Eine Maschine, komplizierter als eine Mondlandung

Youssef El Hayek im Hauptkontrollraum. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Steuerung des Ringbeschleunigers SIS18. Foto: G. Otto/GSI

Youssef El Hayek ist Beschleunigerphysiker bei GSI und stammt aus dem Libanon. Er arbeitet mit seinen Kollegen daran, noch mehr Ionen gleichzeitig in den Beschleuniger zu packen – auch für die zukünftige Beschleunigeranlage FAIR. Seit 2003 lebt er in Deutschland. Das Leben hier schätzt er vor allem wegen der unzähligen Gesetze, Vorschriften und Regeln.

Herr El Hayek, wie kamen Sie nach Deutschland?

Ich wollte Mathematik studieren. Als ein Schulkamerad zum Studium nach Europa ging, war ich von der Idee begeistert und versuchte ebenfalls ein Visum zu bekommen. Das klappt erst einmal nicht. Daher studierte ich zunächst im Libanon Mathematik und besuchte eine Sprachschule. Deutschland hatte ich aber fest im Kopf, weil hier auf den Gebieten Mathematik und Physik auf so hohem Niveau gearbeitet und geforscht wird. 2003 hat es dann geklappt: Ich hatte ein Visum und eine Zulassung für ein Physikstudium an der Technischen Universität Darmstadt, es konnte los gehen. Als ich das Frankfurter Autobahnkreuz aus dem Flugzeug von oben sah, war ich wirklich beeindruckt. Zum ersten Mal kam ich in ein europäisches Land.

Was war zu Anfang die größte Herausforderung?

Zunächst konnte ich bei einem Freund in Frankfurt wohnen. Von dort habe ich ein Zimmer in Darmstadt gesucht. Schon unter normalen Umständen ist das wegen der hohen Nachfrage sehr schwierig. Da ich keine WG-Erfahrung vorzuweisen hatte und mein Deutsch noch nicht sehr gut war, musste ich über 100 WGs abklappern, bis ich endlich in ein eigenes Zimmer einziehen konnte. Dafür war das Studium hier wie ein Traum, in der Experimentalphysik-Vorlesung wurden Experimente tatsächlich durchgeführt, nicht nur an der Tafel beschrieben wie im Libanon, wo die Mittel dafür fehlen.

Wie erfuhren Sie von GSI?

Der Ringbeschleuniger SIS18 beschleunigt Teilchen auf 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Foto: A. Zschau/GSI
Der Ringbeschleuniger SIS18 beschleunigt Teilchen auf 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Foto: A. Zschau/GSI

In meinem Physik-Studium legte ich meinen Schwerpunkt zunächst auf Plasmaphysik, lernte so Wissenschaftler von GSI kennen und entdeckte dann das Gebiet der Teilchenbeschleuniger für mich. 2009 kam ich dann für meine Doktorarbeit zu GSI, bei der es um eine Methode zur Optimierung der Multiturn-Injektion im Ringbeschleuniger SIS18 ging. Für die neue Beschleunigeranlage FAIR werden hohe Teilchenströme bzw. Intensitäten im Boosterbetrieb des GSI-Ringbeschleunigers benötigt. Strahlverluste führen zu einem Druckanstieg und damit zu weiteren Strahlverlusten im Beschleuniger. Ich versuche durch Maschinenexperimente direkt am Beschleuniger die Teilchenströme und Intensitäten zu optimieren und die Verluste zu verringern. Meinen Freunden erkläre ich immer, dass wir eine Maschine bauen, die wahrscheinlich komplizierter ist als die Durchführung einer Mondlandung.

Welche Erfahrungen haben Sie während Ihrer Zeit in Deutschland gemacht?

Ich fühle mich hier integriert und sehr wohl. Die Deutschen sind pünktlich, präzise, aber dafür nicht so locker und offen wie die Libanesen. Vor allem das Zusammenleben hier gefällt mir sehr gut. In Deutschland gibt es für jede Kleinigkeit ein Gesetz oder eine Vorschrift, alles ist klar geregelt. Das finde ich sehr wichtig, es ist die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben. Im Libanon sieht das leider anders aus. Das einzige was mir hier in Deutschland wirklich fehlt, ist die Sonne!

Dieses Interview erschien in abgewandelter Form im GSI-Magazin target, Abonnement und mehr Informationen.

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