Georg-von-Neumayer-Station wiederentdeckt!

Sichtung des Objektes (Foto: Andreas Müller)
Sichtung des Objektes (Foto: Andreas Müller)

Gerade mal vier Wochen ist es her, seit wir nun hier auf Neumayer-III alleine unter uns sind, und wir sind sehr stolz darauf eine kleine Sensation hier im Atka-Express verkünden zu dürfen. Vor einigen Wochen wurde bei der Installation eines neuen portablen Seismometers, zehn Kilometer nördlich der Station, ein Objekt in einigen hundert Metern Entfernung über dem Eis gesichtet, und jetzt, nach Abstimmung mit dem Institut in Bremerhaven, einer ersten Untersuchung unterzogen. Wie sich herausstellte, handelt es sich dabei um den Notausstieg auf einem der Treppentürme zur ersten deutschen Antarktisstation, Georg von Neumayer, welche 1980/81 in der Atkabucht errichtet, und 1993 durch die fünf Kilometer weiter südlich errichtete Neumayer-Station II ersetzt wurde. Beide Stationen waren als Doppelröhrensysteme angelegt, die im Laufe der Zeit durch den jährlichen Schneezutrag immer tiefer im Eis versanken (zuletzt 15 Meter unter der Oberfläche).

Sichtung des Objektes (Foto: Andreas Müller)
Sichtung des Objektes (Foto: Andreas Müller)
Erste, durch Seilschaft gesicherte Untersuchung des Schachtes durch Geophysikerin Josefine Stakemann (Foto: Andreas Müller)
Erste, durch Seilschaft gesicherte Untersuchung des Schachtes durch Geophysikerin Josefine Stakemann (Foto: Andreas Müller)

Als Grund dafür, dass die Station jetzt 25 Jahre nach ihrer Außerdienststellung trotzdem wieder langsam an die Oberfläche zu kommen scheint, vermuten Wissenschaftler unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten des Eises in der Nähe der Schelfeiskante, die an dieser Stelle durchschnittlich nur noch weniger als zwei Kilometer entfernt ist.  Eine weitere wichtige Ursache dürfte auch die derzeitige Lage in der Nähe der nach ihrem Entdecker benannten Launingkante sein, einer großen, fast rechtwinkligen Einbuchtung im Schelfeis, welche bis vor einigen Jahren durch einen mittlerweile wieder abgelösten Eisberg ausgefüllt wurde. Dieser hat möglicherweise den Fluss des Eises an dieser Stelle beeinflusst, was zu einer besonders starken Verjüngung des bis zu 200 Meter starken Schelfeises geführt hat.

Fundort der Georg v. Neumayer Station (Karte Matthias Maasch)
Fundort der Georg v. Neumayer Station (Karte Matthias Maasch)

Generell werden solche Gebiete aus Sicherheitsgründen nur relativ selten befahren, was auch der Grund dafür ist, dass der Schacht erst jetzt entdeckt wurde. Für das Anlegen der seismologischen Messstelle wurde deshalb mittels eines seit vergangenem Sommer an der Neumayer-Station III im Einsatz befindlichen mobilen Bodenradars vorher eine sichere Trasse ausgemessen. Dieses Radar kam dann auch im Zuge der weiteren Untersuchungen des Untergrundes um die Fundstelle zum Einsatz, und konnte tatsächlich die Konturen der Wohn- und Arbeitsröhren in circa 12 bis 15 Metern Tiefe ausmachen.

Ost- und Weströhre auf dem Bodenradar
Ost- und Weströhre auf dem Bodenradar

Dass die Röhren jemals wieder betreten werden können, ist aber unwahrscheinlich. Die Stahlwände des jetzt freigelegten Schachtes weisen starke Deformationen auf, welche weitere Untersuchungen schon alleine aus Sicherheitsgründen unmöglich machen. Außerdem gilt die Georg-von-Neumayer-Station unter diesen Bedingungen als historische Stätte, für die der Antarktisvertrag besondere Regelungen vorhält. Immerhin ist ja nun auch nicht auszuschließen, dass auch der zweite Treppenturm und vielleicht sogar die Stahlröhren in einigen Jahren ebenfalls zum Vorschein kommen.

Leser:innenkommentare (13)

  1. Harald

    Eine echte Sensation. Hoffentlich sind dort keine Dinge aus einer anderen Welt eingezogen, die an jedem erstem 1. April aus dem Eis auftauchen :-)

  2. Rolf

    Gratulation zu dieser besonderen Fundsache, wirklich gut gefunden!

    Es darf ein Wunder der Natur genannt werden dass die Kräfte des Eises aus dem runden Einstieg (s. z.B. s/w Foto im AtkaExpress 2/1993; ich verfolge die Entwicklungen in der Antarktis schon länger) ein fast perfektes Quadrat geformt haben. So sieht man wieder einmal: die Natur liebt und bevorzugt eben immer wieder die symmetrischen Formen. Dieser Fund wird nicht nur in der Archäologie der Antarktis noch eine große Rolle spielen!
    Auch Agamemnon’s Badewanne, von Homer als rundes Becken beschrieben, wurde von Heinrich Schliemann in eckiger Form wieder entdeckt. Ihr seid einer großen Sache auf der Spur, soviel ist sicher. Bleibt dran, aber seid bitte vorsichtig: what comes up will go down.

    1. Andreas Müller

      Hallo Rolf,
      ja, die Antarktis ist in jeder Hinsicht „magisch“ – Danke für den kleinen und informativen Abstecher in die geometrische Archäologie, wir sind also nicht die Einizigen, die dieses Phänomen beobachten durften ;-) Und wir bleiben natürlich vorsichtig :-)

      Viele osterliche Grüße aus der Atkabucht,
      Andreas, Funk/IT ÜWI 2019

  3. Doris Meyer

    Hallo Fine! Ich bin eine „alte Freundin“ von Deinen Eltern und Adelheid und habe heute Abend eine Doku über die Antarktis auf Arte gesehen und dachte, dass das ein schöner Grund ist, ein paar Grüße Richtung Südpol zu senden!!!
    Ich bin in Göttingen und habe eigentlich stetigen Kontakt mit Adelheid und bin in Gedanken oft bei eurer nicht ganz so kleinen Familie. Vor gaaanz vielen Jahren hat mich dein Opa bei der Konfirmation von Broder noch als ’siebtes Kind‘ bezeichnet… Wie gesagt, vor gaaanz vielen Jahren… Also eigentlich wollte ich ja nur ein paar Grüße senden und nicht groß rumschwafeln, die Bilder der französischen Kollegen waren auf jeden Fall beeindruckend und Pinguine stehen bei meiner Familie sowieso hoch im Kurs… Wünsche einen suuuper Aufenthalt dort im Süden und viel Erfolg!!!
    Liebe Grüße von Doris (aus Göttingen bzw. Großburgwedel)

  4. Stefan Christmann

    Die Launingkante – spannend! Und sehr nette Erklärung. Wie hat sich die Kante denn im letzten Jahr entwickelt?
    Cheers, Stefan

  5. Elisabeth Schlosser

    cooler beitrag, aber naechstes Jahr den Maerz besser zum Recherchieren nutzen: GvN hatte nur einen Treppenturm, und der hatte keinen Notausstieg, der aussah, wie der Eingang zu einem geophysikalischen Obs.. ;-)

    Ich wuensch Euch was, viele Polarlichter und wenig Drift!!!

    lg

    Elisabeth alias Lisl , ÜWI 1990

    1. Andreas

      Hallo Lisl ,
      toll wer sich hier alles meldet, vielen Dank für Deinen Kommentar und die lieben Wünsche! Habe gleich mal auf Euer Gruppenbild in der Galerie geschaut, ein runder Einstieg wäre mir auch lieber gewesen, aber irgendwie haben die hier auf NM3 alles eckig gebaut :-)

      Liebe Grüße zurück,
      Andreas, Funk/IT ÜWI 2019

  6. Gold

    Liebe Grüße an die Antarktis.
    Toller Blog. Vielleicht wäre es möglich, dass ihr mal das Innere der Station vorstellt, denn es würde mich doch sehr interessieren, wie es den im Inneren ausschaut.
    Lg
    (KEIN Aprilscherz!)

    1. Andreas

      Danke für die Anregung, auch unsere Medienabteilung meinte, dass dies eine gute Idee wäre. Nehmen wir gerne in unsere Liste für künftige Blogeinträge auf.

      Viele Grüße aus der stürmischen Atkabucht,
      Andreas, Funker/IT ÜWI 2019

  7. Joachim Paul

    Zum Bau der ersten Antarktis-Station 1981 habe ich eine Satellitenanlage für diesen Einsatz vorbereitet.
    Einige Details sind unter http://www.seefunk-gmdss.de anzusehen. Später habe ich das erste Bildübertragungssystem via Satellit mit einer Gegenstelle am AWI entwickelt. Bei der ersten Indischen Antarktis-Station war ich der Projektleiter.
    In Goa/Indien wurde der ganze Lieferumfang aufgebaut, danach habe ich die Crew daran geschult. Für die Italienische Antarktis-Station habe ich ein spezielles Datenübertragungssystem entwickelt und die Teilnehmer der Überwinterung daran geschult. Bin gespannt ob hier noch jemand antwortet. Eine Amateurfunk Satellitenstation ist auf dem Wege. Denke, dass Felix sie installieren und in Betrieb nehmen wird. Viele Grüße Joachim DJ7WL

  8. privat

    Hallo, das ist ja krass!
    Gibt es auch Fotos, wie die Forschungsstation von außen aus sah?
    Würde mich nämlich echt interessieren, ich halte nämlich eine GFS in der Schule über die Antarktis/ Neumayerstation III.
    Liebe Grüße

  9. Gerhard Stüting

    Liebe Antarktis-Forscher und -Freunde,
    als ich die Nachricht von der Entdeckung des ‚alten‘ Notausstiegs der GvN-Station I las, kamen mir viele Erinnerungen ins Bewusstsein. Denn ich war 1980/81 beim Bau der Station dabei – nicht als Wissenschaftler oder Techniker, sondern als NDR-Wissenschaftsredakteur, Autor und Regisseur, um den Bau der Station und erste wissenschaftliche Erkundungen der Umgebung in Fernsehdokumentationen, für Nachrichten im Rundfunk und für die dpa sozusagen ‚festzuhalten‘. U.a. entstanden zwei 45-Minuten Sendungen und etliche Kurzbeiträge für diverse Magazine der ARD-Programme. Nicht zu vergessen dabei ist noch eine dritte Dokumentation, die zeitgleich unter meiner ‚langen Leine‘ an Bord der ‚FS Meteor‘ im Bereich Feuerland-Antarktische Halbinsel von einem Kamerateam gedreht wurde. Nach wie vor bin ich immer noch dem AWI, dem BMFT und meiner Direktion dankbar, dass ich diese Chance damals bekam, und die drei langen Filme als Kopien allen Landesbildstellen für Schulen zur Verfügung gestellt wurden. Als kleines Sahnehäubchen habe ich dann noch dank einer Kooperation mit dem Auslandsdienst der Deutschen Welle unser Filmmaterial zu einer international verbreiteten Serie über den Neubeginn unserer wichtigen Antarktisforschung verarbeiten können.
    Mein Dank gilt aber auch immer noch allen Wissenschaftlern, Technikern und den Schiffsbesatzungen (Polarsirkel, Wotan, Gotland, Meteor) für ihre große Unterstützung vor Ort, und nicht zuletzt für die Akzeptanz und den Respekt, den wir als Beobachter (und oft auch Schneeschaufler) erfahren konnten.
    Wenn ich heute, als längst pensionierter Programmacher, mir ab und zu Kopien dieser 16mm-Filme mit Produktionen aus jüngerer Zeit vergleiche, wünsche ich mir jedesmal, dass wir schon damals über die leichten und qualitativ erheblich besseren Video-Equipments verfügt hätten.
    Aber inhaltlich und atmosphärisch betrachte ich diese Filme eben nicht rein technisch, sondern als das, was sie sind: historische Zeugnisse mit technischen, wissenschaftlichen und umgebungsspezifischen Details. Vielleicht werden sie hier und da noch einmal gezeigt, und verschwinden nicht für immer im Archiv – so wie ‚unser‘ altes Röhrenbauwerk.

    Herzliche Grüße an alle heutigen aktiven und passiven Polarforscher und -interessenten.

  10. Guido

    Bin eben erst über diesen Beitrag gestolpert und finde ihn sehr spannend. Leider scheint es sehr schwer zu sein an Fotos (oder gar Filmmaterial) zu der GvN oder Neumayer II heranzukommen. Kann mir da vielleicht jemand einen Tipp geben? Vor allem Fotos vom Aufbau würden mich brennend interessieren.
    Vielen Dank schon mal und weiterhin alles Gute!!

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