Ping it like bunny

Zum ersten Mal „auf Schicht“: Iryna & ich

Am 16.10.2017 veröffentlichten die WissenschaftlerInnen von LIGO und VIRGO ihre sensationelle Entdeckung: erstmals wurden Gravitationswellen von einer Neutronenstern-Neutronenstern Vereinigung gemessen. In diesem Beitrag soll es darum gehen, wie Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum vor Ort aussehen. Zum Beispiel auch, in der Nacht des 17.08., als uns der Alarm der Gravitationswellen-Experimente erreichte… (mehr dazu: DESY news)

Es ist Montag morgen, kurz vor 6. Ich klopfe den rötlichen Sand von den Stiefeln und taste mich vorsichtig ins Dunkle. Draußen dämmert es langsam.Vor dem Fenster streiten sich zwei frühe Vögel energisch um den scheinbar einzigen Wurm.

Ein Baum ohne Vögel und der Weg zu den Teleskopen.

Hinter mir liegt eine weitere Nacht bei den H.E.S.S.-Teleskopen in Namibia, 100 km entfernt von Windhoek. Hier ist es stockdunkel, sobald die Sonne untergeht, und der Himmel ist übersäht mit Sternen. Die Milchstraße glimmt als helles, breites Band von Horizont zu Horizont. Auch nach drei Wochen hier denke ich noch jedes Mal “Wow!”, wenn ich zum Himmel blicke. Jede Nacht bin ich, zusammen mit einer anderen Doktorandin, im Kontrollraum, von wo aus die Teleskope (es sind fünf insgesamt) gesteuert und überwacht werden. Das Zeitfenster, in dem wir arbeiten können, verschiebt sich jeden Tag, je nach dem, wann Mond und Sonne zu sehen sind, denn deren Licht stört die empfindlichen Kameras in den Teleskopen. Wonach wir suchen, ist weiter, viel weiter entfernt. In unserer Galaxie, aber auch darüber hinaus, untersucht H.E.S.S. sehr hochenergetische Gammastrahlung. Diese erreicht die Erde z.B. von schwarzen Löchern in aktiven Galaxienkernen, Supernovae, Pulsaren und Doppelsternsystemen (mehr zu den Quellen kosmischer Gammastrahlen (Englisch)).

Um reibungslose Beobachtungen zu sichern, gibt es einerseits ein Team von Technikern vor Ort, die die Teleskope fit halten. Aber auch die Messungen nachts laufen nicht (ganz) von selbst. Bis zum nächsten Vollmond, wenn die Teleskope pausieren, sind dafür meine Kollegin und ich da. Normalerweise sitzen wir beide in Berlin und Potsdam an unseren Schreibtischen und arbeiten mit den Daten, die hier in Namibia genommen werden. Das bedeutet nicht nur die Analyse der Daten, sondern auch Arbeiten an der Software, die für die vielen Schritte von der indirekten Messung bis zum wissenschaftlichen Ergebnis notwendig ist. Die Arbeitsgruppen, die am H.E.S.S.-Experiment beteiligt sind, schicken jeden Monat ein Team von zwei WissenschaftlerInnen hierher, um die Messungen zu betreuen. Für vier Wochen haben wir also unsere Schreibtische mit der namibianischen Wüste getauscht.

Das größte der fünf Teleskope.

Arbeitsalltag mit Taschenlampe

Zunächst mal ist es kein Tag, natürlich arbeiten wir nachts! In der Dunkelheit stapfen wir also zu Fuß mit der Taschenlampe von unserer Unterbringung über eine sandige Straße zu den Teleskopen. Manchmal hört man in einiger Entfernung ein Gallopieren, aufgeschreckt von unseren Schritten und den umherwandernden Lichtkegeln unserer Lampen. Als erstes geht es in den Kontrollraum. Hier stehen dutzende Bildschirme. Jeder zeigt eine andere wichtige Information an, z.B. Anzahl der aufgenommenen Bilder pro Sekunde (meistens ~1500), die Intensität in den Teleskopen oder auch die Ausrichtung der Teleskope am Himmel. Zu Beginn der Schicht fahren wir die Systeme hoch und wärmen die Kameras auf, überprüfen, ob alles funktioniert. Dann geht es raus.

Der Kontrollraum.
Echtzeit-Analyse der Daten im Kontrollraum. Eine kosmische Gammastrahlenquelle zeigt sich als ein roter Fleck in dem Panel oben links.

An jedem Teleskop müssen die Server hochgefahren werden, die Spannung muss gecheckt werden, das Dach, das tagsüber die Kameras schützt, geöffnet werden. Zurück im Kontrollraum wird alles abgedunkelt, was die Messung stören könnte, und ab jetzt können wir nur noch mit Rotlicht-Taschenlampen und nur im Notfall zu den Teleskopen. Mit ein paar Befehlen am PC parken die Teleskope aus und die Beobachtungen können los gehen. In den nächsten Stunden (im längsten Fall, bei Neumond im Süd-Winter, also genau jetzt, sind es 10) stellen wir sicher, dass die richtigen Beobachtungen laufen, dass alle Werte im Normalbereich bleiben und beheben kleinere Schwierigkeiten. Zwischendurch gibt es Kaffee und schwarzen Tee, damit die Augen offen bleiben, und die liegengebliebene Arbeit vom heimischen Schreibtisch kann erledigt werden. Gibt es ein Problem, ertönt eine schrille Sirene. Wir checken dann z.B. die Verbindungen zu den Servern, “pingen”, also klingeln, einen nach dem anderen durchs Netzwerk an. Alle da? Bunny fehlt! “Bunny”, das ist der Server, der für die Sicherheit der größten Kamera da ist. Bunny darf also nicht fehlen! Einen Neustart später läuft wieder alles nach Plan.

Manchmal müssen wir auch raus, mit der schwachen roten Taschenlampe und z.B. die Server an einem der Teleskope resetten. Dabei führen wir genau Buch über alle Vorkommnisse, damit wiederkehrende Probleme behoben werden können und die Ursachen gefunden werden können. Beobachtungszeit ist kostbar!  Am Ende der Nacht werden die Systeme runtergefahren und noch einmal geht es raus zu jedem der Teleskope. Wenn wir den Kontrollraum verlassen, sieht man am Horizont bereits einen blassen, rosa Streifen. Während wir die Straße zurück laufen, wird der Streifen zusehends breiter. Die ersten Vögel beginnen ein zaghaftes Zwitschern, es wird Tag in der Wüste. Zeit fürs Bett!

Vielen Dank an die Crew in Namibia, besonders an Albert!

Und im Notfall kann man die Teleskope auch damit bedienen :)

 

 

Leser:innenkommentare (2)

  1. Jahrmarkt der Astroteilchen-Kuriositäten

    […] vegetarische Kollegin Eva (siehe H.E.S.S.-Blog „Ping it like bunny“) jedenfalls geriet emotional an ihr Limit. Meistens kann man das Vorhandensein lebendiger Zutaten […]

  2. Kosmische Geschwister

    […] war und ein Paar verschmelzender Neutronensterne mit den H.E.S.S. Teleskopen gejagt hat („Ping it like bunny„), ist es dann passiert. Die Sensoren im IceCube Detektor am Südpol haben ausgeschlagen und […]

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