Die kürzeste Sitzung bei GSI

Der HADES-Detektor. Bild: GSI

Dienstag, 19. August. Einen festen Termin hat jeder im Kalender, der etwas mit der Strahlzeit zu tun hat: die Mittagssitzung. Jeden Strahltag, pünktlich um 12.45 Uhr, treffen sich die Zuständigen für die Beschleuniger und die Experimentatoren, um die neuesten Infos auszutauschen und sich abzusprechen. Seit ich das Strahlzeit-Tagebuch schreibe, bin ich auch ab und zu dabei.

Die Mittagssitzung. Bild: GSI
Die Mittagssitzung. Bild: GSI

12:45 Uhr. Uwe Scheeler ergreift das Wort. „Hallo und herzlich willkommen zur heutigen Mittagssitzung.“ Er vertritt heute den Strahlzeitkoordinator und ist damit für den Ablauf und die Planung des Strahlbetriebs verantwortlich. Unter seiner Leitung läuft die Sitzung in der Regel strukturiert, effizient und schnell ab. „So, dann legen wir los. Fangen wir an mit den Ionenquellen. Herr Adonin.“ In den Ionenquellen werden die Ionen produziert. Ein Team von 22 Leuten ist dafür zuständig, die Quellen einzustellen, auszutauschen und auch weiterzuentwickeln. „Gold ist bis heute morgen um 7:00 Uhr gelaufen“, berichtet Aleksey Adonin. „Seit gestern läuft die Stickstoffquelle. Alles ohne Probleme.“

Uwe Scheeler (l.) und Michael Traxler (r.). Bild: GSI
Uwe Scheeler (l.) und Michael Traxler (r.). Bild: GSI

Wenn es keine Besonderheiten gab, ist in wenigen Sätzen alles gesagt und es kann weiter gehen mit den Betreuern des Linearbeschleunigers UNILAC. Sie berichten, dass gerade der Stickstoff-Strahl für die Injektion in das Synchrotron eingestellt werde. Dabei habe es einen kurzen HF-Ausfall gegeben, also einen Ausfall der Hochfrequenzanlage. „Aber das ist schon behoben“, sagt Hartmut Vormann. Wenn viele Experimente laufen oder größere Einstellarbeiten anstehen, nehmen viele Leute an der Sitzung teil. Sie sitzen dicht gedrängt um das U aus Tischen im Meeting-Raum, der in der Nähe des Hauptkontrollraums liegt.

Maximale Intensität

Der HADES-Detektor. Bild: GSI
Der HADES-Detektor. Bild: Hosan/Hessen Agentur

Weiter zum zweiten Beschleunigerabschnitt, dem Ringbeschleuniger SIS18. Dort soll heute Abend nach den Strahldiagnose-Experimenten ebenfalls der Stickstoff-Strahl für das HADES-Experiment vorbereitet werden. „Wir stellen erst einmal eine niedrige Intensität ein, mit der wir sicher über die Nacht kommen und morgen können wir dann schauen, was wir maximal an Intensität rausholen können“, sagt Jens Stadlmann, der verantwortliche Physiker. Hohe Intensitäten sind heikel. Ist der Strahl nicht perfekt eingestellt, prasseln die Ionen irgendwo auf die Wand des Strahlrohrs und aktivieren das Material unnötig, unter Umständen kommt es sogar zu Beschädigungen. Deshalb sind die Operateure hier vorsichtig. Warum das HADES-Experiment so hohe Intensitäten braucht, ist Thema im nächsten Blog-Beitrag.

Florian aus Duisburg hat Übung mit dem Manipulator. Bild: GSI
Florian aus Duisburg war zu Gast am M-Zweig. Bild: GSI

Zufriedene Gäste

„Der ESR ist zurzeit nicht in Betrieb, richtig?“, fragt Scheeler und hakt damit den letzten Teil der Beschleunigeranlage ab, den Experimentierspeicherring. „Ja, der ESR ruht“, bestätigt Fritz Nolden, stellvertretender Leiter der Abteilung. „Kommen wir zu den Experimenten. X0 und M-Zweig“, fährt Scheeler fort. Das sind die Experimentierplätze der Materialforschung, die ich schon für das Strahlzeit-Tagebuch besucht habe. Daniel Severin berichtet: „Der Goldstrahl war schön ruhig, absolut konstant“, sagt er. „Die Duisburger und Stuttgarter waren sehr zufrieden. Es wäre toll wenn das für den 50 Hertz-Strahl genauso laufen könnte“, fügt er mit einem Schmunzeln hinzu. Bisher wurden zwei Schüsse pro Sekunde aus dem UNILAC zu den Experimenten abgefeuert, bei 50 Schüssen pro Sekunde ist der Betrieb von Ionenquelle und HF-Sendern schwieriger.

Wünsch‘ dir was

Solche Nanolöcher entstehen mithilfe von Ionen und chemischer Behandlung. Bild: GSI
Solche Nanolöcher entstehen nach Ionenbeschuss und anschließender chemischer Behandlung. Bild: GSI

Schon öfter haben Experimentatoren in der Mittagssitzung gefragt, ob sich einige Parameter des Strahls noch ändern lassen, zum Beispiel die Intensität oder die Extraktionszeit. Ab und zu diskutieren die Teilnehmer auch, ob die Strahlzeit für ein bestimmtes Experiment verlängert werden kann. Das war zum Beispiel beim Kernphysik-Experiment der Fall, bei dem Isao Tanihata und sein Team die Struktur von Atomkernen untersuchten. Das Experiment hatte sich verzögert und bekam einen Tag zusätzliche Strahlzeit.

20 000 dieser Polymer-Plättchen konnten die Materialforscher bestrahlen. Bild: GSI
20 000 dieser Polymer-Plättchen konnten die Materialforscher bestrahlen. Bild: GSI

20 000 bestrahlte Folien

Eugenia Toimil hat die Strahlzeit am zweiten Experimentierplatz der Materialforschung betreut: „Bei X0 lief es ebenfalls super.“ An X0 geht es um Nanotechnologie. Bei einer Sitzung im Juli hatte Eugenia berichtet, dass ihr Team 20 000 Polymer-Plättchen mit dem Beschleuniger herstellen konnten. Das sind Folien, durch die die Ionen winzige Spuren schießen, um damit Nanostrukturen herzustellen. „Die Folien gehen jetzt an Nanotechnologie-Projekte in aller Welt“, sagt sie. „Wir sind sehr zufrieden! Vielen Dank an alle Beteiligten!“

Sensation?

Nun geht es zum HADES-Experiment, der nächsten großen Herausforderung für die Operateure. Es ist die Fortsetzung einer Messreihe, die im Juli begonnen hatte und planmäßig unterbrochen wurde. In einer Mittagssitzung im Anschluss erlebte ich etwas Außergewöhnliches: Laura Fabbietti von der TU München hielt stolz ein Blatt Papier in die Höhe auf der eine Kurve mit eindeutigem Peak zu sehen war. Ein Raunen ging durch den Raum. Welches Messergebnis genau die Wissenschaftler verkündeten, darf ich aber leider noch nicht verraten. Die Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Fachmagazin hat Priorität. Laura Fabbietti hat mit ihrem Team den CERBEROS-Detektor entwickelt, der Teil des Experiments ist und war deshalb für die Strahlzeit bei GSI. Es sei sehr selten, verriet mir Michael Scholz anschließend, dass schon so kurz nach der Strahlzeit ein Ergebnis präsentiert würde. „So etwas habe ich erst ein oder zwei Mal erlebt.“

Das CERBEROS-Setup und eine Masterstudentin. Bild: GSI
Das CERBEROS-Setup und eine Masterstudentin. Bild: G. Otto/GSI

„Ist vom HADES-Experiment für die Strahlabnahme alles vorbereitet?“, fragt Scheeler. „Ja, von unserer Seite aus schon“, bestätigt Michael Traxler, Technischer Leiter von HADES. „Wir würden gerne schon die Nacht über messen. Gut wären dafür 5×10^10 Stickstoff-Ionen pro Sekunde.“ 50 Milliarden Stickstoff-Ionen, das ist schon eine ganze Menge! Auch die Tests der PANDA-Kollaboration für die neue Teilchenbeschleunigeranlage FAIR sind vorbereitet. Sie werden ab jetzt jeden Tag von 11:30 bis 13:00 Uhr Strahl bekommen.

13:00 Uhr. Mehr Experimente stehen heute nicht auf dem Plan. „So das war’s auch schon. Bis zur morgigen Sitzung“, verabschiedet sich Scheeler. „Ich behaupte, die Mittagssitzung ist die kürzeste Sitzung bei GSI“, sagt Michael Scholz. „Wenn alles funktioniert und es keine Planänderungen gibt, sind wir nach 15 Minuten spätestens fertig.“

Kommentar hinzufügen

Verwandte Artikel