Gerade mal vier Wochen ist es her, seit wir nun hier auf Neumayer-III alleine unter uns sind, und wir sind sehr stolz darauf eine kleine Sensation hier im Atka-Express verkünden zu dürfen. Vor einigen Wochen wurde bei der Installation eines neuen portablen Seismometers, zehn Kilometer nördlich der Station, ein Objekt in einigen hundert Metern Entfernung über dem Eis gesichtet, und jetzt, nach Abstimmung mit dem Institut in Bremerhaven, einer ersten Untersuchung unterzogen. Wie sich herausstellte, handelt es sich dabei um den Notausstieg auf einem der Treppentürme zur ersten deutschen Antarktisstation, Georg von Neumayer, welche 1980/81 in der Atkabucht errichtet, und 1993 durch die fünf Kilometer weiter südlich errichtete Neumayer-Station II ersetzt wurde. Beide Stationen waren als Doppelröhrensysteme angelegt, die im Laufe der Zeit durch den jährlichen Schneezutrag immer tiefer im Eis versanken (zuletzt 15 Meter unter der Oberfläche).

Sichtung des Objektes (Foto: Andreas Müller)

Erste, durch Seilschaft gesicherte Untersuchung des Schachtes durch Geophysikerin Josefine Stakemann (Foto: Andreas Müller)
Als Grund dafür, dass die Station jetzt 25 Jahre nach ihrer Außerdienststellung trotzdem wieder langsam an die Oberfläche zu kommen scheint, vermuten Wissenschaftler unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten des Eises in der Nähe der Schelfeiskante, die an dieser Stelle durchschnittlich nur noch weniger als zwei Kilometer entfernt ist. Eine weitere wichtige Ursache dürfte auch die derzeitige Lage in der Nähe der nach ihrem Entdecker benannten Launingkante sein, einer großen, fast rechtwinkligen Einbuchtung im Schelfeis, welche bis vor einigen Jahren durch einen mittlerweile wieder abgelösten Eisberg ausgefüllt wurde. Dieser hat möglicherweise den Fluss des Eises an dieser Stelle beeinflusst, was zu einer besonders starken Verjüngung des bis zu 200 Meter starken Schelfeises geführt hat.

Fundort der Georg v. Neumayer Station (Karte Matthias Maasch)
Generell werden solche Gebiete aus Sicherheitsgründen nur relativ selten befahren, was auch der Grund dafür ist, dass der Schacht erst jetzt entdeckt wurde. Für das Anlegen der seismologischen Messstelle wurde deshalb mittels eines seit vergangenem Sommer an der Neumayer-Station III im Einsatz befindlichen mobilen Bodenradars vorher eine sichere Trasse ausgemessen. Dieses Radar kam dann auch im Zuge der weiteren Untersuchungen des Untergrundes um die Fundstelle zum Einsatz, und konnte tatsächlich die Konturen der Wohn- und Arbeitsröhren in circa 12 bis 15 Metern Tiefe ausmachen.

Ost- und Weströhre auf dem Bodenradar
Dass die Röhren jemals wieder betreten werden können, ist aber unwahrscheinlich. Die Stahlwände des jetzt freigelegten Schachtes weisen starke Deformationen auf, welche weitere Untersuchungen schon alleine aus Sicherheitsgründen unmöglich machen. Außerdem gilt die Georg-von-Neumayer-Station unter diesen Bedingungen als historische Stätte, für die der Antarktisvertrag besondere Regelungen vorhält. Immerhin ist ja nun auch nicht auszuschließen, dass auch der zweite Treppenturm und vielleicht sogar die Stahlröhren in einigen Jahren ebenfalls zum Vorschein kommen.
Harald
Eine echte Sensation. Hoffentlich sind dort keine Dinge aus einer anderen Welt eingezogen, die an jedem erstem 1. April aus dem Eis auftauchen :-)
Rolf
Gratulation zu dieser besonderen Fundsache, wirklich gut gefunden!
Es darf ein Wunder der Natur genannt werden dass die Kräfte des Eises aus dem runden Einstieg (s. z.B. s/w Foto im AtkaExpress 2/1993; ich verfolge die Entwicklungen in der Antarktis schon länger) ein fast perfektes Quadrat geformt haben. So sieht man wieder einmal: die Natur liebt und bevorzugt eben immer wieder die symmetrischen Formen. Dieser Fund wird nicht nur in der Archäologie der Antarktis noch eine große Rolle spielen!
Auch Agamemnon’s Badewanne, von Homer als rundes Becken beschrieben, wurde von Heinrich Schliemann in eckiger Form wieder entdeckt. Ihr seid einer großen Sache auf der Spur, soviel ist sicher. Bleibt dran, aber seid bitte vorsichtig: what comes up will go down.
Andreas Müller
Hallo Rolf,
ja, die Antarktis ist in jeder Hinsicht „magisch“ – Danke für den kleinen und informativen Abstecher in die geometrische Archäologie, wir sind also nicht die Einizigen, die dieses Phänomen beobachten durften ;-) Und wir bleiben natürlich vorsichtig :-)
Viele osterliche Grüße aus der Atkabucht,
Andreas, Funk/IT ÜWI 2019
Doris Meyer
Hallo Fine! Ich bin eine „alte Freundin“ von Deinen Eltern und Adelheid und habe heute Abend eine Doku über die Antarktis auf Arte gesehen und dachte, dass das ein schöner Grund ist, ein paar Grüße Richtung Südpol zu senden!!!
Ich bin in Göttingen und habe eigentlich stetigen Kontakt mit Adelheid und bin in Gedanken oft bei eurer nicht ganz so kleinen Familie. Vor gaaanz vielen Jahren hat mich dein Opa bei der Konfirmation von Broder noch als ’siebtes Kind‘ bezeichnet… Wie gesagt, vor gaaanz vielen Jahren… Also eigentlich wollte ich ja nur ein paar Grüße senden und nicht groß rumschwafeln, die Bilder der französischen Kollegen waren auf jeden Fall beeindruckend und Pinguine stehen bei meiner Familie sowieso hoch im Kurs… Wünsche einen suuuper Aufenthalt dort im Süden und viel Erfolg!!!
Liebe Grüße von Doris (aus Göttingen bzw. Großburgwedel)
Stefan Christmann
Die Launingkante – spannend! Und sehr nette Erklärung. Wie hat sich die Kante denn im letzten Jahr entwickelt?
Cheers, Stefan
Elisabeth Schlosser
cooler beitrag, aber naechstes Jahr den Maerz besser zum Recherchieren nutzen: GvN hatte nur einen Treppenturm, und der hatte keinen Notausstieg, der aussah, wie der Eingang zu einem geophysikalischen Obs.. ;-)
Ich wuensch Euch was, viele Polarlichter und wenig Drift!!!
lg
Elisabeth alias Lisl , ÜWI 1990
Andreas
Hallo Lisl ,
toll wer sich hier alles meldet, vielen Dank für Deinen Kommentar und die lieben Wünsche! Habe gleich mal auf Euer Gruppenbild in der Galerie geschaut, ein runder Einstieg wäre mir auch lieber gewesen, aber irgendwie haben die hier auf NM3 alles eckig gebaut :-)
Liebe Grüße zurück,
Andreas, Funk/IT ÜWI 2019
Gold
Liebe Grüße an die Antarktis.
Toller Blog. Vielleicht wäre es möglich, dass ihr mal das Innere der Station vorstellt, denn es würde mich doch sehr interessieren, wie es den im Inneren ausschaut.
Lg
(KEIN Aprilscherz!)
Andreas
Danke für die Anregung, auch unsere Medienabteilung meinte, dass dies eine gute Idee wäre. Nehmen wir gerne in unsere Liste für künftige Blogeinträge auf.
Viele Grüße aus der stürmischen Atkabucht,
Andreas, Funker/IT ÜWI 2019
Joachim Paul
Zum Bau der ersten Antarktis-Station 1981 habe ich eine Satellitenanlage für diesen Einsatz vorbereitet.
Einige Details sind unter http://www.seefunk-gmdss.de anzusehen. Später habe ich das erste Bildübertragungssystem via Satellit mit einer Gegenstelle am AWI entwickelt. Bei der ersten Indischen Antarktis-Station war ich der Projektleiter.
In Goa/Indien wurde der ganze Lieferumfang aufgebaut, danach habe ich die Crew daran geschult. Für die Italienische Antarktis-Station habe ich ein spezielles Datenübertragungssystem entwickelt und die Teilnehmer der Überwinterung daran geschult. Bin gespannt ob hier noch jemand antwortet. Eine Amateurfunk Satellitenstation ist auf dem Wege. Denke, dass Felix sie installieren und in Betrieb nehmen wird. Viele Grüße Joachim DJ7WL
privat
Hallo, das ist ja krass!
Gibt es auch Fotos, wie die Forschungsstation von außen aus sah?
Würde mich nämlich echt interessieren, ich halte nämlich eine GFS in der Schule über die Antarktis/ Neumayerstation III.
Liebe Grüße