Auf den Spuren von Tektonik und Eis

Wir erreichen die steinige Küste der Chilenischen Westfjorde, die überwiegend durch glaziale Prozesse geprägt wurde. Foto: Max Zundel
Max in super Stimmung als wir vom Polarstern Heli-Deck abheben um ca. 40 nautische Meilen in Richtung Isla Londonderry zu fliegen. Foto: Alessa J. Geiger
Max in super Stimmung als wir vom Polarstern Heli-Deck abheben um ca. 40 nautische Meilen in Richtung Isla Londonderry zu fliegen. Foto: Alessa J. Geiger

Von Alessa J. Geiger & Max Zundel |

Durch die wetterbedingte Kursänderung zu Beginn unserer Expedition verließen wir die Magellanstraße auf atlantischer und nicht auf pazifischer Seite. Dadurch waren unsere vorab sorgsam ausgewählten Beprobungspunkte mit dem Heli nicht mehr erreichbar. Max Zundel und Ich (Alessa J. Geiger) bilden eine Land-Geologie Truppe, weil sich unsere Probennahmen gut ergänzen lassen. Während sich Max mit der langfristigen tektonischen Geschichte der Drake Passage und deren Umgebung beschäftigt, bin ich daran interessiert die Vergletscherung der Chilenischen Westfjorde während der letzten Eiszeit zu rekonstruieren. Wir beide beproben Festgestein, aber nutzen unterschiedliche Methoden um unseren wissenschaftlichen Fragestellungen nachzugehen. Nach also mehreren Tagen des Wartens, an denen entweder der Wind zu stark oder der Wellengang zu hoch war um einen Heli-Flug zu erlauben, konnten wir schließlich während einer kurzen Schönwetterphase einen Landgang auf die „Isla Londonderry“, etwa 60 Kilometer südwestlich von der „Cordillera Darwin“, wagen.

Wir erreichen die steinige Küste der Chilenischen Westfjorde, die überwiegend durch glaziale Prozesse geprägt wurde. Foto: Max Zundel
Wir erreichen die steinige Küste der Chilenischen Westfjorde, die überwiegend durch glaziale Prozesse geprägt wurde. Foto: Max Zundel

So flogen wir dann über die Weiten des Ozeans und sahen in der Ferne die markante Silhouette der Fjordlandschaft, sofort waren wir von der unglaublichen Schönheit der patagonischen Landschaft verzaubert. Zudem fühlten wir uns sehr privilegiert in solch einer Gegend arbeiten zu dürfen. Als wir der „Isla Londonderry“ näher kamen, suchten wir mit dem Heli kreisend einen geeigneten Landepunkt aus. Nach sicherer Landung, schlüpften wir schnell aus unseren knall-orangenen Überlebensanzügen um unsere bequemen Feldarbeitsklamotten anzuziehen. Nach kurzer Rückmeldung zur Polarstern per Satelliten-Telefon (welche stündlich wiederholt wurde), verabschiedeten wir den Heli und liefen unseren ersten Gesteinsproben entgegen. Nachdem wir die erste dichte Vegetation hinter uns gelassen hatten, erreichten wir den felsigen Untergrund einer weitläufigen Berglandschaft.

Nach Süden, über die Bahia Cook, schauend konnten wir eindeutige Anzeichen vergangener Vergletscherungen anhand von wundervollen glazial bearbeiteten Landschaftsformen ausmachen. Auf der „Isla Londonderry“ beprobten wir mehrere abgerundete Findlinge, die auf dem Grundgebirge auf über 300 Meter über dem Meeresspiegel lagen. Insgesamt sammelten wir je fünf Proben für die Datierung mit kosmogenen Nukliden und Thermochronologie. Nach etwa sechs Stunden wurden wir vom Heli abgeholt, da sich langsam das gute Wetter zu verziehen drohte und Polarstern sich immer weiter entfernte. Wir hoffen erneut auf die „Isla Londonderry“ zu gelangen um unsere Beprobung abzuschließen.

Findling, der auf dem granitischen Grundgebirge der Isla Londonderry sitzt. Sicht Richtung Bahia Cook. Foto: Max Zundel
Findling, der auf dem granitischen Grundgebirge der Isla Londonderry sitzt. Sicht Richtung Bahia Cook. Foto: Max Zundel

Um die Vergletscherungsgeschichte in den Chilenischen Westfjorden zu rekonstruieren, eignen sich insbesondere abgerundete Findlinge (das ist Gestein, welches meist eine andere Zusammensetzung als das darunter liegende Grundgebirge hat), welche vom abschmelzenden Gletscher hinterlassen wurden. Ab diesem Zeitpunkt reichern sich im Findling kosmogene Isotope an. Da die Produktionsrate der Isotope bekannt ist, kann das Alter, wann der Gletscher jenen Findling abgelegt hat, errechnet werden. Diese Art von Methode nennt sich: Terrestrische in-situ produzierte kosmogene Nuklid-Analyse, welche u.a. für die Datierung verschiedenster geologischer Prozesse verwendet werden kann. Im südlichen Südamerika wurde diese Analyse bevorzugt verwendet, um die ehemalige Ausdehnung der patagonischen Vergletscherung zu datieren. Bis dato beziehen sich die meisten Studien darauf, Moränen östlich der Andinen Kordillere zu datieren. In den Chilenischen Westfjorden sind alle Moränen vom Ozean bedeckt, was das Datieren dieser Formen erschwert. Aus diesem Grund, werde ich eine vertikale Vergletscherungsgeschichte der Chilenischen Westfjorde erstellen, um Gletscherprofile modellieren zu können. Darüber hinaus ist Ziel meiner Arbeit östliche und westliche Vergletscherung in Südpatagonien zu vergleichen, wovon Paläo-klimatische Veränderungen abgeleitet werden können.

Max ist auf der Jagd nach Festgestein! Dabei sind ihm grobkörnige Gesteine, wie Granite, Gneise, Sandsteine etc. gerade recht, solange das Mineral Apatit vorhanden ist. Glücklicherweise ist dies ein weit verbreitetes Mineral, welches meist mit wenigen Prozenten im Gestein vorkommt. Die genommenen Proben werden dann im Labor zerkleinert und sortiert bis nur noch Apatit übrig bleibt. Durch den spontanen radioaktiven Zerfall von Uran-Isotopen entstehen natürliche Risse im Kristallgitter des Apatits, diese Risse nennt man auch Spaltspuren. Unter dem Mikroskop werden jene Risse gezählt und vermessen, um eine Datierung bzw. eine Apatit-Spaltspur-Analyse durchzuführen. Das erhaltene Spaltspur-Alter kann mit den gemessenen Parametern kombiniert werden, um Informationen über die Abkühlungsgeschichte der Proben zu erhalten. Die Abkühlungsgeschichte gibt dann Aufschluss über vertikale tektonische Bewegungen, z.B. Störungen, welche oft im Zusammenhang mit der Bewegung an tektonischen Platten entstehen. Solche Plattenbewegungen spielten eine zentrale Rolle während der Öffnung der Drake Passage, welche aus dem Auseinanderbrechen des südamerikanischen und westantarktischen Kontinents seit der späten Kreidezeit (vor ca. 80 Millionen Jahren) resultierten. Krustenblöcke, die das dramatische Auseinanderbrechen miterlebt haben, sind heute am Rande der Drake Passage zu finden, z.B. Feuerland und die Chilenischen Westfjorde auf südamerikanischer Seite sowie die Elephant Island Gruppe und die Südschettland Inseln auf der antarktischen Seite. Schlussendlich befasst sich Max‘ Projekt mit dem „Wie“ und „Wann“ sich diese Krustenblöcke bewegt haben, um mehr Licht in die tektonische Geschichte der Drake Passage zu bringen.

Leser:innenkommentare (2)

  1. Michael Schwanke

    Guter,sehr informativer Bericht.Mehr davon !

  2. Hebi

    Die Begeisterung für die Arbeit und den
    außergewöhnlichen Arbeitsplatz wird spürbar.

Kommentar hinzufügen

Verwandte Artikel