Studie zeigt: Unsicherheiten anzusprechen schadet nicht – im Gegenteil

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Menschen unterscheiden sich in ihrem Bedürfnis nach endgültigen Antworten – viele können gut damit umgehen, dass Wissenschaft diese in der Regel nicht bieten kann. Diese Gruppe von Laien findet eine ehrliche Kommunikation von Unsicherheiten und Grenzen des Wissens besonders interessant.

Poster mit Tipps zur Kommuniikation. Mehr bei www.cred.columbia.edu/guide
Poster mit Tipps zur Kommuniikation. Mehr bei www.cred.columbia.edu/guide

Skepsis gehört zu den Kernkompetenzen in der Wissenschaft. Jede Messung hat Fehlerbalken und jedes noch so gute Modell kann durch ein noch besseres ersetzt werden. Das ist zumindest allen Wissenschaftlern klar. Diese Unsicherheiten bedeuten aber nicht, dass die bisher erarbeiteten

Ergebnisse nichts wert seien. Politiker, Journalisten oder andere Laien haben jedoch oft Schwierigkeiten, wissenschaftliche Unsicherheiten richtig einzuordnen. Und das führt zu einem Dilemma: Sollen sich Forscher darauf einlassen, nur eindeutige Botschaften zu verkünden, auch wenn sie das fachlich angreifbar macht? Oder sollen sie auch Unsicherheiten und offene Punkte ansprechen – auf die Gefahr hin, dass die eigentliche Botschaft nicht mehr ankommt?

Wir sehen dies bei der Kommunikation zum Klimawandel. Schnell werden Aussagen zu den Grenzen von Modellen so gedeutet, dass die bisherige Befunde gar nicht belastbar seien. Und das ist ja falsch und bremst wichtige Entscheidungen. Doch gibt es einen Königsweg, Unsicherheiten so anzusprechen, dass sie richtig gedeutet werden? Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort, es kommt nämlich darauf an, mit wem man spricht. Auf der AAAS2014, die Mitte Februar in Chicago stattfand, tauschten sich amerikanische und deutsche Psychologen zum Thema „Vertrauen in die Wissenschaft“ aus und debattierten, wie die Kommunikation von Unsicherheiten beim Publikum ankommt.

Eine Studie, die Prof. Dr. Michaela Maier, Universität Koblenz-Landau vorgestellt hat, war dabei besonders interessant: Sie untersuchte, wie Menschen auf Medienberichte zum Thema Nanotechnologie reagieren, die die wissenschaftliche Evidenz entweder als gesichert oder als ungesichert darstellten. Die knapp 600 Versuchsteilnehmer füllten vor der Studie einen Fragebogen aus, in dem sie Auskunft über ihr Bild von Wissenschaft und ihr Vertrauen in die Forschung gaben. Danach erhielten sie jeweils im Abstand von mehreren Tagen insgesamt sechs Medienberichte zum Lesen (Zeitung) oder Ansehen (TV). Der Fragebogen musste nach der Halbzeit des Experiments und einige Tage nach dem letzten Medienbericht erneut ausgefüllt werden.

Gruppe 1 erhielt zunächst Berichte mit Fokus auf den positiven Aspekten der Technologie, dann folgten weitere Berichte, die nur Risiken hervorhoben. Bei Gruppe 2 war die Reihenfolge andersherum. Für Gruppe 3 wurden die Informationen ganz anders präsentiert, nämlich differenziert und abgewogen: So sprach zum Beispiel ein Forscher über Chancen, Risiken und Ungewissheiten der neuen Technologie.

Das erstaunliche Ergebnis: Die Art der Aufbereitung hatte kaum Einfluss auf Einstellung zu und Interesse an Wissenschaft. Allerdings galt das nur für den Teil der Versuchspersonen, die ein starkes Bedürfnis nach endgültigen Antworten (need for cognitive closure) haben.

Bei denjenigen Versuchspersonen dagegen, die mit Unsicherheit und Komplexität besser umgehen können, erhöhte das Material vom Typ 3, wie das Interview mit dem vorsichtigen Forscher, das Interesse an wissenschaftlichen Themen sogar.

Mein Fazit aus der Session: Ja, wir sollten auch vor einem Laienpublikum die Unsicherheiten benennen. Aber wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass ein Teil der Menschen damit nicht besonders gut umgehen kann und es möglicherweise falsch versteht. Diese Menschen müssten wir gezielt mit deutlicheren Formaten erreichen, in denen gut gesicherte Schlussfolgerungen im Vordergrund stehen. Langfristig müssten wir dazu beitragen, dass mehr Menschen als bisher verstehen, wie Forschung arbeitet. Eine Bildungsaufgabe, die eigentlich schon in der Schule beginnen sollte.

 

Die Studie von Michaela Maier wird demnächst hier publiziert:

Retzbach, A., Maier, M. (accepted for publication). Communicating Scientific Uncertainty: Media Effects on Public Engagement with Science. Communication Research.

Kommunikation von Forschung zum Klimawandel: Das Poster sowie einen kostenlosen Ratgeber mit fundierten Tipps des Center for Research on Environmental Decisions gibt es hier: www.cred.columbia.edu/guide

 

Leser:innenkommentare (3)

  1. Reinhold Leinfelder

    Sehr schöner Beitrag, bringt es genau auf den Punkt worum es geht. Wir müssen die Gruppe stärken und ausbauen, die mit Komplexitäten und Unsicherheiten besser umgehen kann, aber uns eben insbesondere auch um diejenigen bemühen, die sich – meist aus Verunsicherung – gerne das rauspicken, was einfacher ins persönliche Bild passt (also diejenigen mit „need for cognitive closure“). Vielleicht helfen da ja spannende Selbstreflexionsversuche, die einem auf freundliche Weise den Spiegel vorhalten („warum reagiere ich eigentlich immer so, wenn dieses und jenes passiert?“).

    Die vermutlich größte Herausforderung für Wissenskommunikation liegt dabei wohl im Wissenschaftsjournalismus. Es wird vermutlich nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sein, unterschiedliche Artikel für denigen mit cognitive closure-Bedürfnis und diejenigen, die besser mit offenen Fragen umgehen können, zu schreiben. Also brauchen wir über ein verbessertes Wissenschaftsverständnis sowie ein verbessertes Verständnis über den eigenen Umgang mit persönlichen Erfahrungen eine Erhöhung des Vertrauens in die bzw. des Legitimationsgrades für die Wissenschaft, um dem cognitive closure-Bedürfnis entgegenzu wirken. Vermutlich helfen hier am besten eigene Erfahrungen aus direkter Teilhabe an Wissenschaft, Monitoring und Visionenerarbeitung, also Partizipation in der Schule, in Museen, in Firmen, in „Reallaboren“, als Verbraucher uvm.

    Insbesondere aber brauchen wir die richtigen Narrative im Wissenschaftsjournalismus. Es ist ja nicht so, dass wir im normalen Leben nicht mit Unsicherheiten umgehen würden, ganz im Gegenteil: jeder hat x Versicherungen für alles und jedes, wir nehmen Hypotheken auf, von denen wir teilweise nicht wissen, ob wir sie dauerhaft abbezahlen können und leben dennoch ganz gut damit, denn auch dagegen versichern wir uns ggf. Hier muss Wisenschaftskommunikation Alltagserfahrung und wissenschaftliche Analogien plausibel zusammen erzählen und vergleichen.
    Ein weiter, aber auch spannender Weg liegt da noch vor uns.

  2. Reiner Korbmann

    Einverstanden mit der Schlussfolgerung Unsicherheiten offen zu kommunizieren. Das ist aus meiner Sicht aber nicht eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob man also damit mehr Menschen überzeugt, sondern eine Frage der offenen, vorbehaltlosen Kommunikation gegenüber einem Partner, den man ernst nimmt, also der Vertrauensbildung.

    Leider gibt die Studie von Michaela Maier in der hier dargestellten Kurzform nicht genug her, worin sich die Gruppe der Leute, die endgültige Antworten wollen, von den anderen unterscheidet. Daher bringt dies nicht viel Nutzen für die praktische Arbeit, etwa dafür wie man Unsicherheiten aufbereitet, so dass sie von der jeweiligen Zielgruppe akzeptiert und richtig eingeordnet werden. Dass man da viel tun kann, hat ein Workshop beim Kongress „Science online“ gezeigt, der Ende Februar in Raleigh/North Carolina stattfand. Mehr dazu in einem themenspezifischen Storify „Was bringt online? – Die große ‚Science online‘ Konferenz in USA“ aus Raleigh in meinem Blog „Wissenschaft kommuniziert“.

    Noch ein Wort zu Prof. Leinfelder: Ihre Hoffnung in den Wissenschaftsjournalismus wird wohl enttäuscht werden. Wissenschaftsjournalisten sind kein Teil des sozialen Systems Wissenschaft, sondern des sozialen Systems Medien. Und angesichts der Situation hier (mit sinkenden Redaktionsgrößen, steigendem Wettbewerbsdruck, Sensationalisierung und Verflachung der Berichterstattung) habe ich da wenig Hoffnungen. Da muss sich die Wissenschaftskommunikation wohl schon selbst auf den Weg machen, zielgruppenspezifisch ihre Informationen (inklusive Unsicherheiten) aufzubereiten, dass sie richtig ankommt und die erhoffte gesellschaftspolitische Wirkung erzielt.

  3. antoroblog

    Vielen Dank für diese tollen Kommentare!
    Mich interessiert durchaus, was die Forschung dazu sagt und es gibt zu diesem Thema ein aktuelles DFG-Schwerpunktprogramm „Wissenschaft und Öffentlichkeit: Das Verständnis fragiler und konfligierender wissenschaftlicher Evidenz“. Ich hatte schon mal angeklopft (Uni Münster, Prof. Bromme) und nachgefragt, ob die beteiligten Forschergruppen denn bereit wären, ihr erarbeitetes Wissen mit uns aus der Praxis zu teilen. Das scheint schwierig zu sein, eben weil diese Studien häufig nur sehr begrenzt dazu taugen, für die Praxis Handlungsanweisungen abzuleiten.
    Partizipation ist hier sicher ein ganz gutes Stichwort, auf der AAAS war eine Session auch dem Thema Citizen Science gewidmet, aber auch die Beteiligung an Bürgerprojekten in der Stadtgestaltung oder beim Monitoring wie von Herrn Leinfelder angesprochen, sind sicher eine Bereicherung.
    Herrn Korbmann möchte ich beipflichten, dass Ehrlichkeit grundsätzlich die Voraussetzung ist, um langfristig Vertrauen zu gewinnen. Nach meiner Erfahrung ist es auch den Wissenschaftlern sehr wichtig, dass nicht mehr behauptet wird, als belegt werden kann. Die Pressestellen von Forschungseinrichtungen und Universitäten können sicher gute Arbeit leisten, was das sorgfältige (didaktisch klare, und manchmal auch unterhaltsame) Aufbereiten von Fakten und auch Unsicherheiten in bestimmten Wissensbereichen angeht. Außerdem gibt inzwischen auch viele PR-Publikationen, die es von der Lesbarkeit durchaus mit journalistischen Produkten aufnehmen können. Aber es wäre ziemlich fatal, wenn die Gesellschaft ihr Bild von der Wissenschaft alleine daraus beziehen müsste!

    Wir brauchen unabhängige Wissenschaftsjournalisten, die Fortschritte nicht nur loben, sondern auch hinterfragen oder auch mal die Verteilung der Forschungsgelder diskutieren. Ich hoffe daher sehr, dass es auch in Zukunft noch Verlage gibt, die guten Wissenschaftsjournalismus finanzieren und fördern.

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