In diesem Beitrag soll es einmal nicht ausschließlich um die Überwinterung auf der Neumayer-Station drehen. Hoch oben in der Arktis auf 79° Nord befindet sich das Gegenstück zur permanent besetzten deutschen Antarktisstation. AWIPEV ist die seit 25 Jahren permanent besetzte Station in der Arktis und im Wissenschaftsdorf Ny-Ålesund auf Spitzbergen angesiedelt. Es handelt sich dabei um eine Kooperation des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit dem französischen Polarinstitut Paul Emile Victor (IPEV).
Mit 16.680 Kilometer Entfernung könnten die beiden Polarstationen kaum weiter voneinander entfernt sein und doch verbindet sie mehr als auf den ersten Blick sichtbar scheint. Genau wie für die Überwinterung auf Neumayer III wird ein Team aus den verschiedenen Leuten zusammengestellt, das während einer vielfältigen Vorbereitung auf die Aufgaben in den Polarregionen vorbereitet wird. Viele Erfahrungen wie der dunkle Winter, Polarlichter, die Isolation und das Leben in einer kleinen Gruppe unter anspruchsvollen Bedingungen sind nahezu identisch. In all diesen Gemeinsamkeiten sind jedoch auch viele kleine Unterschiede zu finden, da die Überwinterung in Ny-Ålesund und an der Atkabucht ihre ganz speziellen Eigenheiten haben. In diesem Beitrag möchten über einige dieser Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Themen Forschung und Überwinterung der beiden Polarstationen berichten.
An dieser Stelle möchten wir auch gleich auf den Arktis-Blog: 79 Grad Nord verweisen, in dem Überwinterer der AWIPEV Station, genau wie wir, über ihre Erlebnisse und die dort stattfindende Forschung berichten.
Die Forschung
Neumayer III sowie deren Vorgängerstationen und AWIPEV betreiben zum Teil Observatorien mit der gleichen wissenschaftlichen Ausrichtung, wie zum Beispiel Langzeitmessungen zur Atmosphäre mittels Wetter- und Strahlungsdaten sowie die Untersuchung der Atmosphärenzusammensetzung mittels Luft-, Wasser- und Filterproben. Die meteorologischen Daten der deutschen Arktis- und Antarktisstation fließen beispielsweise in dieselben wissenschaftlichen Netzwerke ein, wie das Network for the Detection of Atmospheric Composition Changes (NDACC), das Daten zur Zusammensetzung der Atmosphäre sammelt, sowie das Baseline Surface Radiation Network (BSRN) zur Archivierung von Daten zur Oberflächenstrahlung. Hierbei ist zu erwähnen, dass AWIPEV und die Neumayer-Station zwei von neun Gründungsmitgliedern des BSRN sind.
Neben der parallelen automatischen Erfassung von Meteorologie-Daten finden sowohl auf Neumayer III als auch auf AWIPEV zeitgleich Radio- und Ozonsondenaufstiege statt. Eine ausführliche Beschreibung dieser Messungen ist in unserem vorherigen Blogbeitrag zu finden. Neumayer III und AWIPEV in Ny-Ålesund unterscheidet jedoch etwas ganz Grundlegendes. Einige der wissenschaftlichen Aufgaben sind auf Spitzbergen unter allen Forschungsnationen aufgeteilt, wie zum Beispiel die täglichen synoptischen Wetterbeobachtungen und die zusätzlichen Wetterbeobachtungen, wenn es gilt, das Flugwetter für eintreffende und ausgehende Flugzeuge und Helikopter aufzuzeichnen. Dieser Aufgabenbereich obliegt in Ny-Ålesund den Norwegern. Auf Neumayer III muss alles von der Meteorologie der Station erledigt werden, da es keine andere Möglichkeit gibt. Für die Flugwetterberatung in der Sommersaison ist jedoch ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vor Ort.
Anhand des unterschiedlichen geographischen Kontextes von Arktis und Antarktis werden jedoch auch unterschiedliche Fragestellungen behandelt. So ist nahe Ny-Ålesund die Langzeitmessstation Bayelva zur langfristigen Untersuchung von Permafrost installiert. Wie sich Permafrostböden in einem sich verändernden Klima entwickeln, ist eine Fragestellung, die immer weiter in den Fokus der Polarforschung rückt. In der Antarktis und speziell in der Region um Neumayer III wird die Erde sowohl innen als auch außen mit geophysikalischen Methoden untersucht. Hier hat man sich unter anderem auf die Themen Geomagnetik und Seismologie spezialisiert, da über die Seismizität der Antarktis und deren geologischer Struktur noch viel zu wenig bekannt ist. Aufgrund der sehr niedrigen Dichte an Observatorien zur Geomagnetik und Seismologie, bedingt durch die riesige Fläche der Antarktis und der fast vollständigen Bedeckung mit einem kilometerdicken Eispanzer, ist es besonders sinnvoll, diese Forschungsansätze genau hier anzuwenden.
Das Wissenschaftsdorf Ny-Ålesund und AWIPEV sind genau wie die Neumayer-Station in den jeweiligen Sommermonaten eine Forschungs- und Logistikbasis für Gastwissenschaftler aus den unterschiedlichen Disziplinen. Von Neumayer III aus finden Forschungskampangen zu den Forschungsbereichen der Glaziologie, Biologie und Meteorologie statt. Einen Überblick über die vielfältigen Forschungsprojekte, die von AWIPEV ausgehen, finden Sie hier.
Die Überwinterung
Der Vorbereitungsumfang für eine Überwinterung auf Neumayer III oder AWIPEV ist an sich sehr ähnlich. Neben der fachlichen Einarbeitung, die natürlich immer individuell ist, gibt es jedoch viele Parallelen bei der Vorbereitung der Gruppe. Hier muss zunächst erwähnt werden, dass auf AWIPEV drei Leute überwintern und auf der Neumayer-Station neun Leute. Die Kurse zur Rettung aus Gletscherspalten, ein Erste-Hilfe-Kurs und die Brandbekämpfung werden für beide Überwinterungen durchgeführt. Der Umfang des Kurses zur Brandbekämpfung ist für Neumayer III intensiver und länger, da es außer der Notstation im Umkreis von hunderten Kilometern keine Ausweichmöglichkeit gibt. Hier wird unter anderem mit schwerem Gerät geübt, da auch größere Feuerquellen vorhanden sind (wie zum Beispiel die Aggregate zur Energieerzeugung). In die Vorbereitung zur Überwinterung auf AWIPEV fließt dafür ein Training zur Rettung von Personen aus dem Wasser, aus Lawinen und ein Schießtraining zum Schutz vor Eisbären statt.
Anders als auf Neumayer ist AWIPEV in einem Wissenschaftsdorf mit weiteren Forschungsnationen angesiedelt, was einen Austausch mit anderen Teams möglich macht. Auf Neumayer III ist das Team zwar größer, jedoch ist man für die neun Monate der Überwinterung komplett isoliert. Ein weiterer Unterschied liegt zudem im Aufgabenbereich der Überwinterer der beiden Polarstationen. Da im Gegensatz zu AWIPEV auf Neumayer III die komplette Versorgung (Strom, Wasser, Essen, Medizin) autark und in der Station integriert ist, sind auch das Personal und deren Aufgaben anders aufgestellt. In Ny-Ålesund gibt es eine zentrale Energieerzeugung, eine Versorgung mit Essen und Trinken sowie weiteren Diensten, die den einzelnen Forschungsnationen dort zur Verfügung stehen. Die „Nord-Üwis“ können sich deshalb ganz auf die Betreuung der ansässigen Projekte und die Arbeitsbedürfnisse der Forschungsteilnehmer konzentrieren.
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