Haushaltsgeräte am Großdetektor

Der HADES-Detektor. Bild: J. Hosan/HA HessenAgentur

HADES-Experiment Teil 1

Donnerstag, 14. August. Die Strahlzeit mit dem größten GSI-Detektor steht an. Mehr als 150 Wissenschaftler aus zehn Ländern sind an dem Experiment beteiligt. Ich bin bei der letzten Videokonferenz vorab und am ersten Strahlzeittag dabei. Leider gibt es keinen Strahl, dafür aber einen Münchner Kühlschrank und einen Staubsauger.

16:00 Uhr. Eine Woche vor Experimentstart. Die Experimentatoren treffen sich in einem Container in der Targethalle, um die Vorbereitungen für die Strahlzeit zu besprechen. Neun Leute haben sich in dem karg eingerichteten Raum eingefunden. Sie treffen die letzten Vorbereitungen, sind aber nur ein Bruchteil der Kollaboration, die das ganze Experiment entwickelt und aufgebaut hat. Am HADES-Experiment sind 19 verschiedene Institute beteiligt. Klar, dass man sich da am besten per Videokonferenz abspricht.

Unechter Parasit im Cave

Der HADES-Detektor ist so groß wie ein T-Rex. Bild: GSI
Der HADES-Detektor ist so groß wie ein T-Rex. Bild: GSI

Es geht los: Zunächst fasst Jerzy Pietraszko, stellvertretender technischer Leiter von HADES, die letzten Neuigkeiten zusammen. „Wir werden noch einen unechten Parasiten im Cave haben. Das CBM-Experiment möchte eine Komponente testen und stellt sie einen Meter vor unserem Beam Dump auf. Das sollte uns aber nicht stören.“ Ein unechter Parasit? Gemeint ist, dass ein weiteres Experiment vom Strahl profitiert. Echte Parasiten stehlen den Experimenten einen Anteil des Strahls; unecht ist dieser Parasit, weil er den Strahlanteil bekommt, der sowieso hinter dem Experiment übrigbleibt. (Mehr über das CBM-Experiment hier im Video.)

Strahlzeit-Party

Michael Traxler (v.) wartet auf Strahl. Bild: GSI
Michael Traxler (v.) und sein Team warten auf Strahl. Bild: GSI

Virtuell anwesend sind Wissenschaftler aus Tschechien und Frankreich. Sie sprechen über Softwarefehler, die zuletzt immer wieder einen Neustart erforderten, über die Intensitäten, die erreicht werden können und machen einen Termin aus, an dem sie sich täglich während der Strahlzeit zur Videokonferenz treffen wollen. „Am Freitag beginnen wir mit dem Kühlprozess des Magnets“, sagt Pietraszko. Der Magnet ist supraleitend und muss auf minus 268 Grad Celsius gekühlt werden, das dauert ein paar Tage. „Jetzt brauchen wir nur noch einen Termin für die Party, oder?“, fragt Michael Traxler, technischer Leiter von HADES. Die fünf Wochen Strahlzeit, in denen mehr oder minder 24 Stunden am Stück gemessen wird, sind sehr anstrengend für alle Beteiligten. Da ist eine Feier zum Schluss das Mindeste. Vor allem wenn die Strahlzeit erfolgreich war! Und einen Termin dafür kann man nicht früh genug festlegen.

90 Milliarden Teilchen in einem Schuss

Mit Pionen experimentieren. Bild: GSI
Mit Pionen experimentieren. Bild: GSI

Für dieses HADES-Experiment müssen möglichst viele Stickstoff-Ionen gleichzeitig beschleunigt werden. Denn darauf kommt es bei diesem Experiment besonders an: Intensität. 90 Milliarden Stickstoff-Ionen werden zunächst auf ein sogenanntes Produktionstarget aus Beryllium geschossen, ein zylinderförmiges Klötzchen, das einen Durchmesser von vier Millimetern hat und zwölf Zentimeter lang ist. Wenn die Stickstoff-Teilchen darauf prasseln, entstehen durch den Aufprall Pionen. „Es entstehen sehr viele Pionen“, erklärt Traxler, „aber nur ein kleiner Bruchteil hat zufällig die richtige Richtung und den richtigen Impuls.“ Nur er kann für das Experiment verwendet werden. Die Ausbeute liegt bei etwa 300 000 Pionen pro Schuss. Sie werden wiederum zum eigentlichen Experiment weitergeleitet.

Michael Traxler hat sofort einen Staubsauger zur Hand. Bild. GSI
Michael Traxler hat sofort einen Staubsauger zur Hand. Bild: GSI

Dort entstehen in Reaktionen der Pionen mit Kohlenstoff-Atomkernen die instabilen Kaonen und ihre Antiteilchen. Schon vor 20 Jahren wurde dieses Experiment erdacht, aber erst jetzt kann der Beschleuniger genug Intensität liefern, dass es sich lohnt. Das heißt, es besteht überhaupt eine Chance, dass die seltenen Kaonen in so großer Zahl entstehen, dass sie sich genauer untersuchen lassen.

Sensibler Kühlschrank

Dienstag, 19:00 Uhr. Am Dienstag drauf ist es so weit, HADES steht im Strahlzeitplan. Ich geselle mich zu Michael Traxler in den Kontrollraum.

Korbinian (l.) muss mit dem Staubsauger ran. Der Wärmetauscher ist verstopft. Jürgen Friese (r.) prüft,  ob die Temperatur sinkt. Bild: GSI
Korbinian (l.) muss mit dem Staubsauger ran. Der Wärmetauscher ist verstopft. Jürgen Friese (r.) prüft, ob die Temperatur sinkt. Bild: GSI

Doch leider gibt es noch keinen Strahl, da sich andere Experimente verzögert haben. Eine Computerstimme, die an Stephen Hawking erinnert, verkündet etwa alle zehn Minuten “No beam“. Das verleiht dem Kontrollraum etwas Futuristisches. Alle wichtigen Leute sind vor Ort. Für jeden Detektor-Part gibt es Spezialisten, die sich mit den Details auskennen. Für den RICH-Detektor sind Jürgen Friese von der TU München und drei seiner Studenten zuständig. „Im Moment sind wir total entspannt“, sagt Friese. „Wir machen da weiter, wo wir im Juli aufgehört haben. Das sollte kein Problem sein.“

Situation wieder unter Kontrolle. Bild: GSI
Situation wieder unter Kontrolle. Bild: GSI

Kaum ein Sekunde später eilt er mit einem „Oh Mist, einen Moment“ nach draußen. Zum RICH-Detektor gehört ein Kühlsystem (oder Kühlschrank, wie ihn alle nennen), der das Gas im Detektor auf einer bestimmten Temperatur halten muss. Die Temperatur ist gerade schlagartig gestiegen. Da muss Friese sofort reagieren. Denn wenn das Gas warm wird und sich ausdehnt, können empfindliche Kristallscheiben im Inneren des Detektors brechen. „Ich glaube der Wärmetauscher ist verstopft! Michael, hast du einen Staubsauger?“ Tatsächlich holt Traxler einen Industrie-Staubsauger und Frieses Masterstudent Korbinian saugt alle Ritzen und Ecken des schrankhohen Kühlsystems.

Die Temperatur des Gases darf nicht steigen, sonst brechen wertvolle Kristallscheiben im Detektor. Bild: GSI
Die Temperatur des Gases darf nicht steigen, sonst brechen wertvolle Kristallscheiben im Detektor. Bild: GSI

„Schon Millibar sind entscheidend!“ erklärt Friese mir, nachdem die Situation wieder unter Kontrolle ist. „Wenn wir den Kühlschrank in Betrieb nehmen, schwankt am Anfang die Temperatur noch, da müssen wir sehr wachsam sein, sonst entsteht großer Schaden. Nach ein paar Tagen läuft er meistens zuverlässig. Trotzdem wohnen wir die nächsten drei bis vier Wochen im Gästehaus, um direkt vor Ort zu sein, falls etwas ausfällt. Und natürlich übernehmen wir Schichten im Experimentbetrieb.“

Fortsetzung folgt.

Kommentar hinzufügen

Verwandte Artikel