Forschung an einer Schmelzwasserfront: Großgeräte arbeiten im Verbund

Die drei eingesetzten Großgeräte auf einen Blick. Foto: Sandra Tippenhauer

Von Thorben Wulff |

An Bord der Polarstern nähern wir uns mittlerweile dem Ende der Arktisexpedition und können auf drei erfolgreiche Einsätze unseres Tauchroboters „PAUL“ zurückblicken. PAUL ist ein etwa vier Meter langes, torpedoförmiges, autonomes Unterwasserfahrzeug, das ohne Kabelverbindung zur Polarstern im Ozean operiert. PAULs Einsätze sollen uns dabei helfen das Zusammenspiel von Physik, Chemie und Biologie entlang der Eiskante besser zu verstehen. Salopp formuliert lassen sich die Verhältnisse dort wie folgt beschreiben: „Die Physik agiert, die Chemie reagiert und die Biologie macht das Beste draus“.

Beim Überqueren der Schmelzwasserfront sinken Temperatur (rot) und Salzgehalt (weiß) des Meerwassers stark ab. Foto: Thorben Wulff
Beim Überqueren der Schmelzwasserfront sinken Temperatur (rot) und Salzgehalt (weiß) des Meerwassers stark ab. Foto: Thorben Wulff

Physikalische Prozesse entlang der Eiskante sind beispielsweise das Abschmelzen des Eises. Das Schmelzwasser ist weniger salzig und daher leichter als das salzreiche Atlantikwasser welches mit der Fortsetzung des Golfstroms in diese Region transportiert wird. Das leichte Schmelzwasser legt sich daher wie ein mehrere Meter dicker Film auf das schwerere Atlantikwasser. Die Grenze zwischen den beiden Wassermassen wird als Schmelzwasserfront bezeichnet. Hier ändern sich Salzgehalt und Temperatur des Meerwassers sehr stark. Ähnliche Fronten zwischen verschiedenen Wassermassen gibt es häufig im Ozean. An diesen Fronten kann es zu interessanten physikalischen Prozessen wie dem Aufstieg von Wassermassen aus der Tiefe kommen. Dabei können Nährstoffe wie Nitrat an die lichtdurchflutete Oberfläche gelangen und dort für hohe biologische Aktivität sorgen. Ob und in welcher Form derartige Prozesse auch an Schmelzwasserfronten ablaufen können ist bisher noch nicht untersucht.

Blick aus dem Helikopter während der Eiserkundung. Foto: Thorben Wulff
Blick aus dem Helikopter während der Eiserkundung. Foto: Thorben Wulff

Bereits im Jahr 2013 führte PAUL Tauchgänge an einer Schmelzwasserfront durch und die Ergebnisse warfen eine Reihe von Fragen auf. In der Wassersäule zeigten sich damals Strukturen die auf ein Absinken bzw. Aufsteigen von Wassermassen hindeuteten. Wie diese Prozesse in Gang kamen konnten wir jedoch nicht erklären. Nun, 2015, sind wir mit einem deutlich umfangreicheren Erkundungsprogramm zurückgekehrt um einige der offenen Fragen zu beantworten. Zusätzlich zu den bereits eingebauten biologischen und chemischen Sensoren (z.B. zur Messung der Nitratkonzentration, der Fluoreszenz oder der Sauerstoffsättigung) wurde PAULs Nutzlast um einen akustischen Strömungsmesser (ADCP) erweitert. Neben den Einsätzen von PAUL umfasste unser diesjähriges Erkundungsprogramm zudem Messungen durch das Schiff selbst und den Einsatz eines Helikopters. Die schiffseigenen Messungen dienten dazu, die Lage der Schmelzwasserfront zu bestimmen. Polarstern fuhr einen Zick-Zack-Kurs vor dem Eis und überquerte dabei mehrfach die Front. Da auch die Struktur des Eises Einfluss auf die Prozesse entlang der Schmelzwasserfront haben könnte, wurde die Eisoberfläche von einem Helikopter aus beobachtet. Mit zwei Kameras wurden sekündlich Fotos aufgenommen, so dass jetzt mehrere tausend Aufnahmen aus definierten Flughöhen und -geschwindigkeiten vorliegen. PAUL selbst überquerte während seines Tauchgangs ebenfalls die Front und variierte seine Tauchtiefe immer wieder zwischen 3 und 50 Metern. Anhand dieser Tiefenwechsel ist es möglich die Schichtung der Wassersäule zu untersuchen. Kurz vor Ende seiner Mission nahm PAUL zudem noch Wasserproben aus verschiedenen Tiefen zwischen 3 und 100 Metern.

Für die Untersuchung der Schmelzwasserfront waren Polarstern, ein Helikopter und PAUL insgesamt elf Stunden im Dauereinsatz. Erst gegen Abend (der hier genau so hell ist wie der Mittag) wurde PAUL geborgen. Für das AUV-Team war der Tag damit jedoch noch nicht beendet. Einige von uns machten PAUL wieder bereit für den nächsten Tauchgang. Andere kümmerten sich um die Datensicherung und eine erste Auswertung. Und wieder andere verschwanden für mehrere Stunden im Kühlraum um PAULs Wasserproben aufzubereiten und für den Rücktransport nach Bremerhaven vorzubereiten.

Der Einsatz war für uns ein großer Erfolg. Eine erste, noch sehr grobe Analyse zeigte, dass die Daten des jüngsten Tauchgangs mit den Daten von 2013 vergleichbar sind. Wenn die bereits 2013 registrierten Strukturen in der Wassersäule also keine Zufall gewesen sein sollten, welches System steckt dann hinter ihrer Entstehung? Und laufen ähnliche Prozesse eventuell entlang der gesamten Eiskante, bzw. Schmelzwasserfront ab? Wenn ja, wie beeinflussen diese Prozesse das Zusammenspiel aus Physik, Chemie und Biologie?

Es gibt noch viel zu tun!

 

Kommentar hinzufügen

Verwandte Artikel