ekström-Schelfeis, inmitten jener malerisch gelegenen Bucht, die diesem Blog seinen Namen gibt. Bis zur der Grenze, an der das Schelfeis auf das Meereis trifft, sind es von uns aus gesehen etwa 10 Kilometer und während große Teile dieser Grenze eine imposante Steilküste bilden, gibt es ganz in der Nähe der Pinguinkolonie einige flache Stellen, auf denen wir über eine Schneerampe aufs Meereis gelangen können.

Für das Betreten selbst gibt es sehr strenge Regeln, um die Sicherheit der Teilnehmer gewährleisten zu können, denn gerade jetzt im Winter ist eine schnelle Hilfe aus der Station kaum möglich. Dies fängt schon mit der Entscheidung durch die Stationsleitung an, ob das Meereis überhaupt betreten werden darf. Diese Entscheidung wird immer in Zusammenarbeit mit den Fachleuten in Bremerhaven gefällt. Über Tage und Wochen werden dazu Satellitenbilder ausgewertet und die Struktur der Oberfläche beobachtet, bis man sicher sein kann, dass die Eisdecke tatsächlich vollständig geschlossen ist und keine Bewegungen mehr stattfinden.

Immer mit dabei – die rote Rettungskiste auf einem Nansenschlitten. (Foto: Michael Koch)
Immer mit dabei – die rote Rettungskiste auf einem Nansenschlitten. (Foto: Michael Koch)

 

Der wichtigste Ausrüstungsgegenstand bei einer Exkursion auf das Meereis ist eine sogenannte Rettungskiste. Ein roter Metallbehälter, in welchem sich neben einem Zelt und Schlafsäcken auch ein Benzinkocher nebst Geschirr und Fertignahrung und ein Erste-Hilfe-Kasten sowie eine Bergausrüstung für die Bergung bei einem Spaltensturz befindet. Für zwei Personen ist dabei eine Rettungskiste vorgeschrieben. Befahren darf man das Eis nur mit Motorschlitten und natürlich auch niemals alleine, dass man sich möglichst warm anziehen sollte ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, die Fahrt zu den bis zu 20 Kilometern entfernten Messpunkten kann schon mal bis zu zwei Stunden dauern. Und ist keinesfalls so unproblematisch wie das vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag. Das Meereis ist nämlich keinesfalls glatt und eben, oftmals versperren aufgetürmte Eisschollen und zahlreiche Rillen, die sogenannten Sastrugis, den Weg und müssen dann weiträumig umfahren werden. Das gilt auch für die Eisberge, an denen wir auf unserem Weg vorbeikommen.

Der „Eisberg mit dem Loch“, wie er von unseren Vorgängern getauft wurde, ist seit zwei Jahren Gast in der Atkabucht (Foto: Andreas Müller)
Der „Eisberg mit dem Loch“, wie er von unseren Vorgängern getauft wurde,
ist seit zwei Jahren Gast in der Atkabucht (Foto: Andreas Müller)

Am Ziel angekommen, verläuft eine Messung immer nach dem gleichen Schema – der wissenschaftliche Leiter – in unserem Fall unser Meteorologe Michael, legt am Zielort einen Punkt fest, an dem zunächst die Schneedecke entfernt wird und dann mit einem speziellen Bohrer, welcher durch Segmente beliebig verlängert werden kann, ein Loch durch das Eis getrieben wird. Dann folgen Messungen der Luft- und Oberflächentemperatur, es werden Wasserproben genommen und sofern man nicht bereits auf dem blanken Eis steht, wird auch die Schneedicke gemessen. Und dann endlich auch die Dicke des Meereises mittels einem an einem Bandmaß angebrachtem Lot. Diese Prozedur wird dann an vier weiteren, an den vier Himmelsrichtungen ausgerichteten, Löchern wiederholt.

Neues Meereis unter einer dünnen Schneeschicht… (Foto: Michael Koch)
Neues Meereis unter einer dünnen Schneeschicht…
(Foto: Michael Koch)
…und etwas Älteres, für das wir uns schon mal durch über einen halben Meter Schnee graben dürfen. Der spezielle Eisbohrer kann durch ansteckbare Segmente beliebig verlängert werden. (Foto: Michael Koch)
…und etwas Älteres, für das wir uns schon mal durch über einen halben Meter Schnee
graben dürfen. Der spezielle Eisbohrer kann durch ansteckbare Segmente beliebig
verlängert werden. (Foto: Michael Koch)

Stets mit von der Partie sind auch die Kaiserpinguine, die sich nach einer Pause von zwei Monaten seit Ende April wieder in der Atkabucht einfinden, um hier über den Winter zu brüten und ihre Jungen aufzuziehen. Neugierig werden wir von ihnen beäugt und unsere Ausrüstung inspiziert, bevor es weiter in Richtung Kolonie geht.

Die Einheimischen schauen interessiert, aber auch etwas skeptisch, dem merkwürdigen Treiben zu. Aus (für die Tiere) sicherer Entfernung mit dem Teleobjektiv fotografiert. (Foto: Michael Koch)
Die Einheimischen schauen interessiert, aber auch etwas skeptisch,
dem merkwürdigen Treiben zu. Aus (für die Tiere) sicherer Entfernung mit dem Teleobjektiv fotografiert.
(Foto: Michael Koch)

Bisher haben wir zwei solcher Meereismessungen an insgesamt drei Standorten durchgeführt. Die dabei erfassten Dicken reichen von 90cm bis über 4 Meter, wobei es sich bei letzterem noch um ältere Schichten vom letzten Jahr handeln dürfte. Dafür spricht auch, dass wir uns an diesen Stellen erst einmal bis zu 80cm tief durch den Schnee graben mussten, bevor wir auf das eigentliche Eis gestoßen sind, bei Temperaturen bis -35 Grad und nur noch wenigen Stunden Tageslicht eine echte Herausforderung. Im Gegenzug für den Aufwand und die Mühe entschädigt so eine Fahrt die Teilnehmer mit fantastischen Ausblicken auf die Eisberge in der Bucht und das immer wieder wechselnde Farbenspiel der nur noch knapp über dem Horizont stehenden Sonne verleiht der Szenerie ihren ganz eigenen Zauber.

Kurz vor der Polarnacht streift die Sonne nur noch ganz dicht über dem Horizont (Foto: Andreas Müller)
Kurz vor der Polarnacht streift die Sonne nur noch ganz dicht über dem Horizont
(Foto: Andreas Müller)

Das Foto ist schon vor einigen Wochen aufgenommen worden. Mittlerweile haben wir Polarnacht und die Sonne steigt nicht mehr über den Horizont. In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni ist dann Midwinter: die längste Nacht des Jahres.

Leser:innenkommentare (5)

  1. Stapelfeld

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Blog.Ich bin sehr interessiert an der Arktis…Spitzbergen habe ich im Jahr 2012 bereist .Mich fasziniert das Licht , die Sonne, die Dunkelheit und Eis und Schnee und die Tierwelt.
    Reisen in die Antarktis sind leider sehr kostspielig und daher freue ich mich sehr über den Blog.
    Vielen Dank und Grüße aus Hamburg
    Karin Stapelfeld

  2. Jana

    Hallo,
    Super interessante Beiträge! Ich musste für Geografie ein Referat über die Station halten und es hat mich so sehr interressiert dass ich immer weitergelesen und gesucht habe :) Mein Lehrer hatte auch nichts negatives über mein Referat gesagt sondern nur eine Frage: Wie werden eure Fahrzeuge betrieben? Ich hoffe auf ein baldige Antwort
    Lg aus Bayern

  3. Jonas

    Hallo liebe Antarktisforscher,

    ich heiße Jonas und bin 9 Jahre alt. Ich interessiere mich sehr für die Antarktis und mache in der Schule darüber ein Referat. Pinguine sind meine Lieblingstiere. Ich habe natürlich viele Fragen zu der Antarktis an euch.
    Was macht ihr eigentlich, wenn Schneesturm ist und ihr nicht nach draußen könnt? Im Fernsehen habe ich mitbekommen, dass auf einer Polarstation Hühnereier ganz lang halten. Wie ist das bei euch? In welcher Zeitzone seid ihr eigentlich? Ich habe ja gelesen, dass es in der Antarktis alle Zeitzonen gibt.
    Ich freue mich schon auf eure Antwort.

    Jonas

    1. Andreas Müller

      Hallo lieber Jonas,
      ich bitte um Entschuldigung, dass Du erst jetzt Antwort erhältst! Es freut uns sehr dass Du Dich für die Antarktis interessierst, und Deine Leidenschaft für Pinguine können wir unbedingt teilen – tolle Tiere, es macht sehr viel Spaß sie zu beobachten, wie sich sich vor Kälte und Sturm schützen, und ihre Jungen aufziehen. Wenn es hier sehr stürmisch ist, was vor allem in der zweiten Jahreshälfte oft der Fall war, gibt es auch in der Station viel zu tun, Daten werden ausgewertet, die Techniker sorgen täglich dafür, dass wir Wärme, Licht, und Wasser haben, und natürlich versorgt uns die Küche mit leckerem Essen. Und in unserer Freizeit haben wir vielfältige Möglichkeiten, von gemeinsamen Fernseh- und Spieleabenden bis zum täglichen Sport, in der Gruppe oder alleine im Sportraum Und auch gebastelt wird fleißig, aus Holzresten entstehen Figuren und kleine Möbel.

      Hühnereier halten sich hier übrigens das ganze Jahr, wir haben hier zwei große Kühlhäuser, die ständig auf +5 und -20 Grad Celsius gehalten werden, und neben Eiern auch all die vielen anderen Lebensmittel, welche Kühlung brauchen, lange frisch halten. So können wir auch im Winter lecker essen, und nicht nur Nudeln oder Dosengerichte. Wobei Pizza und Spaghetti auch bei den Überwinterern zu den Lieblingsspeisen gehören.

      Was unsere Zeitzone angeht, auf der Station leben wir nach Weltzeit (UTC), das bedeutet, es ist bei uns jetzt eine Stunde früher als bei Dir, während der Sommerzeit in Deutschland zwei Stunden. Und es ist gerade rund um die Uhr hell, weil die Sonne bis Anfang Februar nicht untergeht. Ganz schön merkwürdig, wenn man selbst um Mitternacht noch draußen ohne eine Taschenlampe spazieren gehen kann.

      Viele Grüße aus der Atkabucht von allen Überwinterern!

      Andreas, Funk/IT

  4. Christian Rosenbichler

    Hallo an die Forscher der Antarktis. Neumayer III.Station.Hab im TV eine Beitrag über diese Station u.Euch gesehn.Ich finde es toll.Danke für eure Arbeit die Ihr dort macht für die Menschheit.Würde gerne die Antarktis selbst sehn.mfg.Rosenbichler Christian, Graz,Austria…Alles Gute Euch👍

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