Märchenhaftes Gletschertor – 26.7.14

Sanderfläche

Auch am letzten Tag der Exkursion ließen wir uns die Laune nicht vom heute wieder mit Regen und Nebel aufwartendem Wetter verderben. Spätestens nachdem sich unser argentinische Kollege Pablo sich nach dem Frühstück auf die allmorgendliche Ansage „Abmarsch um 8“ zum ersten Mal traute, zu fragen, was denn diese etwas unflätige Ansage „Am Ar… um 8“ immer zu bedeuten habe, waren alle wieder wach.

Die von Staublagen durchzogene Eisfront des Getschers
Die von Staublagen durchzogene Eisfront des Getschers

Auf dem sich ans Frühstück anschließenden Weg zum Tal legten wir einen Zwischenstop an der Pegelstation der Kommission für Erdmessung und Glaziologie (KEG) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ein, wo uns Ludwig Braun einerseits einen kurzen Abriss der Geschichte der Gletscherforschung am Vernagtferner gab und uns zudem die aktuellen Aufgaben der Kommission und die dafür notwendigen Messinstrumente vorstellte. Hierzu gehören die dauerhafte Überwachung des Massenhaushalts des Vernagtferners mit der glaziologischen (Schneezutrag und Schmelze), der geodätischen (Veränderung der Oberflächenhöhe) und hydrologischen Methode (Bestimmung von Niederschlag und Abfluß). Wir erfuhren so, dass der Vernagtferner schon frühzeitig Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, da er mehrmals schnell bis ins Rofental vorstieß und dadurch einen mächtigen See aufstaute, der sich plötzlich in einer enormen Flutwelle entleerte mit verheerenden Folgen für die im Tal lebende Bevölkerung. Auch eine erste wissenschaftliche Beschreibung des heute als „Surge“ beschriebenen Prozesses, wenn sich ein Gletscher innerhalb von wenigen Jahren deutlich schneller als normal bewegt, wurde uns dargelegt. So wurde die Geschwindigkeit des Vernagtferners schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts allein dadurch bestimmt, dass man Steine markiert, ihre Position am Ende der Schmelzsaison bestimmt und wieder auf ihre Ausgangsposition gebracht hat.

Allein durch diese Methode konnte ein Anstieg der Gletscherfließgeschwindigkeit von 10-20 Meter pro Jahr auf über 300 Meter pro Jahr innerhalb weniger Jahre beobachtet werden. Wieder aufgewärmt und von schwerem Gepäck befreit, das wir an der Pegelstation zurück ließen, machten wir uns auf den Weg zum spektakulärsten Gletschertor des Vernagtferners – dem Gletschertor an der Schwarzkögelezunge.

Sanderfläche vor dem Gletschertor der Schwarzkögelezunge
Sanderfläche vor dem Gletschertor der Schwarzkögelezunge

Die Sanderfläche vor dem Gletscher und die vom Nebel teilweise beeinträchtigte Sicht ließen Vergleiche mit Island zu. Dennoch war die mächtige Eisfront, in der mehrere durch Saharastaub und andere Ereignisse hervorgerufene dunkle Lagen zu erkennen waren, und der als Röthlisberger-Kanal beschriebene Abflusskanal unter dem Eis sehr beeindruckend. Auch auf dem Rückweg legten wir noch einen weiteren Zwischenstop bei Ludwig Braun ein, der uns mit Käsefondue nach Appenzeller Art und vielen weiteren Gaumenfreuden verwöhnte.

Zudem empfahl er uns noch einen Anruf unter der Nummer +43 525430089. Hier habe nämlich ein Künstler Mikrofone an der Pegelstation installiert, wodurch man sich das Rauschen des Vernagtbaches per Telefon anhören könne. Hierdurch sollte der Klimawandel „hörbar“ gemacht werden. Völlig durchnässt unten im Tal angekommen freuen wir uns alle auf eine warme Dusche, eine ordentliche Portion Pizza beim Brückenwirt und das abendliche Kartenspiel. (LE)

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