36. Überwinterung – das neue Stationsteam stellt sich vor



Das 36. Neumayer-Überwintererteam. Foto: Gert König-Langlo
Das 36. Neumayer-Überwintererteam bestehen aus Thomas Schaefer, Marcus Heger, Linda Duncker, Stefan Schnitzler, Sven Schnieder, Stefanie Bähler, Sissy Kütter, Andrea Rau, Steven Franke. Foto: Gert König-Langlo
Das 36. Neumayer-Überwintererteam bestehend aus  Thomas Schaefer, Marcus Heger, Linda Duncker, Stefan Schnitzler, Sven Schnieder, Stefanie Bähler, Sissy Kütter, Andrea Rau, Steven Franke. Foto: Annemarie Sticher

Das Alfred-Wegener-Institut betreibt seit dem Jahr 1981 eine durchgängig besetzte Forschungsstation in der Antarktis. Viele Dinge haben sich seit den Anfängen verändert und weiterentwickelt. Technik und Logistik werden besser und effizienter, die Messinstrumente der Wissenschaft werden immer präziser und können immer mehr Daten aufzeichnen und auch die Auflagen zum Schutz der Umwelt steigen stetig. 

Das erfolgreiche Prinzip der Erhaltung des Forschungs- und des Observationsbetriebs über den Antarktischen Winter hingegen bleibt gleich. Mittlerweile sorgen jede Saison neun Überwinterer für den Stationsbetrieb und begeben sich für 14 Monate in das ewige Eis. Wenn Ende Februar die letzten Sommergäste die Station verlassen, ist das neunköpfige Team auf sich allein gestellt um unter extremen Bedingungen die wissenschaftlichen Langzeitmessungen in der Antarktis aufrechtzuerhalten.

In diesem Zusammenhang wollen wir, das neue Überwinterungsteam der Neumayer-Station III, uns den Lesern des AtkaXpress‘ in zwei Teilbeiträgen vorstellen. In diesem Beitrag wird es vor allem auf die wissenschaftliche Betreuung der Observatorien und Stationsleitung eingegangen. Im zweiten Teil werden wir von der technischen Betreuung der Station und der Herausforderung, als Koch auf Neumayer III zu arbeiten, berichten.

 

Bevor das 35. Überwintererteam Richtung Heimat abreiste, übten die erfahrenen Kollegen gemeinsam mit den "Neulingen" das Verhalten im Falle eines Brandes. Auf diesem Bild sind: (von links) Petra Gößmann-Lange, Linda Duncker, Dr. Ing. Jens-Peter Biethan, Marcus Heger, Dr. Bettina Nekat, Dr. Elke Ludewig und Andrea Rau.
Bevor das 35. Überwintererteam Richtung Heimat abreiste, übten die erfahrenen Kollegen gemeinsam mit den „Neulingen“ das Verhalten im Falle eines Brandes. Auf diesem Bild sind: (von links) Petra Gößmann-Lange, Linda Duncker, Dr. Ing. Jens-Peter Biethan, Marcus Heger, Dr. Bettina Nekat, Dr. Elke Ludewig und Andrea Rau.

Stationsleitung und medizinische Versorgung

Während der neunmonatigen Überwinterung auf Neumayer III liegt sowohl die Stationsleitung als auch die medizinische Betreuung in der Hand von Linda Duncker. Linda ist gebürtige Hamburgerin, Chirurgin und Allgemeinmedizinerin und hat zuletzt an der chirurgischen Klinik des Universitätskrankenhauses Linköping in Schweden gearbeitet. Neben organisatorischen Arbeiten ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit, Sicherheitsfragen, den Umweltschutz, die Durchführung medizinischer Studien sowie für den Betrieb des stationseigenen Hospitals zuständig. Trotz der sehr guten technischen Ausstattung des Hospitals und der telemedizinischen Anbindung an das Klinikum Reinkenheide in Bremerhaven bleibt die Patientenversorgung in der Antarktis eine medizinische und logistische Herausforderung. Besonders in den Wintermonaten gibt es kaum eine Möglichkeit, einen Krankentransport zu organisieren. Für Linda ist es etwas ganz Besonderes, ein Jahr lang auf dem antarktischen Kontinent arbeiten und leben zu dürfen.

 

Die Wissenschaft

Vier junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind im Rahmen der 36. Überwinterung auf der Antarktisstation Neumayer III für den Betrieb der wissenschaftlichen Langzeitbeobachtungen verantwortlich. Das Alfred-Wegener-Institut betreibt an der Neumayer-Station Observatorien zur Atmosphärenforschung und Geophysik.

 Zur Atmosphärenforschung auf Neumayer III gehören das meteorologische und das luftchemische Observatorium. Die Messungen leisten einen wichtigen

AWI-Überwinterer Andrea Rau und Marcus Heger (36. Überwintererteam) lassen eine Ozonsonde vom Dach der Neumayer-Station III steigen. Foto: Gerd König-Langlo
AWI-Überwinterer Andrea Rau und Marcus Heger (36. Überwintererteam) lassen eine Ozonsonde vom Dach der Neumayer-Station III steigen. Foto: Gerd König-Langlo

Beitrag zur Klima- und Atmosphärenforschung speziell für die Antarktis und für gesamte Welt. Die Geophysik auf Neumayer III konzentriert sich auf die Erfassung von seismologischen Daten zur Erforschung von Erdbeben und kontinuierliche Messungen des Erdmagnetfeldes und trägt somit zur Verbesserung von globalen und lokalen Erdmodellen bei. Des Weiteren kümmert sich die Geophysik um den Betrieb eines Infraschall-Stationsnetzes, welches zur Überwachung überirdischer nuklearer Explosionen beiträgt.

Meteorologie

Um die meteorologischen Messungen, Wetterbeobachtungen und Wettervorhersagen kümmert sich unser jüngstes Teammitglied. Andrea Rau ist 24 Jahre alt und in Calbe an der Saale in Sachsen-Anhalt aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie Meteorologie an der Universität Leipzig und sammelt hier in der Antarktis ihre ersten beruflichen Erfahrungen. Zur Betreuung des meteorologischen Observatoriums gehören vor allem tägliche Routinen wie die synoptischen Wetterbeobachtungen, die alle drei Stunden erfolgen. Diese Beobachtungen erfolgen bei jedem Wetter und treiben Andrea in regelmäßigen Abständen nach draußen.

Zudem kümmert sich Andrea um die täglichen Radiosondenaufstiege, die es ermöglichen, ein vertikales Profil von meteorologischen Parametern der Atmosphäre zu erstellen. Diese Messungen und Beobachtung fließen kontinuierlich in globale meteorologische Datenbanken ein, die für die Erstellung von Wettervorhersagen und Klimamodellen wichtig sind. In der Verantwortung der Meteorologie liegt es auch, einmal monatlich die Dicke des Meereises der Atkabucht zu bestimmen, um Informationen über das Wachstum des Meereises im Jahresverlauf zu erhalten. Verschiedene Punkte des Meereises werden entlang eines 24 Kilometer langen Profils hierfür durchbohrt und vermessen. Dies kann nur erfolgen, wenn das Meereis kompakt und sicher zu betreten ist und erfordert im Winter bei dickem Meereis viel Geduld und Ausdauer.

Vor allem die Abwechslung ihrer Tätigkeit reizt Andrea an der Arbeit am meteorologischen Observatorium der Neumayer Station. Wenn es stürmt und sich hinter der Ballonfüllhalle Luftwirbel bilden, sind die täglichen Radiosondenaufstiege besonders spannend, da man nur schwer abschätzen kann, wie sich der Ballon im turbulenten Wind verhält. Hier gilt es den richtigen Zeitpunkt zum Loslassen zu finden.

 

Luftchemie

Spurenstoff-Observatorium an der Neumayer-Station III im goldenen Nachtlicht. Foto: J. Helmschmidt
Das Spurenstoff-Observatorium an der Neumayer-Station III im goldenen Nachtlicht. Foto: J. Helmschmidt

Der Arbeitsort des Luftchemikers auf Neumayer III, das Spurenstoffobservatorium, befindet sich 1,5 Kilometer südlich der Station und wird intern als SPUSO bezeichnet. Für die Betreuung des Observatoriums ist der 35-jährige gebürtige Leipziger Thomas Schaefer verantwortlich, dessen Aufgaben sich auf die Probennahme und Wartung der Geräte konzentrieren. Hierbei werden Proben z.B. für Partikel- und Isotopenanalyse gesammelt. Nach seinem Chemiestudium an der Universität Leipzig promovierte er am TROPOS Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, an dem er bis zuletzt als Postdoc arbeitete.

Thomas schätzt an seiner Arbeit vor allem die täglichen Gänge zum Observatorium, die bei schönem Wetter 20 Minuten und bei Sturm auch doppelt so lange dauern können. Da die Proben der SPUSO möglichst rein und frei von Kontaminationen sein müssen, ist es nicht möglich das Observatorium mit einem Fahrzeug zu erreichen. Dies wird vor allem bei schlechtem Wetter zur Herausforderung. Schneestürme mit Windgeschwindigkeiten von über 60 Knoten (entspricht über 110 km/h oder Windstärke 11-12) sind auf Neumayer III keine Seltenheit.

 

 

 

Geophysik

Die Arbeit im geophysikalischen Observatorium an der Neumayer-Station III teilen sich Sissy Kütter und Steven Franke. Ihre Hauptaufgabe ist es die Datenerfassung der Seismologie und Magnetik sicherzustellen. Im Umfeld der Neumayer-Station gibt es mehrere Messstationen, die es ermöglichen lokale und globale Erdbeben zu detektiren. In den Daten sehen wir sowohl starke Erdbeben aus Japan, Alaska, Sumatra und Chile als auch schwächere regionale Events und sogar Signaturen von Eisbergen, die am Meeresboden schleifen. Neben konstanten automatischen Magnetfeldmessungen werden in regelmäßigen Abständen die Intensität und Richtung des Erdmagnetfeldes manuell gemessen. Diese Arbeit findet em Magnetikobservatorium anderthalb Kilometer südlich von der Station in einem mittlerweile 15 Meter tiefen Schacht statt. Die Messungen dauern zirka zwei Stunden und erfordern ein großes Maß an Konzentration und Feinmotorik. Ein nicht immer leichtes Unterfangen bei konstanten Temperaturen von -13 Grad Celsius.

Sissy kommt aus Thüringen und ist 32 Jahre alt. Nachdem sie in Freiberg Geophysik studierte, hat am Geo-Forschungs-Zentrum in Potsdam promoviert. Sissy reizen vor allem die vielfältigen Messmethoden, die auf Neumayer III angewendet werden, um Informationen über das Erdinnere zu erhalten. Neben den Routinearbeiten werden die Geophysiker immer wieder mit neuen Aufgaben konfrontiert für die es gilt Lösungen zu finden. Daran schätzt sie vor allem, dass man über die eigenen Erfahrungshorizonte hinaus gefordert ist und das nicht nur in beruflicher Hinsicht.

Steven ist 26 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Berlin. Nach dem B.Sc. Studium in Geologischen Wissenschaften an der Freien Universität Berlin wechselte er zum Master Studium nach Kopenhagen. Die Arbeit als Geophysiker auf der Neumayer Station ist sein erster Einblick in die Arbeitswelt, für den er sich bewusst entschieden hat. Er genießt vor allem die Ruhe, die man im Magnetikobservatorium während den Messungen hat und dass die Arbeit aus vielen verschiedenen Tätigkeiten besteht. Zum anderen sind die Expeditionen im Sommer (intern Traversen genannt) zu den weit entfernten Stationen immer wieder ein besonders Erlebnis.

 

Für Anregungen und Fragen zu den Beiträgen, stehen wir jederzeit zur Verfügung und würden uns über euer Interesse und Kommentare freuen. Zudem ist die Station über diese Wintersaison wieder über den Amateurfunkdienst auf Kurzwelle erreichbar, Rufzeichen DP0GVN.

Beste Grüße vom 36. Neumayer-Team 

 

 

Leser:innenkommentare (12)

  1. Simone (Stevens Mama)

    Ein toller Beitrag. Damit haben wir hier zu Hause einen prima Überblick bekommen über eure Arbeit. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg und eine tolle Zeit in Eis und Schnee.

  2. Nathan Wieland

    Vielen Dank, dass ihr uns an eurem Leben und der Arbeit in der Antartkis teilhaben lässt.
    Viel Spaß während der Zeit auf der Station wünsche ich

  3. Ernst

    Guter Beitrag vlt kann man ja noch einmal den Koch vorstellen ?

    1. Neumayer Üwis

      Hallo Ernst,
      die noch verbleibenden Mitglieder unseres Teams stellen wir sehr bald vor.
      Zur Zeit sammeln wir noch Foto und Videomaterial und haben auch sehr viel auf der Station um die Ohren.

      Bis dahin liebe Grüße,
      Neumayer Üwis

  4. Christian Lehrmann

    Hallo liebes Neumayer-Team,
    ich finde den Beitrag von Euch auch ganz große klasse und sehr informativ, vor allem die beiden Videos sind schon sehr beeindruckend. Da wird einem erst so richtig bewusst, was so ein Sturm in der Antarktis eigentlich bedeutet.
    Ich wünsche Euch ebenfalls eine gute, erfolgreiche Zeit „ganz unten im Süden“ und möglichst selten so ein stürmisches Wetter wie auf den Videos während der Überwinterung. Ich freu mich schon auf den nächsten spannenden Blog-Eintrag von Euch.
    Viele Grüße aus Wolfenbüttel
    Christian

    1. Neumayer Üwis

      Hallo Christian,
      danke für dein Feedback!

      Stürmisches Wetter ist an den Küsten der Antarktis leider die Regel.
      Dafür genießen wir jedoch die schönen Tage umso mehr.

      Liebe Grüße nach Wolfenbüttel wünschen
      die Neumayer Üwis!

  5. Haase Marion (83)

    Ich bin begeistert über Ihre Arbeit, seitdem ich vor einigen Jahren das Buch „Kalte Füße inclusive“ gelesen habe. Seitdem hatte ich auch den Wunsch, die Antarktis mal zu sehen. Hurra, wir haben es geschafft, wenn auch nur den Anfang. Von Ushuaia waren wir mit dem Kreuzfahrtschiff bis zur Paradise Bay und Elephant Bay. Und das war schon beeindruckend. Oft bin ich auf der Seite der „Neumeyer III“. Ich bin beeindruckt über das, was die ÜWI auf sich nehmen, um das für uns alle so wichtige Projekt überJjahrzente durchzuführen.
    Ich wünschen allen ÜWI´s eine gute Zeit ohne besondere, aber schöne Vorkommnisse.
    Liebe Grüße aus dem kalten Norden Deutschlands und nächste Woche schöne Ostern.
    von Marion Haase

    1. Neumayer Üwis

      Hallo Marion,
      über deinen Beitrag haben wir uns ganz besonders gefreut.
      Es ist schön zu sehen, wie viele Menschen sich letztendlich für die Arbeit des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis interessieren.
      Dein Besuch auf Paradise Bay und Elephant Bay hat dir mit Sicherheit ein ganz gutes Gefühl dafür gegeben, wie es sich für uns hier im Sommer anfühlt. Wir sind nun gespannt auf den Winter, die noch niedrigeren Temperaturen und die Dunkelheit.

      Liebe Grüße in den Norden Deutschlands wünschen dir
      die Neumayer Üwis!

  6. Daniel Fuderer

    Hallo Üwis!

    Ich wünsche euch viel Erfolg bei allen Forschungs-Projekten und dem Betrieb der Station!

    Eure Arbeit ist essentiell für die Forschung zum Klimawandel und dadurch für den weltweiten Klimaschutz an dem weitere Menschen in den wärmeren Regionen mithilfe eurer Daten arbeiten können.

    Viele Gruesse, besonders an Steffi und Steven! Sowie gutes Durchhalten bei den nun kürzer werdenden Tagen…

    Daniel

    PS: Im April werden die Bewerbungen gesichtet – ich bin gespannt! :-)

  7. Michael Jung

    Liebes Team,

    durch eine MDR Sendung habe ich heute von euch erfahren. Großen Respekt vor eurer Leistung. Als Hobbymeteorologe betreibe ich hier in Leipzig eine kleine Wetterstation (nicht zu vergleichen mit eurer Technik). Die Daten stelle ins Netz und zwar kommerz- und werbefrei. Mehr als eine Millionen Besucher waren schon da. Im April haben Prof. Jacobs (ehemaliger Leiter des Institus Geophysik Leipzig) und ich ein kleines Wetterbuch über Leipzig veröffentlicht. Gern würde ich euch das Büchlein schicken /schenken wollen, da ja zwei Mitglieder eurer Crew einen direkten Bezug zu Leipzig haben. Zudem macht heimatliche Wetterlektüre vielleicht warme Gedanken ;-) Im Gegenzug könnte man ja mal hin und wieder ein Foto oder einen Wetterbericht ins Netz stellen (ohne Geheimnisverrat) und so auch euer Projekt in Leipzig zeigen? Das wäre super.
    Liebe Grüße aus Leipzig bei angenehmen 17 Grad
    sendet LE-Wetter

  8. F. M.

    Cool, im warsten sinne des wortes!

  9. Jürgen meyer

    Eine tolle Leistung die dort in der Antarktis vollbracht wird.
    Sehr interessant was dort alles vor sich geht.
    ich wünschen allen Überwinteren ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr aus Maching in Oberbayern.

    Liebe grüsse an meinen Neffen Thomas sterbenz

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