Was machen wir eigentlich den ganzen Tag?

Nach starkem Wind und Schnee heißt es: rauf aufs Dach und Kamin kehren!

Lieber Atka-Leser,

in letzter Zeit werden uns immer wieder Fragen zu unserem Tagesablauf gestellt. Zugegebenermaßen sind Berichte über unsere wissenschaftliche Arbeit etwas zu kurz gekommen, da diese uns so als Routine-Arbeit ins Blut übergegangen ist, dass wir hier meist nur von außergewöhnlichen, den Alltag sprengenden Ereignissen berichten. Aber dies werden wir jetzt einfach mal nachholen und euch ein wenig den Bereich Atmosphäre, also Meteorologie und Luftchemie vorstellen.

Elke überprüft das Strahlungsmessgerät (Foto: Elke Ludewig)

Ich, Elke, die Meteorologin auf der Neumayer-Station, stehe gegen fünf Uhr früh auf, checke Daten, Satellitenbilder, die Wettersituation und überarbeite gegebenfalls die kurz vor Mitternacht erstellte Wettervorhersage für die Station. Dann spaziere ich zum Messfeld, welches ca. 400 Meter südöstlich der Station angesiedelt ist, und checke die Funktionalität der Instrumente dort: neben dem Wettermast, der Temperaturmesser und Windgeber in zwei und zehn Meter Höhe beherbergt, sowie Feuchtemesser und Sonnenscheinindikator. Da muss man dann auch mal ein wenig klettern, natürlich immer schön mit einem Gurt gesichert. Die BSRN-Station (Baseline Surface Radiation Network), also all die Glasdome der Strahlungsmessgeräte, brauchen besondere Pflege und müssen immer schön schnee- und eisfrei sein, damit sie korrekte Daten liefern können. Deshalb bin ich oft mehrmals täglich in meinem „Instrumente-Garten“.

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Elke überprüft den Wettermasten (Foto: Elke Ludewig)

Nach dem Rundgang durch das Messfeld wird „geobst“ für den 6UTC-Termin (6UTC = 06:00 Uhr morgens nach Universal Time Coordinated). Die synoptische Beobachtung beinhaltet die Bestimmung von Wolken, Schneedrift, Sichtweite, Wetter (Schnee, Nebel etc.) sowie Temperatur, Feuchte, Wind und Luftdruck. Diese Daten werden codiert und an den Deutschen Wetterdienst (DWD) geschickt. Die synoptische Beobachtung wird derzeit alle 3 Stunden vorgenommen, von sechs Uhr früh bis Mitternacht. Den 15UTC-Termin übernimmt freundlicherweise meine Kollegin Bettina, unsere Luftchemikerin. Dies ist ganz praktisch, besonders wenn weitere Arbeiten anliegen, die ich dann ohne Unterbrechung vornehmen kann.

Nach dem Frühstück stapft Bettina die 1,5 Kilometer zum Spurenstoffobservatorium, genannt die SPUSO – und das bei jedem Wetter, wirklich jedem! Ich validiere währenddessen Daten und bereite einen Wetterballon vor, Radiosonden, die täglich einmal gestartet werden. Zurzeit werden verstärkt Ozonsonden gestartet, um die Entwicklung des Ozonlochs zu erfassen. Weil die Ozonsonde aufwendig kalibriert werden muss, verbringe ich gerade so einige Stunden pro Woche im Ozonlabor. Um 11UTC findet dann immer der Ballonstart aus der Ballonhalle am Stationsdach statt, welcher bei starkem Wind immer wieder aufregend ist – klappt alles, zerplatzt der Ballon auch ja nicht, steigt er hoch oder wird er durch Stationsturbulenzen gen Boden gedrückt???… So manche Kräfte werden da aufgeboten, um ja das tägliche Profil durch die Atmosphäre zu bekommen. Da brauche ich hin und wieder Verstärkung von den hilfsbereiten Geos wie auch von anderen Überwinterern, die mir das Tor aufmachen, damit der Start schnell über die Bühne geht und der Ballon durch die Turbulenzen nicht schon in der Halle platzt. Am Nachmittag, wenn die Sonde den höchsten Punkt ihres Aufstiegs erreicht hat, werden die Daten ausgewertet und an den Deutschen Wetterdienst (DWD) sowie an die AWI-Webseite und die weiteren Datenzentren geschickt. Der DWD und andere Zentren verwenden diese Aufstiegsprofile gleich für ihre Modellberechnungen, also für Wettervorhersagen weltweit.

Luftchemikerin Bettina bei ihrer Arbeit auf dem Spurenstoffobservatorium
Luftchemikerin Bettina bei ihrer Arbeit auf dem Spurenstoffobservatorium (Foto: Elke Ludewig)

Unterdessen überprüft Bettina den äußeren und inneren Zustand ihrer SPUSO. Diese besteht eigentlich aus zwei Containern auf Stelzen, ausgerüstet mit modernsten Messinstrumenten. Diese Instrumente dienen zur Bestimmung der Eigenschaften sowie der chemischen Zusammensetzung der gasförmigen und partikulären Bestandteile der Atmosphäre. Da die SPUSO allein auf weiter Flur und auf „wackeligen Beinen“ steht, wird diese bei Wind und Wetter schon stark durchgeschüttelt und starke Winde und Schnee können die Ein- und Auslassrohre oder den Temperatursensor verstopfen. Dann heißt es: rauf auf‘s Dach und den Kamin kehren! Auch könnten die Antennen oder die Messinstrumente auf dem Dach beschädigt sein, deshalb müssen wir dies stets alles kontrollieren.

Danach werden in den Containern die 16 Messinstrumente/Experimente per Sensoren auf deren korrekte Funktion überprüft, Pumpenstände notiert, Partikel-Filter vorsichtig gewechselt und verpackt sowie reichlich Daten geerntet. Alles wird in verschiedenen Protokollen festgehalten. In wöchentlichen Abständen werden aus der Atmosphäre ausgefrorenes Wasser und Gasproben gesammelt, alle zwei Wochen das Kohlendioxid aus der Luft und große Partikelfilter. Monatlich erfolgt zusätzlich eine sehr umfangreiche Überprüfung der Geräte. Falls alles nach Plan läuft, geht es die 1,5 Kilometer wieder zurück oder, falls Reparaturen erforderlich sind, werden diese dann in der SPUSO vorgenommen.

Bettina beim Check der Datenprotokolle
Bettina beim Check der Datenprotokolle (Foto: Elke Ludewig)

Demnach sind wir den ganzen Tag abrufbereit, kontrollieren die einkommenden Daten. Und wenn da etwas nicht stimmt, dann rennen wir und rotieren und tun alles Menschenmögliche, um das Problem in den Griff zu bekommen. Und wenn wir dafür noch mal in den Sturm, Schnee, bei schlechter Sicht oder die Dunkelheit hinaus müssen, dann ist das so. Glücklicherweise werden wir aber immer freundlich von unseren Betreuern in Bremerhaven unterstützt, die – egal ob Urlaub oder nicht – uns jederzeit mit Rat zur Seite stehen. Ja, unsere Geräte haben uns voll im Griff. Damit gewährleisten wir aber auch qualitativ und quantitativ hochwertige Datensätze. Ein Leben für die Forschung im wahrsten Sinne des Wortes!

Nebenbei sind Bettina und ich auch ein ziemlich gutes und kreatives Team. Wann immer wir Zeit finden, planen wir kleine Spieleabende, Geburtstage und Motto-Parties, damit alle Üwis etwas gemeinsam unternehmen. Da wird dann geplant, gebastelt, geschmückt, gereimt und organisiert, um hin und wieder das Team mal wieder näher zusammen zu bringen, den Teamgeist zu stärken, als Gruppe zu agieren und um einfach einen besonders schönen Abend zu haben. Viele fleißige Hände helfen dann immer mit alles vorzubereiten und steuern noch weitere tolle Ideen bei. Dafür möchten wir hier mal ein großes Danke an die Mit-Üwis loswerden – DANKE! Der Kreativität ist hier kein Ende gesetzt und neuerdings haben wir auch Papageien, Affen und Chamäleons in den Plastikpflanzen sitzen – dem „Talk like a Pirate Day“ sei gedankt!

Check des Solartrackers

Mal von unseren gesellschaftlichen Aktivitäten und Routinearbeiten abgesehen, bestreitet das Atmosphären-Team aber auch weitere Aufgaben wie Meereisdicken messen, Schneeproben sammeln, Pegelfelder checken, sich durch Sturm, Schneegestöber und White-Out kämpfen. Aber davon berichten wir ein anderes Mal, denn es ist jetzt gleich halb eins, da sagen wir meist gute Nacht und kriechen ins Bett. Also bis bald!

Viele Grüße, Bettina & Elke

Leser:innenkommentare (3)

  1. Anne

    Liebe Üwis,

    ich lese gerne in eurem Blog und finde es wirklich super, dass ihr eure Arbeit so auch für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich macht.

    Ich habe vor ein paar Jahren selbst auch mal am AWI geforscht und habe mich eben gerade mit einem Freund darüber unterhalten – und befürchte, dass ich bei ihm jetzt ein gewisses Interesse am Arbeiten und Überwintern auf Neumayer III geweckt habe, wobei er sich dann auf die Stelle als Koch bewerben würde.

    Wäre es daher eventuell möglich, auch mal euren Koch und die anderen Logistiker über ihren Tages- und Arbeitsablauf auf Neumayer bloggen zu lassen?

    Viele Grüße aus Berlin,

    Anne

    1. Petra Gößmann-Lange

      Liebe Anne,

      ein Blogbeitrag von unserem Koch ist in Arbeit. Es wird aber noch etwas dauern bis er fertig ist. Jeden Tag neun hungrige Mäuler zu stopfen ist harte und zeitaufwändige Arbeit :-)

      Viele Grüße von der Neumayer-Station

      Petra

  2. Karin Frank

    Auch ein herzliches Hallo aus Worms,

    nachdem AWI mit uns Kontakt aufgenommen hat,sind wir natürlich neugierig geworden und haben uns auch durch die Blogs gelesen. Wir sind begeistert und zollen Euch allen unseren Respekt. Es ist wirklich interessant und aufregend, was Ihr da leistet und wir freuen uns, dass Ihr uns teilhaben lasst. Wie bereits Anne anfragte, sind wir auch schon gespannt auf Eure Haute Cuisine und Co.

    Bleibt gesund und habt Spaß

    viele Grüße vom gesamten Hydrobiomed-Team

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