Mittwinter 2015

„Bewegt er sich schon?“ (Foto: Annemarie Sticher)
Grußkarte für die Winterstationen (Gestaltung Petra Gößmann-Lange und Jens-Peter Biethan)
Grußkarte für die Winterstationen (Gestaltung Petra Gößmann-Lange und Jens-Peter Biethan)

Seit dem 19. Mai leben wir offiziell in der Polarnacht. D.h. die Sonne überschreitet nicht mehr den Horizont. Das hört sich ja erstmal an wie „stockduster“. Ist es aber nicht. Jedenfalls nicht den ganzen Tag. Aktuell haben wir knapp 4 Stunden Dämmerung pro Tag mit teilweise grandiosen Farben am Horizont. Und ab heute wird es auch wieder jeden Tag mehr, bis am 23. Juli die Sonne zum ersten Mal wieder über den Horizont kommt.

Dieser Wendepunkt am 21. Juni (Mittwinter) ist für alle Winterstationen in der Antarktis der inoffiziell höchste Feiertag. Ab jetzt werden die Tage wieder länger und die kommende Sommersaison wirft auch schon ihre Schatten.

Aber erstmal muss dieser Tag gefeiert werden! Im Detail plant das jede ÜWI-Gruppe individuell, aber einige Traditionen wollen dann doch gepflegt werden.

Die Üwi-Grußwand 2015. Foto: Petra Gößmann-Lange
Die Üwi-Grußwand 2015. Foto: Petra Gößmann-Lange

Bereits Anfang Juni kam die erste Rundmail aus McMurdo, um die e-Mail-Adressen der Winterstationen auf den aktuellen Stand zu bringen. Der erste Schreck: Oh Gott, wir müssen uns dann ja auch mal an die Grußbotschaften machen! Wo kommt jetzt der zündende Gedanke her?

Aber ich denke, wir haben eine ganz nette Idee gehabt und die Grüße an die anderen Stationen auch pünktlich auf den Weg geschickt: Und auch wir wurden reichlich mit Grüßen und Einladungen von unseren Mitüberwinterern bedacht.

Eine weitere Tradition ist es, dass jeder Überwinterer ein selbst gestaltetes Schild mit seinem Heimatort und der Entfernung bis dahin an den Wegweiser im Norden der Station anbringt. In der Werkstatt auf U1 herrschte dementsprechend in den letzten Tagen reger Betrieb. Bei einer Besichtigung des Wegweisers fiel uns aber auf, dass erstens kaum noch Platz für unsere Schilder vorhanden war und zweitens das unterste Schild (ausgerechnet Helgoland!) kurz vorm Versinken war.

Der Wegweiser steht wieder (Foto: Jens-Peter Biethan)
Der Wegweiser steht wieder (Foto: Jens-Peter Biethan)

Daher wurde kurzerhand der Entschluss gefasst, den Wegweiser auszugraben und hochzusetzen. Aber wie das mit solchen Plänen ist, gestaltete sich diese Aktion doch etwas langwieriger. Der etwa sieben Meter lange Stahlmast war drei Meter tief im Schnee und Eis versunken und musste, teilweise in mühsamer Handarbeit mit Schaufel, Vorschlaghammer und Brechstange, aber auch unter Zuhilfenahme des Kranbullys, befreit werden. Sehr zur Freude einiger Mitbewohner, die diese mehrstündige Aktion aus sicherem Abstand und im Warmen aus dem Fenster beobachteten und fotodokumentierten.

Danach wurden die Schilder in der Garage angebracht (einige ältere haben wir entfernt und werden sie zurück nach Deutschland schicken) und der Wegweiser pünktlich an Mittwinter wieder aufgestellt.

Am Abend wurde dann zünftig gegrillt und als weitere Tradition die von der „Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd“ gespendete Weinkiste geöffnet. Da unter den diesjährigen Überwinterern einige Filmfans sind, gab es einen klassischen Filmabend mit dem passenden Film „Das Ding aus einer anderen Welt“.

Es wird gegrillt (Foto: Peter Oertel)
Es wird gegrillt (Foto: Peter Oertel)

Viele Grüße von der Neumayer-Station

Stationsleiterin Petra Gößmann-Lange

Leser:innenkommentare (3)

  1. Werner May

    Liebes Neumayer-Team,
    zu dem Thema Mittwinter habe ich jetzt doch mal eine Verständnisfrage: In dem Zeitraffer der WebCam, die auf die Forschungsstation gerichtet ist, waren zur Sonnenwende mehrere Stunden Sonneschein zu sehen, auch heute (4. Juli) sind ’s etwa 4 Stunden Sonne und je 1-2 Stunden Dämmerung – in diesem Blog-Beitrag wird aber die Sonne erst wieder ab 23.Juli am Horizont erwartet. Wo habe ich da ein Verständnisproblem? Ich freue mich auf eine Antwort und wünsche eine gute Zeit, wenn’s jetzt wieder Richtung Mittsommer geht. Viele Grüße, Werner May

  2. Neumayer Üwis

    Hallo Werner,

    ich glaube, du beziehst dich bei der aktuellen Aufnahme auf das Licht, was gegen 9 Uhr anfängt und gegen 12:30 wieder weg ist. Zunächst mal ist es so, dass die Kamera nach Südosten ausgerichtet ist. Selbst wenn die Sonne aufgehen würde, würde sie zu dieser Uhrzeit schräg hinter der Kamera vorbeilaufen. Man wird die Sonne bei dieser Ausrichtung also nur zu anderen Zeiten sehen können (Das kann man im antarktischen Sommer gut verfolgen, wenn die Sonne nicht mehr untergeht).
    Das Licht, was unten rechts an der Station direkt in die Webcam scheint, ist von einem unserer Pistenbullys, der zu dieser Zeit dort stand. Im oberen linken Teil des Bildausschnitts sieht man auch noch einen Lichtpunkt, der jedoch eine Reflektion innerhalb der Kameralinse darstellt.

    Es ist also kein Verständnisproblem. Die Dämmerung erscheint in den frühen Stunden zudem stärker als sie in Wirklichkeit ist, da die Belichtungszeit der Webcam im Schwarz-Weiß-Modus sehr hoch ist.
    Richtig ist aber, dass es auf Neumayer selbst zu Mittwinter über den Mittag noch ein wenig hell ist, da ein wenig Dämmerung herrscht. Wir versuchen diese wenigen hellen Stunden immer zu nutzen, um ein wenig rauszukommen.

    Wir hoffen, dass unsere Antwort ein wenig Klarheit bringen konnte und wünschen dir einen schönen Sommer!

    Liebe Grüße
    36. Neumayer-Üwis

    1. Werner May

      Guten Morgen liebe Üwis,

      vielen Dank für die schnelle Antwort. Die Ausrichtung der Kamera und die Lichtreflexe bzw. Scheinwerferlichter habe ich so wie beschrieben auch eingeschätzt. Man kann ja unabhängig davon ab ca. 8:00 Uhr im linken unteren Bildbereich, also etwa Richtung Nordost die einsetzende Dämmerung deutlich erkennen. Was mich nur gewundert hat, ist das Umschalten der Kamera auf Farbe statt schwarz/weiß, was nach meinem Laienverständnis Tageslicht erfordert und dies zudem abhängig von der Bewölkung ist (bei leicht bedecktem Himmel setzt die Farbumschaltung später ein bzw. früher aus, was bei reinem Dämmerlicht nach meiner Vermutung weniger eine Rolle spielen sollte). Und die dem Licht zugewandte (Stirn-) Seite des Gebäudes steht um die Mittagszeit in starkem Kontrast zu der eher dunklen Längsseite, man könnte sich sogar Schattenwurf am Gebäude und in den Schneewehen einbilden – aber das wird’s wohl sein: eine hohe Lichtempfindlichkeit der Kamera und die Illusionen, die einem das menschliche Gehirn manchmal vorspielt. Nochmal vielen Dank für eure Zeit und einen schönen ersten Sonnenaufgang in zweieinhalb Wochen (da gibt’s bestimmt wieder ein Grillfest o.ä.?).

      Liebe Grüße

      Werner

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