Das flauschige Einhorn im Nanolabor

Das flauschige Einhorn. Bild: GSI

In der GSI-Nanotechnologie hat Strahlzeit einen etwas anderen Rhythmus. Während bei den meisten Experimenten der Atom- oder Kern-Physik nach einer Strahlzeit vor allem die Datenauswertung ansteht, geht es dann in der Nanotechnologie erst richtig los. Im Chemielabor sind die bestrahlten Folien ein Werkzeug, um Nano-Strukturen herzustellen.

Liana (l.) und Eugnia (r.) bei ihrer Schicht. Bild: GSI
Liana (l.) und Eugenia (r.) bei ihrer Schicht. Bild: GSI

Ich bin auf dem Weg zu X0, dem Bestrahlungsplatz der Materialforschung. Dort treffe ich Liana Movsesyan und Eugenia Toimil Molares in ihrer Schicht. Liana ist Doktorandin im Bereich Nanotechnologie, Eugenia ist die Leiterin der Nanotechnologiegruppe. Die beiden stehen in einem kleinen Vorbereitungsraum mit einem Tisch voller Magazine. In jedem sind 20 Rähmchen mit Folien. „Wir schießen die Ionenstrahlen aus dem Linearbeschleuniger auf Polymer-, also Kunststofffolien“, erklärt Eugenia.

In solchen Magazinen werden die Folien vorbereitet- Bild: GSI
In solchen Magazinen werden die Folien vorbereitet- Bild: GSI

„Die Ionen eignen sich super dazu, um sehr feine Spuren in dem Kunststoff zu erzeugen. Entlang der Ionenspur ist das Material ziemlich geschädigt. Im Labor ätzen wir diese Spuren mit Chemikalien zu Nanokanälen auf. Dann können wir die Folien als Schablonen nutzen, um in den Löchern Nanonadeln wachsen zu lassen.“ „Komm nächste Woche mit mir ins Chemielabor, dann zeige ich dir, wie das funktioniert“, lädt mich Liana ein.

Im Cave: Eugenia platziert die nächste Ladung Kunststoff-Folien zur Bestrahlung. Bild: GSI
Im Cave: Eugenia platziert die nächste Ladung Kunststoff-Folien zur Bestrahlung. Bild: GSI

Auf einem kleinen Schwarzweiß-Bildschirm sieht Eugenia, dass die aktuelle Folien-Charge fertig bestrahlt ist. Sie nimmt das nächste Magazin und geht über den Gang zum Cave. „Jetzt die schwere Bleitür“, sagt sie und hängt sich mit ganzem Gewicht an die Schiebetür, die die Strahlung abschirmt. Im Cave ist es eng, an der Wand entlang gehen wir nach vorne. Dort ist ein Roboterarm installiert, der die Folien einzeln nacheinander in den Strahl schiebt. „Wir wollen nicht nur Nanonadeln, sondern auch komplexere Strukturen züchten. Deshalb bestrahlen wir manche Folien unter verschiedenen Winkeln. Wachsen dann Nanonadeln in den Kanälen, ergibt sich ein komplexes Netzwerk.“ Auch etwas, dass mir Liana sicher im Nanolabor zeigen wird. In einer Schicht bestrahlen die beiden etwa tausend Folien. Ein großer Teil davon wird an verschiedenen Nanotechnologie-Gruppen weltweit geliefert, die keinen eigenen Beschleuniger zur Herstellung der Ionenspurmembrane haben.

Die Antwort der Atomphysiker. Bild: GSI
Die Antwort der Atomphysiker auf das flauschige Einhorn. Bild: GSI

Zurück in der Messhütte, fällt mir das Bild eines rosanen Einhorns auf, das mit Tesa an die Wand geklebt ist. Was hat es damit auf sich? Liana und Eugenia lachen, als ich sie darauf ansprechen. „Im Nanolabor läuft oft Musik, um das stundenlange Arbeiten etwas zu erleichtern“, erzählt Liana. „Irgendwer hat dann zum ersten Mal dieses Video „Pink Fluffy Unicorns Dancing on Rainbows“ laufen lassen. Sofort waren wir alle total auf dem Fluffy Unicorn-Trip. Das entwickelte sich schnell zum Running Gag. Als nächstes kam die Zehn-Stunden-Version. Die ist durchgelaufen, ohne das wir es richtig gemerkt haben.“ „Ich wäre verrückt geworden“, wirft Eugenia mit entsetztem Gesicht ein. „Irgendwann ist der Unicorn-Hype sogar bei unseren Nachbarn von der Atomphysik angekommen“, sagt Liana und zeigt auf ein Yoda-Warnschild an der Wand. (Während ich diesen Artikel schreibe, läuft der Song natürlich. Auf die Dauer hat er wirklich etwas meditatives.)

Liana zeigt mir im Nanolabor eine bestrahlte Folie. Bild: GSI
Liana zeigt mir im Nanolabor eine bestrahlte Folie. Bild: GSI

Einige Tage später bin ich mit Liana im Chemielabor der Nanogruppe: „So, hier hast du einen Laborkittel und eine Schutzbrille. Bei der Arbeit hier sind wir echte Chemiker.“ Jetzt geht es daran, die bestrahlten Folien weiterzuverarbeiten. An den Wänden reihen sich die Abzugsarbeitsplätze aneinander. Ein langer Tisch mit Pipetten, Kolben, Schälchen etcetera zieht sich längs durch den Raum. Eine Schublade gehört Liana. Hier bewahrt sie ihre Proben auf. „Mithilfe dieser Folien hier will ich später Nanodrähte aus Zinkoxid züchten. Deshalb lege ich die Folie jetzt in vorgewärmte Natronlauge. An der Stelle, wo die Ionen eine Spur durch die Folie gezogen haben, wird das geschädigte Material herausgelöst und es entstehen dünne Kanäle. Nach einer Minute haben die Kanäle einen Durchmesser von etwa 25 Nanometern. Je länger ich die Lauge wirken lasse, umso größer werden sie.“

Der "Dancefloor" im Nanolabor. Bild: GSI
Der „Dancefloor“ im Nanolabor. Bild: GSI

Ist die Ätzung beendet, spült Liana die Folie mehrfach in Wasser. Heute läuft im Labor übrigens nicht der Fluffy Unicorn-Song sondern „Breaking Dread“ von Day Din. Passend dazu ist auf dem Boden ein Dancefloor markiert ist. Hier darf man also alles rauslassen, wenn ein Experiment geglückt ist!

Liana träufelt Zinkoxid-Lösung in den Behälter. Bild: GSI
Liana träufelt Zinkoxid-Lösung in den Behälter. Bild: GSI

Jetzt kommt der entscheidende Teil: Liana legt die Folie in eine Apparatur zwischen weiße, viereckige Flüssigkeits-Behälter. Links von der Folie füllt sie die Behälter mit gelöstem Zinkoxid-Elektrolyt. „Jetzt lege ich eine Spannung an. Die Zink-Ionen wandern in die Nano-Kanäle und scheiden sich sich dort ab.“ Bis die Nanodrähte fertig gewachsen sind, dauert es etwa fünf Stunden. Anschließend wird Liana die Folie mit einem speziellen Lösungsmittel wegätzen und übrig bleiben die Zinkoxid-Nanodrähte.

Nanonadeln unterm Mikroskop. Bild: GSI
Nanonadeln unterm Mikroskop. Bild: GSI

Wir gehen zum Rasterelektronenmikroskop und Liana zeigt mir, wie ihre Nanodrähte aussehen. „Mich interessieren besonders Nanostrukturen aus Halbleitermaterialien“, sagt sie. „Denn für sie gibt es viele Anwendungen in der Energietechnik. Sie spielen eine Rolle in Solarzellen oder als Elektroden für die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff.“

Vergleich: Oben eine bestrahlte Folie ohne Nano-Nadeln aus Metall, unten mit. Bild: GSI
Vergleich: Oben eine bestrahlte Folie ohne Nano-Nadeln aus Metall, unten mit. Bild: GSI

Die Nanostrukturen, die auf diese Weise hergestellt werden, lassen sich gut reproduzieren. Das ist besonders wichtig für die Forschung. In vielen weiteren Projekten erforschen Liana und ihr Kollegen die Eigenschaften von Nanodrähten aus verschiedenen Materialien. Erkenntnisse spielen für Mikrochips, Sensoren, kalte Elektronenemitter und thermoelektrische Energiegewinung eine Rolle. Ich finde, wenn das Team der Nanotechnologie bei seiner Forschung so einfallsreich ist, wie in der Arbeitsplatzgestaltung, dann dürfen wir noch Großes erwarten!

Leser:innenkommentare (1)

  1. klebefolie

    Das ist mal wirklich ein flauschiges Einhorn. Schöner Artikel.

    Lg Manu

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