Liebe Leserinnen und Leser,
wir möchten in diesem Blogbeitrag über die Vorbereitungen auf die Saison und die logistische Herausforderung berichten, welche notwendig sind, um das Arbeiten in der Antarktis möglich zu machen.

Eine Übersicht über alle Forschungsstationen in der Antarktis. Quelle: COMNAP
Normalerweise beginnt die Saison erst Mitte November, aber für dieses Jahr wurde die Ankunft der ersten Gäste sehr früh eingeplant, da umfangreiche logistische Vorbereitung für verschiedene Forschungsprojekte notwendig sind. Es sind mehrere Projekte in weit entfernte Gebiete (757 km bis zur Kohnen-Station und von dort aus und noch 1000 km weiter) geplant und mit den Bullys sollen die Ausrüstung und die Menschen dorthin transportiert werden. Da in diesem Jahr mehr Traversen als gewöhnlich und vor allem gleichzeitig stattfinden sollen, muss auch die Ausrüstung dafür bereit gestellt werden. Es werden mehr Leute herkommen und deshalb braucht man auch mehr Lebensmittel, Betten, eine weitere medizinische Notfallausrüstung, mehr von allem. Das hatte zur Folge, dass Passagiere und Ausrüstung für die Neumayer-Station bereits mit dem ersten Flug der Iljushin in die Antarktis mitgenommen wurden.
Die kleinen Flugzeuge, eine DHC-6 Twin Otter und eine Basler-BT 67, haben den Weg von Kanada in die Antarktis bereits hinter sich. Der Flug von Kanada die Küste des amerikanischen Kontinents entlang hinunter bis nach Rothera, eine Forschungsstation des Bristish Antarctic Survey auf der der Antarktischen Halbinsel vorgelagerten Adelaideinsel, hat dieses Jahr nur sieben Tage gedauert. Von dort aus flogen sie weiter über das Wedellmeer nach Halley, einer weiteren Station des Bristish Antarctic Survey, welche circa 800 Kilometer westlich der Neumayer-Station III gelegen ist. Aufgrund des schlechten Wetters an Novolazarevskaya (kurz Novo), konnten die Piloten nicht weiterfliegen und haben dort einige Tage mit Warten verbracht.
Ihr Ziel ist Novo, eine grosse russische Forschungsstation. Die Russen unterhalten dort einen Flugplatz mit einer Flugpiste aus Eis, auf der auch grosse und schwere Maschinen wie die Iljushin IL 76 TD, eine russische Transportmaschine, landen können. Novo ist wegen seiner Eispiste einer von zwei Flugplätzen im Dronning Maud Land, der von Kapstadt aus angeflogen werden kann. Und von dort aus werden Mensch und Material mit der DHC-6 Twin Otter oder der Lidia vom Typ Basler BT-67 zu den Forschungsstationen geflogen oder mit einer der beiden AWI-Flugzeuge, der Polar 5 oder 6 (ebenfalls vom Typ Basler BT-67). Der Ausweichflugplatz ist Troll, eine norwegische Station, welche ebenfalls eine Eispiste unterhält. Damit der Weg zur Novo-Station nicht mehr so weit ist, waren die Piloten am 22.10. nach Neumayer geflogen und warteten nun hier anstatt auf Halley auf besseres Wetter.
Im Oktober ist Frühjahr hier in der Antarktis und dieser Monat ist gewöhnlicher Weise sehr stürmisch. Man möchte die Saison gerne immer früher beginnen lassen, um noch mehr forschen zu können, was aber wegen Wind und Wetter nicht geht. In diesem Jahr war die erste Landung der Iljushin eine Woche früher als im Jahr davor eingeplant. Wegen des Sturms an Novo mit Windgeschwindigkeiten bis zu 60 Knoten kam die Maschine aber mit einen Tag Verspätung an.
Jetzt werden bereits zweimal am Tag Wetterprognosen von unserem Forecaster vom Deutschen Wetterdienst (DWD) erstellt, das sogenannte Flugwetter. Er befindet sich schon in Kapstadt und arbeitet von dort aus, bis er mit dem dritten Flug in die Antarktis kommen und dann bis zum Ende der Saison auf der Neumayer-Station III bleiben wird.

Der Skiway an Neumayer: Foto: Linda Duncker
Wir Überwinterer hatten auch einiges zu tun, um die Station auf die Sommersaison vorzubereiten. Dazu gehört zum Beispiel das Präparieren des Flugfeldes. Durch Winterstürme gebildete Schneeverwehungen, so genannte Sastrugis, müssen entfernt und die Schneeoberfläche eingeebnet werden.
Das erfolgt mit Hilfe von Pistenbullys, in der gleichen Weise wie auch Skipisten präpariert werden. Als ersten Schritt werden in Längsrichtung mit dem Bully Bahnen über das Flugfeld gefahren und so werden mit dem Schild die Spitzen von den Verwehungen abgeschnitten und die Täler aufgefüllt. Die Ketten lockern die Schneeoberfläche auf. Dies macht man an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen.
Wenn die Oberfläche so weit eben ist, dass keine größeren Erhöhungen bzw. Vertiefungen mehr vorhanden sind, erfolgt der Feinschliff. Dabei kommt eine Fräse zum Einsatz, welche hinten am Bully angebaut wird. Die Fräse mahlt den Schnee, zieht ihn anschließend glatt und hinterlässt dadurch ein sehr gleichmäßiges Bild.
Das Fräsen mit dem Bully wird auch in der Sommersaison öfters wiederholt, da sich auch dann durch die Schneedrift wieder Verwehungen ansammeln.
Danach wurden die Flugfeldflaggen gesteckt. Die Flaggen werden von den Piloten beim Landen benötigt, damit die seitlichen Begrenzungen des Flugfeldes besser sichtbar sind. Theoretisch könnten sie auch auf unpräpariertem Schelfeis landen. Dabei besteht aber das Risiko, dass ein Flugzeug beschädigt wird. Sastrugis können auch mal ein Meter hoch werden. Es wurden neue GPS-Punkte von den Ecken des Flugfeldes genommen und in ein Dokument eingeflochten, welches die Piloten online einsehen können.

Die kanadischen Piloten; Foto: Linda Duncker
Nun konnten die Piloten kommen. Nachdem sie gelandet waren, mussten die Flugzeuge noch entladen, die Propeller festgezurrt und Bremsen an den Skis angebracht werden. Dann mussten sie unerfreulicherweise und total unproduktiv wegen eines Sturms mehrere Tage bei uns warten ;-). Sobald das Wetter es zuliess, gab es kein Halten mehr, denn vor dem Abflug gab es auch noch einiges zu tun. Die Flugzeuge mussten aus metertiefen Schneeverwehungen ausgebuddelt und warmgelaufen werden. Und dann ging es los!
Alles hat gut geklappt. Der Flug der Iljushin von Kapstadt in die Antarktis wurde nur um einen Tag verschoben und auch die Basler BT-67 konnte am gleichen Tag wieder starten, um die ersten Sommergäste zu uns zu bringen. Sie sind nun da – die ersten vier Sommergäste! Manchmal müssen die Fluggäste allerdings auch mal eine Woche auf der Novo-Station wegen schlechten Wetters warten bevor sie weiterfliegen können. Im vergangenen Jahr zu Beispiel hatte sich die Ankunft der Gäste fast zwei Wochen verschoben. Damit muss man eben leben, wenn man sich in die Wildnis begibt.
Mit den Fliegern ist außer Ausrüstung auch das erste frische Obst und Gemüse gekommen. Da wir seit August nichts Frisches mehr vorrätig hatten, haben wir uns entsprechend gefreut.
Unsere Überwinterung ist nun seit der Ankunft der ersten Piloten und Sommergäste beendet.
Viele Grüsse
Eure Neumayer-Überwinterer
Eva
Wunderschöne Bilder. Vielen Dank fürs Teilen! Etwas das hier nicht erwähnt wird … wie landen diese Flugzeuge? haben die Reifen „spikes“? Danke :-)
Linda Duncker
Hallo Eva,
die Twin Otter hat Ski und die Lidia Räder, worunter Ski angebracht wurden. Das um auf Schnee und Eis landen zu können.
Liebe Grüsse
Linda
Michael Kievelitz
Hallo ihr da „unten“,
auf den Eisbedeckungskarten kann man sehen, dass schon ungewöhnlich viel Meereis geschmolzen ist. Habt ihr wettertechnisch auch bei euch Abweichungen zu den Mittelwerten bemerkt?
Grüße aus dem milden Rheinland
Linda Duncker
„Hallo Michael,
dieses Jahr hatten wir an Neumayer besonders viele Stürme. Durch die feuchten und warmen Luftmassen der Tiefdruckgebiete liegt die Jahresdurchschnittstemperatur in diesem Jahr (November und Dezember noch nicht eingerechnet) über unseren Mittelwert der letzten 35 Jahre. Dennoch lässt sich an Neumayer bisher kein genereller Temperaturanstieg in Folge der Erderwärmung feststellen. Die Jahresmittelwerte schwanken von Jahr zu Jahr und werden maßgeblich durch synoptische Einflüsse (wie Stürme) geprägt.“
Viele Grüsse
Deine Neumayer-ÜWIS
Manfred Zimmer
Hallo Üwis, ich war 1987/88 für einige Tage Gast auf Neumayer 1. Danach im GEISHA-Camp bei Halley 4 die Logistik für die Expedition in die Shackleton-Range als Crewmitglied der POLAR 4 unterstützt. 1989/90 dann in der Filchner-Station Unterstützung der verschiedenen Messkampagnen auf dem Filchner-Eisschelf. Zwei Krankentransporte waren auch dabei. Ihr wohnt mittlerweile in der dritten Auflage der Neumayer-Station. Sicher ist der Komfort besser als zu meiner Zeit. Aber das Wetter ist bestimmt noch das Gleiche. Ungemütlich bei Wind und Drift, herrlich bei Sonnenschein. Meine Zeit in der Antarktis werde ich nie vergessen.
Euch noch eine schöne Zeit bis zur Ablösung.
Herzliche Grüße von Manfred
Linda Duncker
Hallo Manfred,
vielen Dank für deine Grüsse! Da hast du ja viel Spannendes erlebt! Wir empfinden es jedenfalls als ein Privileg hier in der Antarktis für eine Weile sein zu dürfen. Ja, die Neumayer-Station III ist komfortabler als die Erste.
Viele Grüsse
Deine Neumayer-ÜWIS
Jessica
Wow! Echt beeindruckend euren report zu lesen! bin hier eigentlich nur zufällig vorbei „geschneit“ (im wahrsten Sinne des Wortes) :-) :-) LG an das gesamte Team
Michael Steffen
Einen guten Tag an den jetzigen Empfänger,
zur Zeit findet die alljährliche US Operation Deep Freeze, die bei flugsimulator Aktivisten nachvollzogen wird. In diesem Zusammenhang haben mich die generellen Flugaktivitäten auf/zu diesem Kontinent , aktuell und in der Vergangenheit, interessiert. Da ich auch im Simulator die Basler BT-67 fliege war es naheliegend, sich mit diesem Flieger und seine Aktivität zu befassen. Dabei sind einige Fragen entstanden um die ich Antwort bitte.
Kann mir jemand die genaue Flugroute der Basler von Bremen (EDDW) zur Neumeyerstation (AQ41) mit den Zwischenstationen beschreiben? Wird bei den Flügen Fracht mitgenommen?
Die zweite Frage betrifft die Navigation in der Antarktis vor der GPS-Zeit, wenn z.B. Konen (AQ40), Novo (AQ45) oder sogar der Südpol angeflogen wurden. Als Hinweis habe ich dazu als Stichwort Grid-Polar-Navigation gefunden. Speziell interessiert es mich, wie es in der Praxis vorbereitet und durchgeführt wurde. Ob mir dazu aktive Piloten was sagen könnten.
Auf jeden Fall Dank an denjenigen, der sich nach um eine Antwort zu diesem doch alten Beitrag kümmert.