Bist du bereit für die Arktis?

UNIS Safety Course
Ein Selfie mit dem Vorgänger: Dieses Bild zeigt unsere neuen Kollegen René (links) und Kathrin (rechts) gemeinsam mit Thomas, der dem derzeit amtierenen AWIPEV-Team angehört. Foto: Thomas Dupeyron, Alfred-Wegener-Institut
Ein Selfie mit dem Vorgänger: Dieses Bild zeigt unsere neuen Kollegen René (links) und Kathrin (rechts) gemeinsam mit Thomas, der dem derzeit amtierenen AWIPEV-Team angehört. Foto: Thomas Dupeyron, Alfred-Wegener-Institut

Während an der AWIPEV-Forschungsstation derzeit der Forschungsbetrieb so langsam wieder Fahrt aufnimmt, hat in Potsdam die Ausbildung unseres nächsten AWIPEV-Stationsteams begonnen. Es besteht bisher aus der angehenden Stationsleiterin Kathrin Lang und dem Stationsingenieur René Bürgi (der Dritte im Bunde – ein französischer Kollege – wird in wenigen Tagen dazustoßen).

Beide mussten für ihre erste Ausbildungseinheit ins Polarnacht-dunkle Longyearbyen, der größten Stadt Spitzbergens, und kehrten mit leuchtenden Augen und atemraubenden Fotos zurück. Kein Wunder, denn auf Spitzbergen stand der große Sicherheitskurs auf dem Programm. Ein Training für Hartgesottene, weshalb Kathrin auch zurecht fragt: Seid ihr bereit für die Arktis? Viel Spaß beim Lesen.

Sina Löschke

 

Bist du bereit für die Arktis?

UNIS Safety Course
Abseil- und Klettertraining auf dem Trocknen: Kathrin und René üben die richtigen Griffe zunächst einmal an einem Container. Foto: Alfred-Wegener-Institut

Für unsere Arbeit am AWIPEV bereit zu sein ist die eine Sache, für die Arktis bereit zu sein eine andere. René und ich sind Teil des neuen AWIPEV Teams und befinden uns gerade in der Einarbeitungsphase für unsere Arbeit in Ny-Ålesund. Dazu gehört nicht nur, möglichst viel über das AWIPEV und die dort durchgeführten Forschungsprojekte zu wissen, damit wir die Wissenschaftler und ihre Projekte möglichst gut unterstützen können. Wir benötigen auch einen Bootsführerschein, Erste-Hilfe-Kenntnisse, müssen Gabelstapler fahren,… und eben bereit für die Arktis sein. Das heißt, zu wissen, wie man sich im Eis und Schnee sicher fortbewegt und was man in einem Notfall macht.

Dazu haben wir Anfang Januar den Arctic-Safety-Course der University of Svalbard (UNIS) in Longyearbyen besucht. Also, was gehört denn nun so dazu, um bereit für die Arktis zu sein?

Bevor wir uns zu Fuß, auf Skiern oder mit dem Schneemobil in die Wildnis wagen, sollten wir wissen, wohin wir gehen und was der Plan der Exkursion ist. Aber wissen wir auch, wie man eine Karte liest, die Koordinaten bestimmt, wie man GPS, Funkgerät, Notsender und ein Satellitentelefon benutzt?

UNIS Safety Course
Üben für den Ernstfall: Kathrin „rettet“ im Training einen Kollegen, der am Gletscher verunglückt ist. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut

Spitzbergen heißt nicht umsonst Spitzbergen, und wenn Schnee fällt, heißt es hier „Achtung Lawinengefahr“. Die Lawinengefahr ist vom Terrain, dem Wetter, der Schneemenge, den Temperaturen und anderen Faktoren abhängig. Daher müssen wir uns auf die mögliche Lawinengefahr vorbereiten. Wie lesen wir Gefahren im Terrain? Welche Gebiete sollten wir vermeiden? Während des Aufenthalts im Hinterland sollten wir stets diese Faktoren im Kopfe behalten.

Wird dann doch jemand von einer Lawine verschüttet, ist es wichtig, dass jeder im Team weiß, wie man sein LVS-Gerät (Sender und Empfangsgerät, mit dem man als Opfer gefunden werden und als Retter das Opfer suchen kann) und seine Lawinensonde benutzt, um das Opfer möglichst schnell zu finden und auszugraben.

Erste-Hilfe-Kurs: Unser angehender Stationsingenieur René Bürgi übt das Nähen kleiner Wunden an einem Stück Fleisch. Foto: Alfred-Wegener-Institut
Erste-Hilfe-Kurs: Unser angehender Stationsingenieur René Bürgi übt das Stillen einer Blutung an einem Stück Fleisch. Foto: Alfred-Wegener-Institut

Haben wir das Opfer gefunden und ausgegraben, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir erste Hilfe leisten müssen. ABC – Atemwege, Atmung (Breathing), Zirkulation. So lernt man das in der normalen ersten Hilfe. Hier, bedeuten ABC was anderes: A – Atemwege und Atmung, B – lebensgefährliche Blutungen, C – Kälte (cold). In der Arktis ist die Kälte ein extrem wichtiger Faktor, der einfach immer mit hineinspielt und alles schwieriger macht.

Um das Opfer vor der Kälte zu schützen, müssen wir wissen, wie. Dazu gehört zum Beispiel auch, wie man ein Notlager aufbaut. Meistens führt man dazu ein Notfall-Kit mit sich, insbesondere wenn man mit dem Schneemobil unterwegs ist. Dieses beinhaltet ein Zelt, Schlafsack, Isomatte, Kocher sowie anderes nützliches Zubehör.

Stets gilt, Gefahren und Notfälle zu vermeiden. Etwas passieren kann trotzdem, wir befinden uns nun mal in der Arktis, in einem extremen Lebensraum. Wir wandern auf Gletschern, fahren auf Meereis, und teilen uns den Lebensraum mit Wildtieren.

Deshalb lernt man beim UNIS Kurs zum Beispiel auch, wie man jemanden mit der richtigen Ausrüstung aus einer Gletscherspalte rettet, wie man sich selbst aus eisigem Wasser zieht, und wie man sich vor Eisbären schützt.

Nur mit zwei Eispickeln als Hilfsmittel ausgestattet, kämpft sich Kathrin aus dem Eisloch. Foto: Rene Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Nur mit zwei Eispickeln als Hilfsmittel ausgestattet, kämpft sich Kathrin aus dem Eisloch. Foto: Rene Bürgi, Alfred-Wegener-Institut

Dazu durften wir zum Beispiel in voller Schneemobilmontur am zugefrorenen See einmal ins eiskalte Wasser springen, ein bis zwei Meter schwimmen und dann uns und den vollgesogenen Anzug mit Hilfe kleiner Handeispickel aus dem Wasser ziehen. Zum Glück, wenn man schnell genug war, konnte man sich herausziehen, bevor das Wasser von den Füssen her bis hoch zum Oberkörper gekrochen war. Ich mag mir nicht vorstellen, wie kalt es sonst gewesen wäre, die Füße waren auf jeden Fall schon nach Sekunden eiskalt.

Eisbären. Es gilt, wir wollen jede Konfrontation mit Eisbären meiden. Wir sind die Gäste, wir dringen in ihren Lebensraum ein. Wenn wir also einen sehen, drehen wir einfach um, und verlassen das Gebiet. Wenn der Bär uns jedoch sieht und sich entscheidet, uns zu folgen, dann müssen wir ihn abschrecken und verjagen. Das wird mit Leuchtraketen bzw. Warnraketen gemacht, die laut sind, und den Bär hoffentlich erschrecken und verjagen. Meistens gelingt das auch. Es kann aber geschehen, dass der Bär sich nicht abschütteln lässt und immer näher kommt und wir selbst nicht die Flucht ergreifen können. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als uns selbst zu verteidigen und zum Gewehr zu greifen. Nur unter Selbstverteidigung ist die Tötung eines Eisbären erlaubt, und das kommt zum Glück sehr selten vor. Denn wie gesagt, Regel Nummer eins: Vermeide die Konfrontation mit Eisbären!

Kathrin beim Schießtraining. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Kathrin beim Schießtraining. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut

Der Unis Kurs war sehr abwechslungsreich mit vielen praktischen Übungen. Die haben wir dann alle nochmals am letzten Tag, draußen hinterm Dorf, im Freien üben dürfen. Getoppt wurde der Tag mit einer Rettungsdemonstration des Super Puma, des Longyearbyen-Search-and-Rescue Rettungshelikopters.

René und ich haben wirklich viel bei dem Kurs gelernt und durften dazu auch noch gleich das erste Mal Polarnacht schnuppern. Ich denke wir beide können sagen, ja, wir sind bereit für die Arktis und freuen uns auf unseren Einsatz an der AWIPEV Station.

Kathrin Lang

 

Hier noch ein paar der atemraubenden Aufnahmen, die René im Laufe des Kurses gelungen sind:

Longyearbyen während der Polarnacht.
Panorama-Aufnahme von Longyearbyen, fotografiert in der Mittagszeit. Wegen der anhaltenden Polarnacht wurde es während des Sicherheitskurses nie richtig hell. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut

 

Polarlichter über einem Berg in der Nähe Longyearbyens. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Polarlichter über einem Berg in der Nähe Longyearbyens. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Den jungen Mann in der blauen Jacke kennen Sie schon: Thomas, Logistiker im aktuellen AWIPEV-Team, kam zum Kurs dazu und half den Neulingen bei den Übungen zur Gletscherrettung. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Den jungen Mann in der blauen Jacke kennen Sie schon: Thomas, Logistiker im aktuellen AWIPEV-Team, kam zum Kurs dazu und half den Neulingen bei den Übungen zur Gletscherrettung. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Geschafft: Kathrin klettert mit letzter Kraft und nasskalten Füßen aus dem Eisloch. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Geschafft: Kathrin klettert mit letzter Kraft und nasskalten Füßen aus dem Eisloch. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Foto von jungem Meereis auf dem Adventsfjord. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut
Foto von jungem Meereis auf dem Adventsfjord. Foto: René Bürgi, Alfred-Wegener-Institut

Leser:innenkommentare (2)

  1. Lydia Messingfeld

    Kathrin, das sieht ja abenteuerlich aus! =)
    Schön, dass du jetzt schon gut vorbereitet wirst. Viele Grüße!

  2. Schnell,André

    André vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch
    In einem Eisloch würde ich auch mal springen.
    Aber das sieht bestimmt leichter aus als es ist.
    Alles für die Wissenschaft und für das Überleben.
    Viel Erfolg

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